Pfarreigründung im Leipziger Osten
Vielfalt als wertvoll entdecken
Auch beim jüngsten Gemeindefest in Leipzig-Schönefeld war kulturelle Vielfalt erlebbar. Insbesondere die Vietnamesen brachten sich dort mit ein. Foto: Arnold Michl |
Nach neuesten Zählungen wird die Pfarrei Heilige Maria Magdalena Leipzig-Ost mit 9 023 Katholiken die mitgliederstärkste im Bistum Dresden-Meißen sein. Allein auf dem Gebiet der Teil-Pfarrei Heilige Familie in Leipzig-Schönefeld ist die Katholikenzahl in den vergangenen zehn Jahren um knapp 800 auf 2000 gestiegen, ähnlich sieht es für die Pfarreien St. Laurentius Reudnitz, St. Gertrud Engelsdorf und St. Anna Taucha aus.
Das heißt aber keinesfalls, dass die Gemeinden hier unbekümmert immer so weitermachen könnten wie gewohnt. Zum einen sind da die personellen Engpässe des Bistums, die alle Regionen gleichermaßen treffen. Zum anderen schlägt sich die wachsende Zahl der Gemeindemitglieder nicht im Besuch der Sonntagsgottesdienste nieder, bedauert Michael Teubner, bisheriger Pfarrer von Schönefeld und künftiger Pfarrer der Groß- pfarrei. 40 Prozent seiner registrierten Pfarreimitglieder seien im Alter zwischen 21 und 40 Jahren. Diejenigen, die sich sichtbar im Gemeindeleben engagierten, seien hingegen zu 80 Prozent bereits über 60 Jahre alt. Er macht sich keine Illusion: „Der für Deutschland vorhergesagte Katholikenschwund wird uns in Leipzig auch treffen. Wir haben durch die aktuellen Zuzüge lediglich eine Schonfrist.“ Nur ein geringer Anteil der jungen Katholiken, die auf seinem Pfarreigebiet leben, findet Anschluss in anderen Leipziger Gemeinden, vermutet er.
„Wie können wir als Kirche für die Jüngeren attraktiver werden und sie für den christlichen Glauben begeistern? Wie bringen wir unsere ungetauften Mitbürger mit der Botschaft des Evangeliums in Berührung?“ Diese Fragen beschäftigen die Gemeinden der künftigen Pfarrei Maria Magdalena auf allen Entscheidungsebenen und kommen zum Ausdruck im biblischen Leitwort, das sie sich für ihr zukünftiges Wirken gewählt haben: „Ihr seid das Salz der Erde, ihr seid das Licht der Welt. Verkündet das Leben!“ Patent-Rezepte zur Umsetzung haben die Katholiken allerdings auch im Leipziger Osten bisher nicht gefunden.
In der Begegnung mit Geflüchteten und Zugewanderten haben sie an mehreren Orten Erfahrungen gesammelt, die für ihren weiteren Weg erhellend sein könnten. Die Schönefelder Katholiken zum Beispiel haben bereits vor einigen Jahren die vietnamesische Gemeinde der Region bei sich aufgenommen. „Von Jahr zu Jahr ist der Kontakt zu den Vietnamesen intensiver geworden“, erzählt Monika Feist. Anfängliche Berührungsängste und Verständigungsschwierigkeiten seien weniger geworden. Einige Mitglieder der „Hauptgemeinde“ nehmen an den monatlich stattfindenden vietnamesischen oder auch an den ebenfalls in Schönefeld gefeierten koreanischen Gottesdiensten teil. Umgekehrt gehört mittlerweile von den durchschnittlich 120 sonntäglichen Gottesdienstbesuchern in der Pfarrkirche etwa ein Viertel zur vietnamesischen Gemeinde. Eine Lesung wird jeden Sonntag zunächst auf Deutsch, dann auf Vietnamesisch vorgetragen, eine der Fürbitten formulieren die Vietnamesen in ihrer Sprache. Ohne sie gäbe es in den meisten Gottesdiensten keine Ministranten mehr. Trotz manchmal auch herausfordernder Mentalitätsunterschiede seien die Vietnamesen „eine große Bereicherung“. Ihre tiefe Frömmigkeit, ihr Fröhlichkeit und ihr jugendlicher Elan bringen sie immer wieder dazu, über die Intensität ihres eigenen Glaubenslebens nachzudenken. Zur Pfarreigründungs-Feier wird sich die vietnamesische Gemeinde unter anderem kulinarisch einbringen. Drei Restaurantbetreiber aus der Gemeinde spendieren gemeinsam ein Festbuffet für hundert Personen.
Dieses Logo, das der Grafiker Jakob Gleisberg zur Pfarreigründung schuf, drückt das Zusammenwachsen der Gemeinden aus. |
Unterschiedlich intensive Kontakte gibt es auch zu den Polen, die regelmäßig Gottesdienste in Engelsdorf feiern sowie zu den Kroaten und den Ukrainern, den Griechen und den Eritreaern, die sich in Reudnitz versammeln. „Unsere Sichtweise hat sich gewandelt“, beschreibt Pfarrer Teubner. Aus Gemeinden, die sich „bei uns eingemietet haben“ seien Gemeinden geworden, die „ein Teil von uns sind“, auch wenn längst nicht alle Mitglieder auf Pfarrei-Territorium leben.
Gemeinsames soziales Engagement
„Wir sollten unsere Vielfalt als Wert wahrnehmen“, findet Manfred Teuber, der stellvertretende Pfarrgemeinderatsvorsitzende von Reudnitz, und hat dabei keinesfalls nur die nationale Vielfalt im Blick, sondern zum Beispiel auch die unterschiedlichsten Frömmigkeitsformen, Wahrnehmungen und musikalischen Traditionen, von der Kolpingsfamilie bis zum Neokatechumenalen Weg in Taucha, vom Lobpreis der Reudnitz „Glaubenszone“ bis zum Kirchenchor. Es gehe darum zu entdecken: „Auch wenn dieses oder jenes nicht meine bevorzugte Ausdrucksform ist, finde ich doch wertvoll, dass es das gibt.“ Er ist zufrieden damit,was an gegenseitigem Verständnis bereits gewachsen ist, denn: „Wir haben uns diesen Pfarrei-Zusammenschluss ja nicht selber ausgedacht, trotz allem ist es ja ein aus Personalnot geborener Verwaltungsakt.“
Gemeinsamkeiten über die Grenzen der bisherigen Pfarreien hinaus gab es bereits in der Firm- und Erstkommunionvorbereitung und in gemeinsamen Musik- und Kunstprojekten. Auch im Projekt „Integration und Bildung“ arbeiten Christen aller Pfarreien zusammen, verstärkt durch evangelische Christen aus der Reudnitzer Erlösergemeinde. In Räumen der katholischen St.-Laurentius-Gemeinde geben sie Geflüchteten ehrenamtlich Sprach-, Geschichts- und Computerunterricht. Sie begleiten bei Behördengängen und geben Unterstützung im Alltag, wo immer sie gefragt ist.
Neue Aufgaben im Campus Lorenzo
„Auch wenn sich schon Menschen, denen wir geholfen haben, für die Taufe entschieden haben, wir tun diesen Dienst ohne die Erwartung, sie für uns zu gewinnen“, betont Matthias Abbrent, der im Projektteam mitarbeitet. „Campus Lorenzo“ heißt das große Bauvorhaben, das gerade rund um die Reudnitzer Pfarrkirche entsteht. Der kürzlich eröffnete Caritas-Kindergarten wird gemeinsam mit den entstehenden Bildungs- und Begegnungsräumen der Johanniter weitere Möglichkeiten für die Katholiken bieten, den Kontakt mit der Nachbarschaft zu intensivieren, hofft Thomas Hajek, bisheriger Pfarrer von Reudnitz. Er macht sich aber keine Illusion: „Es wird viele Menschen geben, die wir trotz der vielfältigen Angebote, die wir als katholische Kirche im gesamten Stadtgebiet von Leipzig machen und trotz persönlich ausgesprochener Einladungen nicht integrieren werden, zum Beispiel, weil sie in komplett anderen sozialen Milieus zu Hause sind.“
Sein Traum ist es, Neues auszuprobieren, um als Kirche auch in Milieus präsent zu sein, die den katholischen Gemeinden bisher fremd sind, etwa im sozialen Brennpunkt „Eisenbahnstraße“. Auch dort sei es wichtig, Salz der Erde sein und nach dem Vorbild der neuen Patronin Maria Magdalena „das Leben zu verkünden“. Gewiss sei solches Engagement nicht „jedermanns Sache“, räumt er ein. Es brauche aber immer auch Gemeindemitglieder, die andere, die sich konkret engagieren, mit ihrem Wohlwollen und ihrem Gebet mittragen.
Von Dorothee Wanzek