Die Berliner St. Hedwigs-Kathedrale hat einen neuen Organisten.

Vom Rhein an die Spree

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Die Berliner St. Hedwigs-Kathedrale hat einen neuen Organisten. Doch weil die dortige Orgel derzeit abgebaut ist, greift Marcel Andreas Ober vorübergehend in St. Joseph im Wedding in die Tasten.


Marcel Andreas Ober an seinem Arbeitsgerät. Foto: Almut Lüder

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Von Almut Lüder

 

Es ist erst sein fünfter Tag in der neuen Stelle. Die Orgel hat er im Januar beim Berwerbungsspiel kurz kennengelernt, bei dem er unter anderem das Choralvorspiel von Johann Sebastian Bach „Allein Gott in der Höh´sei Ehr“ sowie das Allegretto aus der 7. Sinfonie von Ludwig van Beethoven gespielt hat. Letzterer war ein Muss für Marcel Andreas Ober, der 1977 in Düsseldorf geboren wurde, etwa 70 Kilomter von Bonn entfernt, wo der berühmte Komponist vor 250 Jahren geboren wurde. Es ging bei der Bewerbung um die Organistenstelle in der Kathedrale St. Hedwig. Die Jury hat sich für Ober entschieden. „Ich freue mich, Thomas Sauer beerben zu dürfen“, sagt der 43-Jährige.  Der bisherige Organist hat sich im Juni in den Ruhestand verabschiedet.
Obers Denken ist zweigeteilt, er muss zwei Orgeln im Visier haben. Denn St. Hedwig wird derzeit umgebaut und renoviert. So musste die Gemeinde vorübergehend ausweichen nach St. Joseph in Berlin-Wedding. In der dortigen Kirche steht ein dreimanualiges Instrument des Orgelbauers Eisenbarth in Passau, in St. Hedwig, seiner eigentlichen Wirkungsstätte, ein dreimanualiges Instrument des Orgelbauers Klais in Bonn. Nach dem Umbau muss die Klais-Orgel überholt, gereinigt und klanglich auf die veränderte Innenraumgestaltung des Rundbaus aus dem 18. Jahrhundert abgestimmt werden. „Jede Orgel reagiert auf den Raum“, weiß Ober. Er träume davon, dass künftig zum originalen Spieltisch im Schwalbennest der Orgel noch ein zweiter Spieltisch in die Nähe von Gemeinde und Altar dazukommen kann, mit der die Orgel noch besser im Raum gespielt werden kann.
Ob das mit Kindheitserlebnissen zusammenhängt? Als drei-, vierjähriger Junge war er mit der Familie zu einer Tauffeier eingeladen. Dort fing er Feuer, als er den Organisten ebenerdig beobachten konnte. Orgel, das war von da an sein Instrument. Doch hatte er mit seinen damals kurzen Beinen keine Chance, an die Pedale zu kommen. Also begann er als Siebenjähriger mit dem Klavierspiel, als Zehnjähriger zusätzlich mit dem Orgelunterricht. Nach dem Abitur studierte er Katholische Kirchenmusik an der Robert-Schumann-Hochschule in Düsseldorf, später noch Dirigieren an der Kölner Musikhochschule. Sein privates Glück hat er auch gefunden: Er ist verheiratet und hat eine dreijährige Tochter.

 


Tradition soll beibehalten, doch französischer werden


Ober steckt voller Pläne. Die traditionelle Reihe der Orgelkonzerte an jedem 1. Sonntag eines Monats will er ab September fortsetzen. Dabei wird seine Vorliebe für französische Orgelmusik und französische Organisten deutlich. Welche Organisten er den Musikfreunden in Berlin präsentieren werde, will er noch nicht verraten. Dass ihm die Franzosen liegen, hat er in seinem Bewerbungsspiel bewiesen, indem er Werke von Louis Vierne und Maurice Duruflé präsentierte. Ein Faible für Jazz hat er auch ...
Doch für alle Konzerte und Gottesdienste ist Üben angesagt und das ist Knochenarbeit. Vier, fünf, sechs Stunden am Tag: „Das Scherzo von Vierne trainiere ich zwischendurch immer mal wieder streng nach Metronom, in verschiedenen Artikulationen, Temposteigerungen. Wenn man das Metronom dann ausschaltet, hat man das Gefühl, man fliegt über die Tasten“, schwärmt der Musiker, dessen schwarze Lederschuhe neben dem Pedal der Orgel von St. Josef auf ihren nächsten Einsatz warten. Unumgänglich? Es gehe auch mal mit normalen Schuhen. „Ich bin da relativ unkompliziert“, meint er. Alles Gewöhnungssache. Was für ihn in seinen ersten Berliner Tagen hingegen gewöhnungsbedürftig war, dass ein Radfahrer ihn als Rennradfahrer doch tatsächlich auf seiner Hausstrecke von Pankow nach Wedding überholt hat. Er nimmt es mit Humor.