Benefizkonzert für die Ukraine

"Von hier aus können wir helfen"

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Kirchenmusiker mit Frau
Nachweis

Foto: privat

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Enge Bande in die Ukraine haben Ortwin Benninghoff und seine Frau Oksana Popsuy seit vielen Jahren. Jetzt treten sie mit dem „Kiewer Orgeltrio“ in Meppen auf. Foto: privat

Die Ukraine ist für Kirchenmusiker Ortwin Benninghoff die zweite Heimat. Durch seine Frau, Freunde und seine Arbeit. Seit Kriegsbeginn war das Ehepaar nicht mehr dort. Jetzt laden sie zu einem Benefizkonzert in Meppen ein.

„Da seid ihr ja!“ Frauke Neuber schließt mit einem Lachen zuerst Oksana Popsuy und dann ihren Mann Ortwin Benninghoff in die Arme. Aus ihrem Wohnort Oberhausen ist das Ehepaar an diesem Nachmittag zu ihr und Wilfried Hagemann gefahren, um mit ihnen über ein Benefizkonzert (siehe „Termin“) in der Meppener Propsteikirche zu sprechen.  

Neuber arbeitet als Dekanatsreferentin im mittleren Emsland, Hagemann derzeit als Kirchenmusiker in der Propsteigemeinde. Aber das ist nicht der einzige Grund, denn über die Jahre sind alle vier längst zu guten Freunden geworden. Mit einem Schmunzeln erzählen sie von vielen musikalischen und auch anderen schönen Begegnungen, mal im Emsland, mal im Ruhrgebiet. Und deshalb helfen die Meppener den Oberhausenern gern bei der Organisation des Konzertes. Wer dabei auftritt? Das „Kiewer Orgeltrio“: mit Ortwin Benninghoff an der Orgel, seiner Frau Oksana und Nataliia Vasylieva an den Violinen.

Denn dabei geht es um noch mehr als eine gute Stunde mit Orgel, Violinen und passenden Texten. Das Publikum muss dafür am Eingang keinen Eintritt zahlen, aber am Ende möchten die Initiatoren um eine Spende bitten: vor allem für die Musikerinnen und Musiker des Kammerorchesters „Camerata Chernihiv“.

Benannt ist dieses Ensemble nach der Stadt Chernihiv im Norden der Ukraine – die im Februar 2022 von den russischen Streitkräften angegriffen, belagert, beschossen worden ist. Noch jetzt im August fielen Bomben auf das Stadtzentrum. „Die Stadt ist zu 75 Prozent zerstört“, sagt Oksana Popsuy, die in Chernihiv  geboren und aufgewachsen ist. Zeitweise gab es keinen Strom, kein Wasser, keine Heizung. „Viele unserer Freunde haben alles verloren“, sagt sie. Nicht nur die Instrumente, sondern auch Haus, Wohnung, Inventar – und vor allem Sicherheit. „Wir wollen ihnen und anderen beim Wiederaufbau helfen“, sagt ihr Mann. Deshalb laden sie an vielen Orten in ganz Deutschland zu Wohltätigkeitskonzerten mit dem Orgeltrio ein. Deshalb sammeln sie Spenden und schicken alles, was sie selbst erübrigen können, regelmäßig nach Chernihiv: Lebensmittel, Kleidung, warme Decken.

Unsere Freunde geben nicht auf

Denn die Stadt und die Musiker sind beiden gut vertraut: Popsuy und Benninghoff haben eine Wohnung in Chernihiv, er dirigiert die „Camerata“. Bis zum Krieg sind sie mehrfach im Jahr zwischen Oberhausen, wo Benninghoff als Kirchenmusiker in der evangelischen Auferstehungsgemeinde arbeitet, und der Ukraine hin- und hergependelt.
 

Aber seit Februar 2022 waren sie nicht mehr dort. „Wir würden so gerne wieder hinfahren“, sagt Popsuy und erzählt, dass ihr Sohn sie gebeten hat, noch davon abzusehen. Aus Angst, den Eltern könnte bei der Reise und dem Aufenthalt etwas passieren – und die Angst teilt sie mit ihm. Aber durch Telefonate weiß das Paar, dass auch die eigene Wohnung beschädigt ist – und wie schlecht es manchen ihrer Freunde geht.

Dass beider Herz und Seele an der Ukraine hängen, wird im Gespräch deutlich. Oksana Popsuy hat in Kiew studiert, arbeitet danach in mehreren Orchestern und ist viel als Solistin im In- und Ausland unterwegs. Die Ukraine bleibt Heimat und ist für ihren Mann zu einer solchen geworden – denn dort haben sich beide kennengelernt. Benninghoff stammt aus Oberhausen, arbeitet nach dem Studium zuerst dort als Kirchenmusiker und als Dozent an der Uni in Duisburg, dann als freischaffender Komponist und Musiker. 1993 fährt er zu einem Festival in die Ukraine – und bleibt dort: als Dozent an der Peter-Tschaikowsky-Akademie in Kiew, als Mitbegründer und Chefdirigent der Kiewer Kammerakademie sowie der „Camerata Chernihiv“. Seit 2013 ist er wieder als Kirchenmusiker in Oberhausen tätig.

Trotzdem bleiben die engen Bande nach Chernihiv bestehen. Benninghoff schwärmt von der Stadt und den Menschen dort. „Vor dem Krieg war es wunderschön“, sagt er. „Die Leute sind so freundlich und sehr sozial eingestellt.“ Er schätzt ihren außergewöhnlichen Sinn für Humor, ihre positive Lebenseinstellung,  ihr Durchhaltevermögen – das sich auch jetzt in dieser so schwierigen Situation erneut zeigt. „Das Leben geht weiter, irgendwie“, erzählt seine Frau. Gerade gab es wieder ein Musikfestival, „unsere Freunde spielen und treten auf. Sie geben nicht auf.“ Und aus ihrer Stimme klingt deutlich der Wunsch nach einem Wiedersehen heraus. „Aber im Moment können wir besser von hier aus helfen.“


Zur Sache

Das gut einstündige Konzert mit dem „Kiewer Orgeltrio“ beginnt am Sonntag, 12. November, um 16 Uhr in der Meppener Propsteikirche am Domhof. Der Eintritt ist frei; es wird um eine Spende für notleidende Musiker und Musikerinnen in der Ukraine gebeten.

Zu dem Trio gehören Ortwin Benninghoff (Orgel), seine Frau Oksana Popsuy (Violine) und Nataliia Vasylieva (Violine). Zudem wirkt der Propsteichor Meppen bei dem Konzert mit.

Die Gäste hören unter anderem ein Requiem von Giacomo Puccini sowie Werke von Cesar Frank, Jochen Rieger, Georg Friedrich Händel, Elena Kalina sowie Kompositionen von Ortwin Benninghoff – begleitet von meditativen Texten zur Jahreszeit.

Petra Diek-Münchow