Was uns diese Woche bewegt
Warten üben
Warten ist schwierig und unangenehm. Warten passt mir selten in den Kram, ob an der Bushaltestelle, an der Supermarktkasse oder beim Arzt. Wenn ich zum Beispiel zu Dienstterminen fahre und am Bahnsteig auf den verspäteten Zug warte, merke ich, wie der Frustpegel steigt. Oft denke ich dann darüber nach, was es noch alles zu tun gibt und was ich in der unnötigen Wartezeit alles hätte erledigen können. Warten ist Stress. Weil wir modernen Menschen meinen, wir hätten einen Anspruch auf Pünktlichkeit. Uns fehlen Gelassenheit und Geduld.
Anders im Advent. In den vier Wochen vor dem Weihnachtsfest nerven mich Wartezeiten im Alltag weniger. Das Aushalten fällt mir irgendwie leichter. Denn Warten ist ja nichts, was ich tue, sondern etwas, das ich einfach aushalten muss. Vielleicht liegt es an der besonderen Atmosphäre, den gemeinschaftlichen Ritualen, die wir in dieser Zeit gern pflegen und nach denen wir uns von Kindheit an sehnen.
Im Advent zelebrieren wir das Warten regelrecht. Jeden Tag öffnen wir ein Türchen im Adventskalender, hinter dem sich eine süße Überraschung oder ein motivierender Spruch verbirgt. Menschen treffen sich vor Fenstern, Türen und Garagentoren zum „Lebendigen Adventskalender“. Kirchengemeinden üben Krippenspiele ein. Oder: Maria und Josef werden im Adventskoffer von Haus zu Haus weitergereicht. Diese Herbergssuche finde ich besonders schön, denn sie macht deutlich, dass Warten nicht vergeblich ist. Warten macht Sinn. Die Zeit, in der wir uns auf die Geburt Jesu vorbereiten, erinnert uns daran: Da ist einer, der auf uns wartet, bis wir ihm die Tür aufmachen – bis wir Zeit für ihn haben.
Das unterstreicht auch ein Zitat des Theologen Dietrich Bonhoeffer: „Advent feiern heißt warten können; Warten ist eine Kunst, die unsere ungeduldige Zeit vergessen hat.“ Und es endet mit dem Satz: „Auf die größten, tiefsten, zartesten Dinge in der Welt müssen wir warten, da geht’s nicht im Sturm, sondern nach den göttlichen Gesetzen des Keimens und Wachsens und Werdens.“