Anstoß 29/21

Wegen Umbau geöffnet

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Im März 2021 begann eine Kirche ihren Standort zu wechseln. Bisher befand sie sich in einem einsamen Harzer Wäldchen, zunehmendem Vandalismus ausgesetzt.


Da diese Stabkirche in norwegischem Stil in Deutschland einzigartig ist, gründete sich ein Verein zu ihrer Rettung, mit dem Plan, die Kirche abzubauen und sie direkt in Stiege wieder zu errichten. Inzwischen laufen die Aufbauarbeiten und können auf der offenen Baustelle beobachtet werden. Am 12. September ist Wiedereröffnung. Was sich hier so einfach daher schreibt und liest, ist ein Kraftakt für den Verein und eine Meisterleistung der beteiligten Gewerke.
In den letzten Monaten ist mir die Geschichte dieser kleinen Kirche zum Gleichnis dafür geworden, was wir in der Kirche erleben. Nach wie vor schlagen die Spuren des Missbrauchsskandals derbe Risse in die Mauern. Den Prozess des Synodalen Weges nehmen viele Christen als Zerreißprobe für die Kirche wahr, ebenso die wachsende Spannung im Blick auf die volle Gleichberechtigung der Frauen in der Ämterfrage, der Ruf nach Segen für Partnerschaften von Menschen mit anderer sexueller Orientierung. Dazu kommen die Spuren der Corona-Krise und Umbrüche in den gewohnten Pfarreistrukturen. Je länger all dies währt, desto mehr Austritte aus der Kirche gibt es in Deutschland – längst nicht mehr nur von „Fernstehenden“. Es fühlt sich an wie mitten in einer Demontage!
Oder anders: mitten im Umbau!? Allerdings ein Umbau, wo hinterher nicht alles einfach identisch am neuen Platz stehen wird, wie in Stiege. Kirche muss dann anders aussehen und wieder besser als Kirche Jesu erkennbar sein. Ich vertraue darauf, dass Gottes Geist sich durchsetzt, in all diesem Umbau und unsere Herzen in seine Spur bewegt.

Beim Leipziger Katholikentag gab es einen gemeinsamen Stand der Bistümer Erfurt und Magdeburg mit der Evangelischen Kirche in Mitteldeutschland (EKM) mit einer starken Überschrift, die für die kleine Stabkirche ebenso passt, wie für die Situation unserer Kirche: Wegen Umbau geöffnet! Mitten im „Umbau“ sollten wir offenbleiben, für die Menschen um uns herum und für den, der die Welt umbauen wollte als Reich Gottes: ein lebendiger, beweglicher „Bau“, bereit, sich wandeln zu lassen.
 
Angela Degenhardt, Sangerhausen