Prominente Katholikinnen und Katholiken über ihr Gottesbild

Wer ist Gott für Sie?

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Licht scheint durch das Fenster einer Kirche
Nachweis

Foto: kna/ Katharina Gebauer

Gott ist das Zentrum unseres Glaubens. Wir beten zu ihm, wir hoffen auf ihn. Aber irgendwie ist er uns doch oft fremd. Barbara Dreiling hat prominente Katholikinnen und Katholiken gefragt: Wie stellen Sie sich Gott vor? Wie kommen Sie in Kontakt mit ihm? Warum vertrauen Sie ihm? Und wie wirkt sich Ihre Beziehung zu Gott auf Ihr Leben aus?


„Gott ist Liebe“

Bischof Georg Bätzing
Bischof Georg Bätzing
Foto: Bistum Limburg/Tobias Steiger

Ich erinnere mich, dass mir als Kind einmal die Einsicht kam: Gott, es gibt dich! Nicht wie etwas, das man objektiv zur Kenntnis nimmt und worüber man einiges wissen kann. Gott, es gibt dich! Das hat Folgen. Seitdem lebe ich mein Leben in diesem großen Horizont und spreche zu Gott. Ich bete. Das ist die Konsequenz meines Glaubens an Gott. Es gibt keinen Tag, an dem ich nicht oft und in den unterschiedlichsten Formen an Gott denke und zu ihm bete. Gott, du bist da. Du umgibst mich. Du willst, dass es mich gibt. Jeden Atemzug verdanke ich dir. Gott ist für mich „alles in allem“ (1 Kor 15,28) – und daran habe ich seit Kindertagen nie mehr gezweifelt.

Aber mein Glaube an Gott hat sich verändert. Er ist sozusagen mit mir gewachsen – oder ich an ihm. Je älter ich werde, umso größer ist meine Ehrfurcht. Karl Rahner hat einmal so ähnlich gesagt: Zum Glück gibt es den Gott nicht, wie ihn sich die meisten Menschen vorstellen. Kein Bild kann Gott fassen. Alle Bilder zerbrechen, und Gott entzieht sich ihnen. Auch das habe ich häufiger erfahren. Aber eines kommt ihm doch sehr nahe, und das hat Jesus vorgelebt: „Gott ist Liebe, und wer in der Liebe bleibt, bleibt in Gott und Gott bleibt in ihm“ (1 Joh 4,16). Ist es nicht wunderbar, das glauben zu können?

Georg Bätzing, Bischof von Limburg und Vorsitzender der Deutschen Bischofskonferenz

 

„Gott ist absolutes Geheimnis“

Martin Maier, Adveniat-Geschäftsführer
Martin Maier
Foto: Achim Pohl/Adveniat

Wer ist Gott für mich? Auf diese scheinbar so eindeutige Frage, fallen mir ganz verschiedene Antworten ein: Gott ist für mich reine Gegenwart und Urgrund aller Wirklichkeit. Er ist mein Fels, auf dem ich stehe. Er erhält mich am Leben, so wie mich mein Atem am Leben erhält. Sein Geist umhüllt mich. In ihm finde ich Trost und Frieden. 

Gott ist absolutes und unergründliches Geheimnis, doch in einem hat er aufgehört, Geheimnis zu sein: dass er sich verschenkende und verströmende Liebe ist. Martin Luther beschreibt Gott einmal wunderschön als einen glühenden Backofen voller Liebe. Ein Backofen kann nicht anders als Wärme verströmen. Und darüber hinaus riecht er wunderbar. So wie ein Backofen sollen wir menschliche Wärme und Güte verströmen. Wir sollen Gott ausstrahlen, barmherzig sein, wie unser himmlischer Vater barmherzig ist. Das heißt vor allem, liebevoll und gütig mit den Schwächen und Fehlern anderer umzugehen. Das ist eine der ganz konkreten Auswirkungen gelebter Gottesbeziehung.

Martin Maier, Jesuit und Hauptgeschäftsführer des Lateinamerika-Hilfswerks Adveniat

 

„Gott ist der Rahmen, in dem die Welt geschieht“

Mechthild Heil
Mechthild Heil
Foto: kfd/Kay Herschelmann

Denn Dein ist das Reich und die Kraft und die Herrlichkeit. Das beschreibt für mich Gott. Gott ist weder Frau noch Mann. Gott ist Sein. Gott ist der Rahmen, in dem die Welt geschieht. Gott zeigt sich mir in meiner Kraft, meinem Mut, meinem Zutrauen und manchen Begegnungen. Herrlichkeit ist für mich die Möglichkeit, Glück zu empfinden, Dankbarkeit und Schönheit. 

Wenn ich zur Ruhe komme, wenn ich Dankbarkeit empfinde, komme ich in Kontakt mit Gott. Manchmal im Nachgang einer Begegnung oder eines Gesprächs. Ich fühle, dass ich ihm vertrauen kann. Eine Erklärung habe ich dafür nicht. Aber kann man Vertrauen überhaupt erklären? Schenken wir es nicht einfach alle vorbehaltlos? Meine Beziehung zu Gott ist mein Ansporn, das Heute und Morgen zu gestalten und zu vertrauen, dass es gut wird. Ich kann nachsichtiger mit den Menschen und auch mit mir selbst sein.

Mechthild Heil, Bundesvorsitzende der kfd

 

„Gott ist für mich das intimste Gegenüber“

Irme Stetter-Karp
Irme Stetter-Karp
Foto: zdk/Peter Bongard

Meine Gottesbeziehung auf 1000 Zeichen zu beschreiben, grenzt für mich an ein absurdes Unternehmen, und schon sind 131 verbraucht. Gott, das ist für mich das intimste Gegenüber, zu dem ich bete, sobald ich wach werde und gleichzeitig ist er/sie für mich das absolut Fremde, das meine Vorstellungskraft um Lichtjahre übersteigt. Immer hatte ich Misstrauen gegenüber Menschen, die allzu genau wissen, wer Gott ist. Hunderte Male habe ich auf einer langen Hochtour im Gebirge erlebt, dass ich mich betend wiederfand. Bis heute reicht mir ein Sperber im Flug für dieses Gefühl tiefer Freude oder kraftvoll fließendes Wasser, wie bei den Iguazú-Wasserfällen in Paraguay. Es ist ein Respekt vor dem Ewigen, dem Lebendigen. Und spontane Begegnungen mit fremden Menschen unterwegs lassen mich auch wahrnehmen: Wie vielfältig muss Gott sein, so unterschiedliche Menschen bei ihrem Namen gerufen zu haben. Der Glaube an den dreieinen Gott pflanzt Wurzeln in mir, gibt mir Halt und Tatkraft.

Irme Stetter-Karp, Präsidentin des Zentralkomitees der deutschen Katholiken

 

„Gott ist Gabe und Aufgabe zugleich“

Stefan Ottersbach
Stefan Ottersbach
Foto: BDKJ-Bundesstelle/Christian Schnaubelt

Gott ist das Geheimnis meines Lebens, Gabe und Aufgabe zugleich. Es gibt Tage, an denen ich mit Gott gut in Kontakt bin. Dann erlebe ich Kraft, Hoffnung, Freude und erlebe mich lebendig. Ich kenne aber auch Tage, an denen ich Gottes Gegenwart nicht erlebe. Mir ist wichtig, auf Gottes Gegenwart hin offen zu sein. Deshalb ist die tägliche Meditationszeit am Morgen sehr wertvoll für mich. In den letzten Jahren habe ich von meiner Tätigkeit in den katholischen Jugendverbänden profitiert. Mir ist bewusst geworden, dass die offiziellen Gebetstexte unserer Kirche fast ausschließlich in männlichen Bildern von und zu Gott sprechen. Lange war mir gar nicht klar, wie einseitig die liturgische Sprache auch mein Gottesbild geprägt hat. Dabei kennt die Bibel doch eine Vielfalt von Gottesbildern, neben männlichen auch weibliche, überpersonale und nichtgeschlechtliche. Von dieser Vielfalt biblischer Gottesbilder lasse ich mich gerne anregen, sowohl in meinem persönlichen Gebetsleben als auch bei der Gestaltung von Gottesdiensten. Ich glaube, dass ich mit der Vielfalt und Unübersichtlichkeit des Lebens besser klarkomme, wenn ich in der Vielfalt und Fülle Gottes beheimatet bin.

Stefan Ottersbach, Bundespräses des Bundes der Deutschen Katholischen Jugend (BDKJ)

 

„Gott bleibt letztlich unergründlich“

Notker Wolf
Notker Wolf
Foto: Franz Dilger

In meinem Studium habe ich in Philosophie und Theologie viel über die Gottesbeweise gehört. Aber sie haben mich nicht zum Glauben an Gott geführt. Vielmehr war es das Beispiel Jesu Christi, das Antlitz der Barmherzigkeit Gottes. Ein barmherziger Gott ist für mich glaubwürdig, auch wenn er letztlich ein unergründliches Geheimnis bleibt. Das Beispiel Jesu, sein Leben, seine Worte, sind für mich überzeugend. Ich bin ihm zwar nicht persönlich begegnet wie Paulus oder die Jünger, die mit ihm über Land gezogen waren und ihn aus nächster Nähe erfahren konnten, aber die Zeugnisse des Neuen Testamentes treffen meine Sehnsucht nach einem Sinn in meinem Leben. 

Natürlich gibt es auch immer wieder Momente des Fragens und Zweifels, aber dann denke ich an die Jünger, die bei seiner Gefangennahme alle davongelaufen waren und nur schwer an seine Auferstehung glauben konnten. Selbst bei seiner Himmelfahrt zweifelten noch einige. Ich denke, der Zweifel ist die Rückseite der Medaille des Glaubens. Denn Glauben ist Vertrauen, da hole ich meine Sicherheit eben nicht aus mir selbst, sondern aus einem anderen. Doch ich habe in meinem Leben auch erfahren, dass die Lebenshingabe an Jesus Christus große menschliche Erfüllung bietet, Freude und Freiheit. Meine Beziehung zu ihm halte ich immer aufrecht durch das Leben in meiner Glaubensgemeinschaft, in der Feier der Eucharistie und dem täglichen Psalmengebet. Der Glaube an Gott in Jesus Christus bedeutet jedenfalls für mich die Erfüllung meines Lebens.

Notker Wolf, Benediktiner und Abtprimas em.

 

„Gott, so fern, so nah“

Katharina Kluitmann
Katharina Kluitmann
Foto: kna/Julia Steinbrecht

„Du bist so fern, du bist so nah, du bist so anders und doch da.“ Das mag ich singen. Immer wieder. Ein Lebensgesang. Dreifaltige Einheit, jenseits von allem, was ist – und total mittendrin in Leben und Welt. Mensch wie wir. Göttlich! Geist – irrsinnig konkret. Von Kind an fasziniert mich dieses Geheimnis, zieht es mich an. Darauf setze ich. Alles. Mein ganzes Leben. Unverbrüchlich trotz meiner Brüchigkeit. Um Gottes willen halte ich die Kirche aus. Und wenn sie mich nicht aushält: An Gott niemals verzweifeln. Anhalten. Innehalten. Und so spüren, ahnen, wie sehr Gott da ist, wie sehr sie um mich weiß, wie er mich trägt. Immer. Manchmal brauche ich dafür Worte. Meistens nicht. Gottes Beziehungsangebot steht. Innen. Tiefer drin als alles. Intimität. Innigkeit. Grund meiner Lebensform. Basis meines Wirkens nach außen. Für mein Streiten gegen Unrecht und Machtmissbrauch. Für mein Schweigen. Für mein Singen. Ich kann nicht ohne. Gott, so fern, so nah, so anders und doch da.

Katharina Kluitmann, Franziskanerin und frühere Vorsitzende der Deutschen Ordensobernkonferenz

 

„Gott freut sich mit mir“

Beate Schwittay
Beate Schwittay
Foto: kab/Matthias Rabbe

Die alte Geschichte vom Astronauten, der aus dem All zurückgekehrt auf die Frage nach Gottes Geschlecht geantwortet habe, „God – she’s black“ wirkt nachhaltig bei mir nach. Für mich sprengt Gott alle Vorstellungskraft, irritiert und überrascht. Gott ist auf der Seite derer, die in unserer Welt ohne Macht dastehen. 

Für mich ist das „Miteinandersprechen“ eine wesentliche Form, im Kontakt mit Menschen zu sein. Mit Gott ist es daher nicht anders. Ich spreche mit Gott, bitte, kritisiere, hinterfrage, danke – und bemühe mich, gut zuzuhören und zu verstehen.

Ich weiß mich grundlegend sicher aufgehoben. Ich weiß, dass Gott an meiner Seite bleibt und mich nicht fallen lässt, egal ob ich zweifle, ob ich Menschen verletze, ob ich Fehler mache. Gott freut sich mit mir über jedes gelingende und friedensfördernde Miteinander.

Meine Beziehung zu Gott stärkt meinen Einsatz für Gerechtigkeit. Gerade auch in diesen Zeiten fällt es oft schwer, darauf zu hoffen. Ich weiß jedoch um die Parteilichkeit Gottes für die Menschen, die am Rande der Gesellschaft stehen. So bin ich voll Hoffnung und Vertrauen.

Beate Schwittay, Bundesvorsitzende der Katholischen Arbeitnehmer-Bewegung (KAB)

 

„Gott ist treusorgender Hirt“

Hans-Joachim Wahl
Hans-Joachim Wahl
Foto: Friederike Nehrkorn

Wer ist Gott für mich? Der, dessen Name „Ich bin da“ ist, der im Alten Bund als treusorgender Hirt seines Volkes und von Jesus als bedingungslos liebender Vater beschrieben wird. Mit jedem Menschen hat Gott eine liebevolle Beziehung und Geschichte.

Ich erfahre die Nähe Gottes im Zusammensein mit anderen Menschen und im persönlichen Gebet. Wenn ich von den Menschen weggehe, um zu beten, finde ich sie vor Gott wieder. Die Feier des Gottesdienstes ist ein wichtiger Bestandteil meines Lebens. Die geistliche Musik, die beten, loben und klagen kann, ist ein großer Schatz, aus dem ich gerne schöpfe.  

Ich vertraue Gott, weil ich in meinem Leben die Erfahrung machen durfte, dass das Ja, das Gott zu mir gesprochen hat, mich durch dick und dünn trägt. 
Christsein lebt von der guten Beziehung zu Gott und den Menschen. Das drückt sich in Taten der Nächstenliebe aus. Adolph Kolping hat es auf seine Weise umgesetzt. Das motiviert mich.

Hans-Joachim Wahl, Bundespräses Kolpingwerk Deutschland

 

„Gott scheint durch alle Dinge hindurch“

Gereon Alter
Gereon Alter
Foto: Nicole Cronauge

Gott ist für mich das, „was uns unbedingt angeht“. Und er ist „in allen Dingen“ zu finden. So würde ich es mit den Worten des evangelischen Theologen Paul Tillich und des katholischen Großmeisters der Spiritualität Ignatius von Loyola sagen. Beide haben mein heutiges Gottesbild ganz maßgeblich geprägt. Und beide bringen mit ihren Worten etwas ganz Ähnliches zum Ausdruck: Gott ist nicht einfach „da“, so dass ich mit ihm umgehen könnte wie mit anderen Dingen dieser Welt. Er ist nicht zu greifen, nicht zu verstehen. Er ist und bleibt ein großes Geheimnis. Als solches aber scheint er durch alle Dinge hindurch und erreicht mich, wann immer mich etwas im Innersten berührt. Das kann das Wort eines anderen Menschen sein, das kann ein wärmender Lichtstrahl sein, das kann auch ein Ritual sein, in das ich mich hineinfallen lasse. Und wenn es geschieht, dann richtet es mich auf, dann gibt es mir Kraft, dann lässt es mich meinen Weg erkennen. Konkreter kann ich es nicht beschreiben. Aber es ist etwas höchst Konkretes.

Gereon Alter, Pfarrer und langjähriger Sprecher der ARD-Sendung „Das Wort zum Sonntag“

 

„Gott ist der Urgrund meines Seins“

Stefanie Strobel
Stefanie Strobel
Foto: privat

Gott ist der Urgrund meines Seins. Schöpfer und Vollender meines Lebens. Seine Absicht ist Leben, er will mich lebendig. Das gibt mir die Ausrichtung und den Antrieb, den Alltag in der Weise zu gestalten und Entscheidungen zu treffen, die dieses Ziel vor Augen haben: die Lebendigkeit.

Die Spiritualität des hl. Ignatius von Loyola prägt mein Leben als Ordensschwester. Ich nehme mir jeden Tag unter anderem eine Zeit der Tagesauswertung am Abend. Um den Tag bewusst anzuschauen, mit dem Blick darauf, wo es Wachstum gibt an mehr Glaube, Hoffnung und Liebe. Wo spüre ich das Leben? Und wo auch nicht. Der Tagesrückblick endet in einem Gebet, um Gott Dank zu sagen für das geschenkte Leben in meiner Arbeit und in meinen Beziehungen. Und ihm die Menschen und mich selber anzuvertrauen, wenn das Leben manchmal wie verschüttet erscheint. So vertraue ich mich ihm ganz an, mit dem Ausdruck von Dank und Bitte. Diese Gebetserfahrung schenkt mir Kraft.

Stefanie Strobel, Kongregation der Helferinnen, Geistliche Direktorin der Katholischen Journalistenschule ifp

 

 

Barbara Dreiling