Corona-Pandemie fordert auf der ganzen Welt Christen heraus
Wie geht es Ihnen?
In Togo können die Kinder wegen Corona nicht zur Schule gehen. Auf dem Pfarrgelände in Solla (im Hintergrund rechts neben dem Baum Pfarrer Ronald Kudla) wird deshalb Nachhilfeunterricht angeboten. Foto: privat |
Aus Marx an der Wolga berichtet Pfarrer Bosco Marschner: Seit der Osterwoche feiern wir mit den Schwestern hinter verschlossenen Türen täglich heilige Messe. Die staatliche Vorschrift gilt bis einschließlich Pfingsten. Da bei uns in Marx die Zahl der Neuinfizierten (heute 50) täglich steigt, werden die Maßnahmen möglicherweise verlängert. Die Leute dürfen das Haus nur zur Arbeit, für Einkauf, Arztbesuch, Müll wegbringen und Hundausführen verlassen. Somit finden auch keine Katechesen oder andere Treffen statt. In unsere Filialkirchen (Dörfer) fahren wir nur bei Notsituationen. Der Empfang des Sakraments der Versöhnung, welches hier von vielen fast monatlich empfangen wird, ist nun so nicht möglich. Im Bistum werden Gottesdienste und Andachten übertragen, Rosenkranz auch per Internet miteinander gebetet. So gut es geht, versuchen wir mit den Schwestern den Kontakt zu den Gemeindemitgliedern über Internet und Telefon zu halten, doch die realen Begegnungen kann das nicht ersetzen.
Was die Situation der Gemeindemitglieder betrifft, leiden vor allem Ältere (ohne Internet) unter Einsamkeit. Manche haben ihre Arbeit verloren, andere bekommen weniger Gehalt, Familienväter, die regelmäßig für ein bis zwei Monate nach Moskau zur Arbeit fuhren, müssen zu Hause bleiben, ohne Arbeit und Einkommen. Staatliche Hilfsprogramme für Familien mit Kindern gibt es, auch für Kleinunternehmen und Arbeitslose, meist sind es Einmalzahlungen. Wir haben mit den Schwestern angefangen, Lebensmittelpakete an Familien und Alleinstehende zu verteilen. Dabei kaufen wir Lebensmittel wie Mehl, Öl, Zucker, welche die Eigeninitiative zum Kochen/Backen fördern. Auch können wir dank Spenden Geld für Arznei und ärztliche Untersuchungen sowie für Babynahrung geben.
„Gottesdienst feiern wir jeden Sonntag online“
Lothar Vierhock ist Pfarrer der deutschsprachigen St. Elisabeth-Gemeinde in Moskau: Trotz Corona gab es keinen Sonntag, an dem wir nicht miteinander Gottesdienst gefeiert hätten, jetzt halt online. Er läuft genauso ab wie in der Kirche oder bei uns in der deutschen Botschaft in Moskau. Ich richte meinen Wohnzimmertisch als Altar her: mit einer Kerze, einem Kreuz, einer Ikone von Ostern sowie mit Messbuch, Kelch und Schale. Nur gemeinsame Gesänge sind wegen der technischen Verzögerung über das Internet schwierig. Leider fällt die Kommunion weg, worunter viele leiden. Schön ist, dass manche, die aus Moskau weggezogen sind, sich nun in unseren Gottesdienst einklinken und auf diese Weise Kontakt zu ihrer alten Gemeinde halten. Es schalten sich auch alte Menschen zu, die schon seit längerer Zeit nicht mehr am Gottesdienst teilnehmen konnten, weil sie gesundheitlich dazu nicht in der Lage sind. Die sind nun beteiligt und sehen Gemeindemitglieder wieder, die sie lange nicht gesehen haben. Wenn man in ihre Gesichter schaut, die glühen richtig vor Freude und Dankbarkeit. Das ist auch für mich ein Geschenk. In das Fürbittgebet schließen wir diejenigen ein, die infiziert sind, das Personal, das sich um sie kümmert, die Angehörigen und die Verstorbenen. Außerdem beten wir täglich um 19 Uhr das Vaterunser für die Betroffenen und erbitten Hilfe, dass die Pandemie schnell zu einem Ende kommt. Auch für den guten Brauch, nach dem Gottesdienst noch beieinander zu bleiben, haben wir eine Lösung gefunden: Dieser Gemeindeplausch geht jetzt auch online nach dem Gottesdienst in die Vollen. Und am Mittwochabend haben wir einen zweiten Termin dafür eingeführt, um uns auszutauschen.
Jugend mit Megaphon zog von Haus zu Haus
Ronald Kudla ist Pfarrer in Solla im afrikanischen Togo: Es war an dem Tag als alle Deutschen Togo verlassen sollten, als ich trotz einem einzigen Corona-Fall in Togo das erste Mal ein mulmiges Gefühl im Bauch bekam. Das mit der Pandemie kann auch bei uns hier eintreffen. Trotzdem, ich bleibe hier! Dann als am 20. März die Kirchen und Schulen geschlossen wurden, bekam ich sowas wie panische Angst. Einige Tage vorher war von einer Afrika-Abteilung der UNO und der WHO verkündet worden, dass es bis zu 2 Mio Tote in Afrika geben wird. Das läge an den schlechten hygienischen Bedingungen und dem morbiden Gesundheitssystem auf dem Kontinent. Ich dachte mir, die müssen Recht haben, das sind Experten und in Europa hat es ja auch mit 2 oder 3 Kranken angefangen und dann waren es plötzlich Zehntausende. Ich in meinem Kopf drehte sich alles im Kreise: überall Kranke, mangelnde medizinische Versorgung, Nahrungsmittel-Knappheit, fehlende Bewegungsfreiheit. Ich kaufte auf Vorrat alles ein, was irgendwie nützlich sein und uns helfen könnte selbst gegen die Krankheit anzukämpfen . Denn dass war mir klar, auf das Gesundheitssyztem können wir hier nicht hoffen. Beim letzten Einkauf in der Stadt füllte sich mein Auto mit Alkohol und Flussigseife zum Mischen von Desinfektionsmittel, Stoff und Gummibänder zum Schneidern von Mundschutz, massenweise Vitamintabletten und Pfefferminzöl mit dem ich hoffte Halskrankheiten im Ansatz zu bekämpfen , wenn kein anderes Mittel da war. Mittlerweile kursierten ja auch im WhatsApp schon massenweise Selfmade-Rezepte, um sich den Virus fern zu halten. Afrika rüstete sich zum Kampf und ich hatte als "Neuafrikaner" auch ein wenig diese Idee. Am Ende lud ich noch einen ganzen Karton Haferflocken und Trockenmilch in mein Auto, man weiß ja nicht, was wir in einem Monat zu essen bekommen.
Unsere Pfarrei Solla, das ist eine dörfliche Gegen, die eigentlich von Epidemien nicht so gefährdet ist. Aber was uns Angst machte war das anstehende große Beschneidungsfest Itchombi, dass alle 2 Jahre Tausende Leute des Solla-Volkes versammelt, die aus allen Ländern kommen wohin die Arbeitssuche oder die Berufswahl sie verstreut hat. Die meisten sind Analphabeten, hatten noch nicht viel von Corona-Virus gehört und freuen sich auf das große Familientreffen und 2 Wochen Hollyday auf engsten Raum und mit großem Wassermangel. Ich rechnete damit, dass die Gendarmerie einschreiten würde, was bei dem Informationsstand der Leute zum Debakel führen könnte. So schickte ich schnell Jugendlichen der Pfarrei mit zwei Megaphonen los, um in den Häusern und Märkten COVID19 und alles, was man dagegen tun kann zu erklären. Unsere Masken waren in einem Tag genäht und konnten für geringes Entgeld verkauft werden. Zum Polizeieinsatz kam es dann doch nicht. In einer Zeit, wo alle Versammlungen von 15 Leuten unterbunden waren, wurde in Solla fröhlich gefeiert.
Ich befürchteten jetzt das Schlimmste. Nur Gott konnte uns noch helfen. Mir kam die Idee, ein großes Corona-Kreuz auf dem Platz vor der der Kirche zu errichten mit der Aufschrift: Herr, erbarme dich. Die Kirche war ja geschlossen, so könnte man vor dem Kreuz beten.
Zwei Wochen vergangen, und nichts passierte. Das Leben ging weiter. Viele der Zugereisten verließen die Stadt und von Coronavirus hörte man nur aus dem Radio. Die Zahlen stiegen im April etwas an bis. 120 Infizierte, 9 Todesfälle nach 8 Wochen COVID19 in Togo - eigentlich nichts im Vergleich zu dem, was sich in der gleichen Zeit in Europa abspielte. Dennoch werden die gleichen Maßnahmen ergriffen. Was die Schulen und Kirchen betrifft, geht Togo sogar noch darüber hinaus. Während in vielen Ländern abwiegen und Schulden geöffnet werden, gibt es in Togo noch nicht einmal ein Datum für den die Rückkehr der Jugend auf die Schulbänke . Mittlerweile verzeichnen wir in ganz Afrika 3100 Tote durch COVID19. Das ist viel, aber die Pandemie lässt eigentlich auf sich warten.
Es scheint auch noch andere Faktoren zu geben als hygienische und technische, die den Virus erheblich bremsen. Andererseits bleibt die Unsicherheit.
In vielen Ländern Afrikas, wo die Mensche von der Hand in den Mund leben, ein Sozialsystem nicht existiert und eine Art Manchester-Kapitalismus herrscht, bringen die Maßnahmen gegen die Ausbreitung des Virus echte Not. Im Bildungssystem, dem größten Arbeitgeber arbeitet fast ein Drittel der Lehrer ohne Vertrag und bekommen nur Geld, wenn sie unterrichten. "Zuerst sterben wir an der Angst, dann am Hunger und zuletzt erst an Corona", hörte ich einen Mann Laute spaßen, als ich einmal an der Bank mit Mundschutz und Mindestabstand vor einer Bank Schlange stehen musste.
Vor allem die Schüler machten uns Sorgen. Werden sie nach 9 Wochen Ferien noch etwas wissen für die Prüfungen oder Viertel-Jahres-Klausuren? Viele haben sowieso im Kopf, dass Schule nichts bringt und und wandern aus.
Seit drei Wochen geben ins Dorf zurückgekehrte Studenten auf dem Pfarrgelände Nachhilfestunden. Zunächst wird noch einmal erklärt , wie man den Coronavirus verhindert und dann wird in Gruppen von 4 bis 12 Leuten Englisch, Mathe, Bio oder Französisch gemacht. Den mittellosen Akademikern gebe ich aus Spendengeldern eine kleine Aufwandsentschädigung. Was wir tun können, ist ein wenig Mut machen und Zeichen gegen die Leere setzen, die COVID19 in Togo schafft.
Natürlich sind wir da als Kirche gefragt. Livestream oder auch PDF-Predigten verschicken, das geht hier, wo manche nicht einmal ein Radio haben, nicht. Ich muss viel Besuche machen. Der Sonntagsgottesdienst mit etwa 200 bis 300 Personen war in Solla ein auch ein Ort, um wichtige Informationen und Bildung weiterzugeben. Das alles muss jetzt mühsam in kleinen Gruppen und von Mund zu Mund gemacht werden. Neben all meinen Belehrungskampagnen und Verteilung von Desinfektionsmittel und Mundschutz finde ich wichtig, Glauben zu stärken. Ich bin sicher, dass er auch ein Faktor ist, im Kampf gegen die Epidemie. Die afrikanische Religion und die traditionellen Magier haben mit COVID19 übrigens weniger Probleme. "Wir verjagen die Krankheit, warum habt ihr uns nicht früher davon erzählt?" sagte, der Usina, der oberste Kultwächter Sollas.
370 Infizierte nach fast 3 Monaten in Togo. Sollten wir dafür Gott nicht auch einmal danken? Ich weiß, wir sind nicht besser als all die anderen in der Welt, über die durch den Virus großes Leid gekommen ist. Wenn man unser sorgloses Leben hier sieht, müssten wir noch mehr leiden. Wir wissen nicht, womit wir es verdient haben, ein wenig verschont zu werden. Wir sagen einfach Dank. Vielleicht wollte uns der Herr doch einmal ein Geschenk machen. "Wir haben keine Angst vor dem Tod", sagte einer meiner Katechisten. Ich glaube er meinte: Wir sterben hier ja alle Tage, an Malaria (400 000 Tote pro Jahr in Afrika), Thyphus, AIDS und die vielen Krankheiten, die in Europa mit teurem Geld operiert werden. Da kann der COVID19 ruhig mal einen Bogen um uns machen. Und wie es scheint tut er es.
(tdh)