30 Jahre verbindet das Bistum Hildesheim und die Kirche Bolivien
Wie partnerschaftlich ist die Partnerschaft?
Seit 30 Jahren verbindet das Bistum Hildesheim und die Kirche Boliviens eine Partnerschaft. Wird die eigentlich auf Augenhöhe gelebt? Beim Bolivienpartnerschaftstag in Helmstedt wird intensiv über diese Frage beraten. Zu Gast ist auch eine Delegation aus Bolivien.
Wie partnerschaftlich ist die Partnerschaft? Es ist keine einfache Frage, die im Mittelpunkt des Bolivien-Partnerschaftstages in der Begegnungsstätte Kloster St. Ludgerus in Helmstedt steht. Zielt sie doch auf die Motive des Helfens ab, darauf, ob die Kirche von Bolivien und das Bistum Hildesheim tatsächlich „gemeinsam wie Geschwister zur Begegnung mit dem Herrn“ gehen, wie es im Lied der Partnerschaft heißt. Wie steht es um die vielbeschworene Augenhöhe in einer Beziehung zwischen zwei Kirchen, die über 30 Jahre währt?
Ebenfalls ein Anlass für die Diskussion: der Besuch einer 25-köpfigen Delegation aus den 17 Diözesen des Partnerlandes. „Alle zwei Jahre besuchen wir uns gegenseitig, informieren über die Lebensverhältnisse, versuchen neue Direktkontakte auszubauen oder vertiefen bestehende“, erläutert Bettina Stümpel, die Vorsitzende der Bolivienkommission im Bistum Hildesheim.
Wo gibt es Schieflagen zwischen den Partnern?
Auch wenn man eigentlich im Dialog über Partnerschaftlichkeit reden will – für die Bestandsaufnahme werden die Partner getrennt. Welche Vision wird mit der Partnerschaft verbunden, der „Hermandad“ (der „Geschwisterlichkeit“), wie sie in Bolivien genannt wird? Wo gibt es Schieflagen, wenn ein Partner der deutlich finanziell stärkere ist? Spielen kulturelle Vorurteile eine Rolle? Werden bestimmte Aspekte nicht angesprochen – sei es aus vermeintlicher Rücksichtnahme oder um die andere Seite nicht zu verärgern?
„Wir meinen, es oftmals besser zu wissen“
Ob nun von Bolivianischer oder Hildesheimer Seite benannt – das Geld bringt natürlich eine Schieflage in die Augenhöhe. „Wir meinen, es oftmals besser zu wissen“, heißt es da aus Kreisen der Hildesheimer Engagierten. Der Wunsch zu helfen kann durchaus in die Tendenz abdriften, eigene Wertvorstellungen mit durchzusetzen – und ungewollte Abhängigkeiten zu schaffen. Die Falle, in der sich Entwicklungspolitik generell befindet, macht auch vor der Partnerschaft nicht Halt. Bei allem guten Willen.
„Wir müssen ehrlicher sagen, was wir für gut halten“, entgegnen bolivianische Teilnehmer. Augenhöhe stellt sich nicht einfach ein, sie muss Schritt für Schritt entstehen. Eine weitere Schieflage: An Hilfe kann man sich gewöhnen. Doch wollen die Engagierten aus Bolivien nicht dauerhaft aus Hildesheim alimentiert werden.
Was tun? Die Liste mit Ideen füllt sich. „Mehr auf die Stimme des anderen hören“; „Offenen Dialog fördern“ oder „Selbstreflexion betreiben“ werden aufgeschrieben. Das klingt nach Selbstverständlichkeiten nach 30 Jahren Partnerschaft. Doch wieder eine Gemeinsamkeit in der Wahrnehmung: Sie sind es nicht. Vieles in der Partnerschaft hängt an persönlichen Beziehungen.
Das ist Stärke und Problem zugleich. Stärke, weil persönliche Freundschaften der Partnerschaft eine besondere Bedeutung geben. Problem, weil Kontakte schnell abbrechen können, wenn diese Freundschaften verloren gehen.
Möglicherweise helfen gemeinsame Gremien, ein Ausbau des Freiwilligendienstes, der junge Menschen für ein Jahr nach Bolivien oder ins Bistum Hildesheim führt, und dessen bessere Verzahnung mit der Partnerschaft dabei, ein Mehr an Augenhöhe zu gewinnen. Das wären weitere Schritte auf dem Weg zur „Hermandad“, zur Geschwisterlichkeit.
Zurück zur Aktualität: Drei Wochen hat die bolivianische Delegation in den Bistümern Hildesheim und Trier (dem dritten Beteiligten in der Partnerschaft) verbracht. Während einer Seminarwoche in Helmstedt haben sich die Teilnehmer vor allem mit ökologischen Themen befasst: unter anderem besuchten sie die zurzeit in Wolfsburg-Vorsfelde ausgestellte Glasarche – ein gläsernes Boot, das in einer fünf Meter großen Holzhand liegt und so zu einem sorgsamen Umgang mit Gottes Schöpfung mahnt.
Bolivien plant ein Nuklearzentrum
Zudem besuchten die Teilnehmer das Asse-Informationszentrum in Remlingen. Im ehemaligen Salzbergwerk Asse lagern 125 787 Fässer und Gebinde mit schwach- und mittelradioaktiven Abfällen sowie Chemiemüll – in den einsturzgefährdeten Kammern. Bisher ist Bolivien atomfrei, nur Argentinien und Brasilien betreiben in Südamerika Kernkraftwerke.
Die Regierung unter Präsident Evo Morales plant jedoch den Bau eines Nuklearzentrums, Verträge mit Russland zum Aufbau eines Kernenergieprojektes sind unterzeichnet. Auch ein Ausflug nach Berlin mit Besichtigung des Bundestages war Bestandteil der Einführungswoche.
Weitere Programmpunkte der Reise: Besuche in Gemeinden und Projekten, Informationsveranstaltungen unter anderem über den fairen Handel – und dann vor dem Abschlussseminar doch noch ein paar Tage touristisches Programm. Auch das gehört zur Lebenswirklichkeit.
Rüdiger Wala