Trappistenkloster Engelszell
Wo die laute Welt zur Stille findet
Der erste Schnee verstärkt die Stille rund um die Stiftskirche Engelszell. | Fotos: Martina Raab |
Engelszell am frühen Vormittag – der erste Schnee stimmt auf den Advent ein. Die Allee führt direkt zur Stiftskirche. Ein Bild, das beruhigend und meditativ wirkt. Das Stift ist das einzige Trappistenkloster im deutschsprachigen Raum, es liegt im Donautal zwischen Passau und der oberösterreichischen Hauptstadt Linz. Vor zwei Monaten erst feierte die Bevölkerung „725 Jahre Stift Engelszell und Markt Engelhartszell“, der in der Stiftungsurkunde des Klosters erstmals erwähnt wird. Bürgermeister Roland Pichler sieht das Kloster als „Kulturgut und touristischen Magneten“ der Region.
Die unmittelbare Nähe zum Kloster wird von vielen Menschen als identitätsstiftend erlebt: „Ich komme aus Engelhartszell, das ist der Ort an der Donau mit dem einzigen Trappistenkloster Österreichs“, das antwortet Johanna Zauner stets auf die Frage, woher sie kommt.
Postulant Christian Bock mit seinem Hund Dante, den er ins Kloster mitnehmen durfte. |
Sie ist Jugendreferentin des Musikvereins Engelhartszell und hat schon als Kind bei der Eröffnung des Adventmarktes durch die Musikschule im Innenhof des Stiftes musiziert: „Auch meine eigene Firmung habe ich im wunderschönen Rahmen der Stiftskirche gefeiert“, erzählt Johanna. Sie hat den Eindruck, dass jene, die dort leben, „ihre Heimat gefunden haben“. Die Tourismusmanagementstudentin beobachtet, dass sich das Kloster mittlerweile vor allem durch den Schifffahrtstourismus zu einem beliebten Ausflugsziel entwickelt habe.
„Als Engelhartszellerin bin ich stolz auf das Kloster“, bekennt Johanna: „Es ist das Wahrzeichen der Gemeinde, mit dem man sich auch Fremden gegenüber identifiziert.“
Der 25-jährige Jonas Grünberger erinnert sich im Gespräch mit dem Tag des Herrn gern an die Zeit, als sein Großvater Klosterpförtner war, Liköre verkauft hat und er ihm beim Flaschenschichten half. Jonas, damals schon Elektriker, stieß einmal bei Arbeiten am Dach des Klosters mit dem Kopf an einen Balken. Als er sich wieder aufrichtete, fiel sein Blick auf eine Inschrift, die den Namen seines Großvaters als Spengler trug. „Mein Opa ist dort allgegenwärtig! Da fühl ich mich natürlich dem Kloster verbunden.“ So sehr, dass er, der jetzt Technik studiert, eine Spezialführung für seinen gesamten Studiengang organisiert hat.
Pfarrer Christian Bock aus dem Bistum Dresden-Meißen lebt nun als Postulant in Engelszell. Bereits in einem Interview mit dem TAG DES HERRN im Oktober bezeichnete er das Schweigen als „einen Schlüssel zum Hören“. Im neuerlichen Gespräch betont er nochmals:
„Das Schweigen ist ein Werkzeug, um sich zur Ruhe zu bringen. Dann erst beginnt das Hören auf das Wort Gottes. Ich wünsche mir von Herzen, dass die Menschen wieder lernen, die Zwischentöne des Lebens aufmerksamer zu hören.“ Die Gemeinschaft der Mönche erfährt er als „sehr harmonisch und einladend“: Auch sein Hund Dante ist willkommen.
„Die Welt da draußen“ und das Leben im Kloster stellen für Gästepater Christian Bock keine Diskrepanz dar. Durch die täglichen Gottesdienste und die Stiftsführungen erleben viele Menschen den Geist des Klosters. Die Stille und das Gebet sind identitätsstiftender Bestandteil des kontemplativen Ordens der Trappisten. Stille rund um die Uhr existiert selbst hier nicht. Die Geräusche der Donauschifffahrt und der Lärm der viel befahrenen klosternahen Straße sind ihm bewusst. „Wir leben zwar als Trappisten abgewandt von der Welt, sind deshalb aber nicht weltfremd“, betont Christian Bock.
Zur Sache: Die Trappisten und Engelszell |
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Seligsprechung als Plädoyer für Toleranz
Über jene sieben Trappisten, die am Fest Maria Empfängnis an diesem Samstag, dem 8. Dezember seliggesprochen werden, gestaltete Christian Bock eine Ausstellung. Persönlich gekannt habe er keinen der 1996 ermordeten algerischen Märtyrer von Tibhirine. Die Seligsprechung setze für Bock schon allein deshalb ein herausragendes Zeichen, weil der Prior Christian de Chergé ein „Testament“ hinterlassen hat. Verfasst in der Hoffnung auf ein ökumenisches Miteinander derer, die Gott suchen.
Christian de Chergé habe für seinen „Freund der letzten Stunde“, wie er seinen Mörder nannte, gebetet. Diese Schrift, die Bock als „einzigartiges Plädoyer für Toleranz und Akzeptanz andersdenkender Menschen“ bezeichnet, gehört für Bock zu seinen „ganz persönlichen Top Ten der christlichen Texte des 20. Jahrhunderts“.
Nicht nur zur Adventszeit eine Oase der Besinnung: Die Klosterkapelle. |
In der Wochentagskapelle steht ein zweistöckiger Adventkranz mit roten Kerzen. „Der Advent ist in der lauten Welt oft die einzige Zeit, in der den Menschen die Qualität der Stille bewusst wird“, sagt Pater Hubert Bony. Der aus dem Burgund stammende Franzose ist Superior des Klosters, das derzeit keinen Abt hat. „Unser großes Schweigen ist eine Stille, um Gott zu finden“, erklärt Bony. Besonders geprägt habe ihn die heilige Thérèse von Lisieux, die ihn noch immer fasziniert. Gefragt, ob es denn manchmal für ihn schwierig sei, die Stille auszuhalten, meint er: „Man gewöhnt sich.“
Ob er einen Lieblingssatz habe? Er überlegt länger. Lässt zunächst Stille sprechen. Dann, als ob er in der Stille gerade eben die Antwort gefunden hätte, meint er lächelnd: „Ich liebe meine Wahl.“