Anglikanische Gemeinschaft diskutierte in Canterbury

Zufriedene Gesichter nach dem Treffen

Image

Zwölf Tage diskutierten die anglikanischen Bischöfinnen und Bischöfe über die Zukunft ihrer Kirche. Ein Streitpunkt: der Umgang mit Homosexualität.

Foto: kna/Sabine Kleyboldt
Austausch und Diskussion: Bei der Lambeth-Konferenz kamen 650 Delegierte aus 165 Ländern zusammen. Foto: kna/Sabine Kleyboldt


Die 15. Lambeth-Konferenz der anglikanischen Weltgemeinschaft ist seit Sonntag Geschichte - und auch wieder nicht. Denn, so versprach Gastgeber Erzbischof Justin Welby zum Abschluss: In einer nächsten Phase sollen die Ergebnisse der zwölftägigen Diskussionen der Bischöfe und Bischöfinnen von einer Arbeitsgruppe mit Blick auf weitere Aktionen geprüft werden. Was sich die 650 Delegierten aus 165 Ländern teils mühevoll in den Debatten über die zehn "Lambeth-Aufrufe" ("Calls") abgerungen haben, soll zu handfesten Konsequenzen führen.

Zu gravierend sind die Probleme der Menschheit, zu ernsthaft ist die Bedrohung der Umwelt, die Zeit zum Handeln verrinnt, war immer wieder zu hören bei der Versammlung, die normalerweise alle zehn Jahre stattfindet. Nach der vorigen Konferenz 2008 entschied man jedoch, sich für die Vorbereitung des nächsten Treffens mehr Zeit zu lassen; durch Covid wurden es sogar 14 Jahre. Der Grund der Verwerfungen damals drohte auch die 15. Lambeth-Konferenz zu torpedieren: die Frage, wie die Anglikanische Weltgemeinschaft mit dem Thema Homosexualität umgehen soll. Will man Schwule und Lesben im Priester- und Bischofsamt? Sollen gleichgeschlechtliche Ehen gesegnet werden?

Für viele der insgesamt 42 Provinzen scheint dies undenkbar, vor allem in den Ländern des Südens, während es zum Beispiel bei der US-Episkopalkirche bereits gang und gäbe ist. So schlossen sich einige der gut 100 US-Bischöfe einem von der Universität von Kent organisierten Solidaritätsmarsch für LGBTQ an. Teile der Anglikaner im globalen Süden starteten hingegen Initiativen, um bei der Konferenz erneut bekräftigen zu lassen, dass nur die Ehe zwischen Mann und Frau biblisch sei. Der große Knall Richtung Spaltung schien also in der Luft zu liegen.

"Die Lambeth-Konferenz hat keinerlei rechtlich bindenden Charakter; höchstens moralischen", bekräftigte Welby ein ums andere Mal. Die Provinzen seien zwar untereinander abhängig, aber für sich autonom. Zugleich warb der Ehrenprimas immer wieder darum, dass sich das Treffen doch nicht auf das Thema Sexualität fokussieren möge. Ebenso trat Welby wiederholt gegen jedwede Diskriminierung ein, namentlich auch aufgrund der sexuellen Orientierung.


Welby konnte Positionen vereinen

Dass Welby der Richtige im Amt des "Erzbischofs von Canterbury" ist, laut anglikanischer Kirchenlehre eines der "Instrumente der Einheit", bewies er bei der Plenardebatte zum bewussten Reizthema. In eindringlichen Worten legte er offen, dass die Anglikanische Gemeinschaft in diesem Punkt tief gespalten ist. Er würdigte ausdrücklich, dass die widerstreitenden Positionen jeweils ihre Berechtigung hätten; nicht zuletzt durch den soziokulturellen Kontext. Damit vermied Welby eine Konfrontation und ließ jeder Partei ihre Würde. Dafür erhielt der 66-Jährige, der gemeinsam mit seiner Frau Caroline Welby der Konferenz seinen Stempel aufdrückte, stehende Ovationen.

Der befürchtete Knall war verpufft, wenngleich es nicht zuletzt in Sozialen Medien anhaltende Nebengeräusche zum Thema gab und sicher geben wird. Dennoch gelang es der Konferenz, sich auf die anderen Themen der "Aufrufe" zu konzentrieren, darunter Missbrauchsprävention, Mission, anglikanische Identität, Ökumene und interreligiöser Dialog, Klimawandel sowie Umgang mit wissenschaftlichem Fortschritt, Kriegen und Konflikten.

Bei einem Aktionstag zum Umweltschutz begab sich der Kongress zum Lambeth Palace, Welbys Londoner Dienst- und Wohnsitz. Die junge Klimaaktivistin Elizabeth Wathuti aus Kenia sowie Bischöfe aus dem globalen Süden berichteten plastisch, wie ihnen der Klimawandel täglich ein Stückchen ihrer Lebensgrundlagen nimmt. Eine symbolische Baumpflanzaktion markierte den Auftakt des "Anglican Communion Forest": Jeder soll in seiner Provinz lokale Umweltinitiativen anstoßen oder unterstützen. Auch appellierte die Konferenz lautstark an die Regierungen der Welt, endlich wirksam für das 1,5-Grad-Ziel einzutreten.

Die Christen müssen handeln, und zwar gemeinsam, forderte Erzbischof Welby. Immer wieder zitierte er Papst Franziskus, dem er "großartige Arbeit" bescheinigte. Den für Juli geplanten gemeinsamen Besuch im krisengeschüttelten Südsudan will Welby unbedingt nachholen, sobald es die päpstliche Gesundheit zulasse. Wenn die Kirchen Seite an Seite gehen, können sie viel in der Welt erreichen, so seine offensiv vertretene Überzeugung.


Rolle der Ökumene beim Treffen

Rund 45 ökumenische Gästen wohnten der Konferenz bei, darunter Katholiken, Orthodoxe, Lutheraner, Alt-Katholiken und Pfingstler. Aus dem Vatikan waren gleich zwei Kurienkardinäle zu vernehmen: der päpstliche "Ökumeneminister" Kurt Koch, dessen Rede wegen einer kurzfristigen Erkrankung verlesen wurde, und der Leiter der Missionskongregation, Kardinal Luis Tagle. Der frühere Erzbischof von Manila hinterließ mit seiner humorvollen Wärme und ebenso persönlich wie visionär geprägten Rede den tiefsten Eindruck. Welby sprach anschließend davon, dass die Ökumene durch die Lambeth-Konferenz einen neuen Schub erhalten habe.

Das sei "ohne jeden Zweifel der Fall", bestätigte auch der katholische Erzbischof Bernard Longley von Birmingham, der gemeinsam mit dem anglikanischen Erzbischof David Moxon die Internationale Anglikanisch-Katholische Kommission (ARCIC) leitet. Er habe in persönlichen Gesprächen wie auch auf den Podien sehr viel Zuspruch für die Fortsetzung des ARCIC-Dialogs erfahren, der in den vergangenen Jahren etwas an Schwung verloren zu haben schien. Das nächste Gespräch werde 2023 stattfinden, sagte Longley auf Anfrage.

Durchaus als Erfolg der Konferenz betrachten die Organisatoren, dass es die vergleichsweise glimpfliche Zahl von 40 Covid-Fällen gab - bei etwa 1.200 Teilnehmenden. Mit 97 Bischöfinnen nahmen zehnmal so viele weibliche Ordinierte wie 2008 teil. Und auch die 50 Ehemänner von Bischöfinnen, die zusammen mit 430 Bischofs-Gattinnen am Ehepartner-Programm teilnahmen, stellten einen Rekord dar. Die Anglikanische Gemeinschaft sei "streitlustig, vielfältig und Gottes heiliges Volk", sagte Welby am Ende. "Lasst uns im Gehorsam gemeinsam hinausgehen - ausgesandt als Gottes Kirche für Gottes Welt."

kna