Ein Gespräch mit Bischof Feige

Zukunftsfähige Kirche im Blick

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Mit dem verstärkten Einsatz des Personals in einer Region, statt nur in einer Pfarrei, will das Bistum die Gemeinden für anstehende Herausforderungen wappnen. Basis sind die Zukunftsbilder 2019. Ein Gespräch mit Bischof Feige.

2017 setzte Bischof Gerhard Feige nach der Pfarrei in Bad Liebenwerda 2015 auch für die Pfarrei Hettstedt ein Pfarreileitungsteam ein. Der Gottesdienst fand in Klostermansfeld statt.    Foto: Eckhard Pohl

 

Derzeit sind zahlreiche Möbelwagen im Bistum Magdeburg unterwegs. Priester und Gemeindereferentinnen und -referenten etlicher Pfarreien wechseln zum Beginn des neuen Schuljahres ihre seelsorglichen Einsatzorte.

Herr Bischof, dem Vernehmen nach und dem Amtsblatt zufolge stehen im Bistum umfassende Versetzungen Hauptamtlicher in der Seelsorge an. In welchem Umfang passiert dies, warum und warum gerade jetzt?

Tatsächlich sind nach langer Zeit wieder einmal umfangreiche Versetzungen im Gange. Das betrifft etwa 15 Priester, ähnlich viele Gemeindereferentinnen und -referenten und einen Diakon. Wir haben uns lange Gedanken gemacht, Vorstellungen entwickelt und eine Menge Gespräche geführt – und das nicht aus Jux und Tollerei. Entscheidende Auslöser für unsere Überlegungen und Planungen waren der unerwartete Tod eines Pfarrers sowie der krankheits- oder ruhestandsbedingte Rückzug einiger anderer Seelsorger und Seelsorgerinnen. Das ist bei unseren knappen personellen Ressourcen mit zirka 50 Welt- und zehn Ordenspriestern, 12 Diakonen und 50 Gemeindereferenten im aktiven Dienst schon erheblich. Hinzu kommen Wünsche von Hauptamtlichen, ihre Stellen auch wieder einmal zu wechseln. Und das tut ihnen selbst wie auch den Gemeinden von Zeit zu Zeit gut. Außerdem haben wir zwei „Neuzugänge“, eine erst kürzlich beauftragte Gemeindereferentin und ab 11. Juli einen Neupriester. Schließlich kommt auch noch eine Gemeindereferentin aus ihrem Auslandseinsatz zurück.

Basis für die Entscheidungen, wer welche Aufgaben übernimmt, sind sicher nicht zuletzt auch die „Zukunftsbilder Bistum Magdeburg 2019“?

Zweifellos! Darüber hinaus hat unsere siebenköpfige Personalkommission aber auch noch andere Aspekte zu berücksichtigen. Es fehlt uns ja nicht nur an Priestern, sondern auch an Gemeinde-
referentinnen und -referenten. In etlichen Gemeinden ist inzwischen das Bewusstsein dafür gewachsen, dass nicht mehr alle einen eigenen Pfarrer haben können und sich Gemeindemitglieder zusammen mit einem Priester als geistlichem Moderator in die Pfarreileitung einbringen müssen. Hinzu kommt: Nicht jeder Priester kann eine große Pfarrei oder als Administrator zusätzlich eine weitere Pfarrei leiten. Außerdem: Wir hatten mal das Ziel, pro 1000 Katholiken mindestens einen Hauptamtlichen einzusetzen. Inzwischen mussten wir uns von dieser Vorstellung verabschieden, weil gar nicht mehr so viele zur Verfügung stehen.

Ist auch die weitere Zusammenlegung von Pfarreien anvisiert?

Wir haben uns 2010 für 44 Pfarreien im Bistum entschieden. Das soll erst einmal so bestehen bleiben, auch wenn wir heutigen Einschätzungen zufolge 2030 nur noch etwa 20 Priester im aktiven Dienst haben werden. Beabsichtigt ist aber, zunehmend jeweils mehrere Pfarreien als Seelsorge-Regionen zu verstehen. Die Hauptamtlichen sollen dann nicht mehr nur in einer Pfarrei, sondern regional zum Einsatz kommen. Eine solche Region werden zum Beispiel die Pfarreien Eisleben, Hettstedt, Querfurt und Sangerhausen bilden. Was das für die Dekanate bedeutet, wird derzeit beraten.

Nach den „Zukunftsbildern Bistum Magdeburg 2019“ soll die kollegiale Verantwortung in der Pfarreileitung an Bedeutung gewinnen. Hauptamtliche sollen vor allem Seelsorger sein. Wo entstehen neben den Pfarreien Bad Liebenwerda und Hettstedt weitere Pfarreileitungsteams?

Weitere Leitungsteams mit einem Priester als Moderator sind in den Pfarreien Huysburg, Halle-Süd, Sangerhausen und Burg im Aufbau. Ziel ist, die Teams noch in diesem Jahr einzusetzen. Der Termin ist allerdings von den wegen der Corona -Krise auf den 7./8. November verschobenen Pfarrgemeinderats- und Kirchenvorstandswahlen abhängig.
Bei der Orientierung auf Pfarreileitungsteams steht für uns die Frage nach einer zukunftsfähigen Gestalt von Kirche im Mittelpunkt, die aufgrund der Taufwürde jedes Christen von vielen mitgetragen wird und sich weg von einer versorgten hin zu einer mitsorgenden Gemeinde entwickelt. Wir haben uns dabei stark an den Erfahrungen der Ortskirche des französischen Bistums Châlons orientiert und diese auf unsere vergleichsweise ähnlich stark von der Entchristlichung betroffene Region adaptiert. Dort werden schon viele Jahre Pfarreien gemäß Canon 517 Paragraph 2 des Kirchenrechts von sogenannten Ėquipes pastorales geleitet.

Werden die Pfarreien mittelfristig genügend Mitglieder haben, um die notwendigen Ehrenamtlichen zu finden, die sich in den Gremien und Pfarreileitungsteams engagieren?

In der Tat ist dies eine wichtige Frage und wir müssen sehr sorgsam darauf achten, dass Ehrenamtliche in einer solchen Verantwortung nicht überfordert werden. Darum gilt es sehr genau hinzuschauen und gemeinsam zu beraten, was unter den gegebenen Bedingungen möglich ist und auch Freude macht.

In etlichen anderen deutschen Bistümern leiten ausländische Priester Pfarreien, warum nicht im Bistum Magdeburg?

Abgesehen von Ausnahmen tun sich viele Priester aus dem Ausland mit den komplexen kirchlichen und gesellschaftlichen Verhältnissen in Deutschland sehr schwer, da sie von anderen Mentalitäten und Erfahrungen geprägt sind. Zudem ist nicht selten auch die Sprache ein bleibendes Problem. Unsere ostdeutsche Situation wäre dabei noch einmal eine ganz besondere Herausforderung, wie sie selbst manche Einheimische nicht verstehen.

Bischof Gerhard Feige    Foto: pbm

Derzeit werden einige Pfarreien im Bistum von einem Nachbarpfarrer mitverwaltet? Wird das einstweilen so bleiben?

Beispiele dafür sind zurzeit Salzwedel und Gardelegen, Weißenfels und Naumburg, Quedlinburg und Wernigerode oder die Kathedralpfarrei St. Sebastian und St. Maria in Magdeburg. Jeder Fall ist da einzeln zu betrachten. Mancherorts wird oder soll es nur eine Übergangslösung sein.

Welche Bedeutung kommt dem ökumenischen Miteinander von Gemeinden zu?

Viel ist da schon gewachsen. Meistens hängt das von konkreten Personen und Umständen ab. Wo man etwa in der Kirchenmusik, im sozialen Engagement, bei Festen im öffentlichen Raum oder ähnlichem zusammenarbeitet, sollte dies unbedingt weiter gepflegt werden. Ebenso gilt das für gemeinsame Gottesdienste zu bestimmten Anlässen oder andere Formen der geistlichen Ökumene. Gerade in unserer Region wird das immer wichtiger.

In den Pfarreien der Stadt Halle und in Dessau wird derzeit der Einsatz von Verwaltungskoordinatoren erprobt. Sollen künftig entsprechende Mitarbeiter in vielen Pfarreien zur Entlastung der Seelsorger zum Einsatz kommen?

Beim Einsatz der Verwaltungskoordinatoren handelt es sich um Pilotprojekte. Die Region im Mansfelder Land kommt da noch hinzu. Damit wollen wir in einer Großstadt,  einer Stadt mittlerer Größe und in einem eher ländlichen Raum den Einsatz von Verwaltungsmitarbeitern in den Pfarreien erproben. Sollte dies erfolgreich verlaufen, ist an den Einsatz solcher Mitarbeiter auch in den künftigen Regionen gedacht.

Eine letzte Frage: Was lässt sich vielleicht bereits jetzt aus den pastoralen Erfahrungen mit der Corona-Pandemie lernen?

Mich hat in der schwierigen Situation ohne Gemeindegottesdienste und andere Zusammenkünfte beeindruckt, dass Christen auf einmal auch anderweitig recht lebendig werden können: kreative Formen des miteinander Betens über die sozialen Kommunikationsmittel zu entwickeln, Hilfsbedürftigen trotz Abstands beizustehen oder Kirchen zur Besinnung offenzuhalten. Sicher müssten wir – so eine Erkenntnis – mit dem Evangelium noch mehr digital unterwegs sein. Zudem gilt es, die „Hauskirche“ zu entwickeln und die Gläubigen dabei zu unterstützen, in zunehmender Selbstverantwortung ihr Christsein zu leben. Kirche ist jedenfalls nicht nur die Eucharistiefeier und ein vertrautes Vereinsleben.

Interview: Eckhard Pohl