Stadionkapelle in der Red-Bull-Arena Leipzig

Zum Feiern oder zum Trösten

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Die Red-Bull-Arena Leipzig hat jetzt eine Stadionkapelle. Die Idee hatte der christliche Fanclub „Holy Bulls“, dessen 240 Mitglieder zwar nicht alle getauft sind, die aber den christlichen Gedanken in die Fußballwelt tragen wollen.

Mitglieder des Fanclubs „Holy Bulls“ in ihrer Kapelle in der Red-Bull-Arena Leipzig. | Fotos: epd

Eine Stadionkapelle in einem Fußball-Stadion ist zwar nichts Ungewöhnliches mehr, bleibt aber eine Rarität. Die Bundesliga-Stadien von Hertha BSC Berlin, Eintracht Frankfurt und die Arena von Schalke 04 in Gelsenkirchen haben schon länger sakrale Räume, die Jüngste im Bunde ist die Stadionkapelle „Gloria“ in der Red-Bull-Arena von RB Leipzig.
In Leipzig ist kein Stadionpfarrer verantwortlich, sondern der christliche Fanclub „Holy Bulls“. „Der Fanclub hat die Räume in Eigenarbeit renoviert“, berichtet Ulrike Schmidt. Seit vier Jahren ist die Lehrerin im Fanclub, seit Anfang des Jahres im Vorstand. „In der Kapelle treffen wir uns vor dem Spiel zum Einstimmen und hinterher je nach Ergebnis zum Feiern oder Trösten“. Die Stadionkapelle „Gloria“ ist offen für alle RB-Anhänger und sogar für Gästefans. Die allerdings müssen sich vorher anmelden.
Ein christlicher Fußball-Fanclub ausgerechnet in einer der gottlosesten Regionen des Landes? Olaf Olschewski hat den Fanclub 2012 mitgegründet und ist bis heute im Vorstand. „Christliche Werte sind unsere Basis, aber unsere 240 Mitglieder sind nicht alle getauft“, sagt der Musikalienhändler. „Wir tragen Glauben nicht wie eine Monstranz vor uns her, aber der christliche Gedanke ist sichtbar.“
 
Familien-Fanclub: Vom Kleinkind bis zum Greis
Sichtbar durch die Zaunfahne mit dem Templerkreuz, direkt hinter dem Tor im Block 28, wo die größte Fraktion des Fanclubs die Mannschaft anfeuert. Bis vor acht Monaten auch der Platz von Katholik Werner Pollmanns, ehe der gebürtige Rheinländer und Wahl-Leipziger aus familiären Gründen wieder zurück nach Waldniel bei Mönchengladbach zog. Zehn Jahre hat der heute 67-Jährige wenige hundert Meter vom Stadion entfernt gewohnt und die Spiele von RB Leipzig bereits in der Regionalliga besucht. „Anfangs für fünf Euro auf der Tribüne. Dann hinters Tor, wo die Stimmung ist.“ Dort kam dann auch der Kontakt zu den „Holy Bulls“ zustande. Ein Spätberufener, denn erst mit Ende 50 sei er zum aktiven Fußball-Fan geworden. „Andere haben über mich nur den Kopf geschüttelt“, berichtet er schmunzelnd.
Die „Holy Bulls“ mischen in der aktiven Fanszene mit, verstehen sich aber auch als Familien-Fanclub für Menschen vom Kleinkind bis zum Greis. „Auch bei uns im Block geht es richtig zur Sache und es fallen nicht druckreife Kraftausdrücke“, erzählt Pollmanns. „Trotzdem wollen wir Werte vorleben, die mit dem christlichen Glauben verbunden sind.“ Vielleicht auch deshalb genießen die christlichen Fans innerhalb des Vereins hohes Ansehen und Vertrauen.
 
Gründungsmitglied Olaf Olschewski und Fanclubsprecherin Ulrike Schmidt von den „Holy Bulls“.

Einweihung mit Posaunenchor
Trotz 500 Kilometern Entfernung: Die emotionale Verbindung zu Stadt und Verein bleibt für Werner Pollmanns bestehen. Der Kontakt sowieso: Das erste Glockengeläut der Propsteikirche St Trinitatis – Pollmanns‘ Leipziger Gemeinde – hat Olaf Olschewski aufgenommen und nach Waldniel geschickt. Am 10. August kam Werner Pollmanns selbst nach Leipzig zurück: An diesem Tag wurde die Stadionkapelle „Gloria“ offiziell eingeweiht. „Der große städtische Posaunenchor war dabei“, sagt Olaf Olschewski. „Und viele Interessierte und Neugierige. – Ausgerechnet im ehemaligen Zentralstadion gibt es jetzt eine christliche Kapelle!“

Mehr Infos

 
Von Thorsten Keßler
 
Zur Sache: Christliche Fanclubs
In Deutschland gibt es zahlreiche christliche Fußball-Fanclubs und -initiativen, die sich gegen Hass und Gewalt im Sport aussprechen. Viele haben sich unter dem Dach der „Totalen Offensive“ zusammengeschlossen. Die meisten ihrer Mitglieder, die allesamt den christlichen Fisch als Erkennungszeichen auf ihren Schals tragen, drücken Mannschaften der Ersten und Zweiten Bundesliga die Daumen. Sie engagieren sich auch sozial-diakonisch, gegen Gewalt und Intoleranz und für ein suchtfreies Leben.
Neben den Clubs der „Totalen Offensive“ gibt es zum Beispiel die „Tora et labora“ (frei übersetzt „Schieße Tore und arbeite“), die nach eigenen Angaben „frömmsten Fans“ aus Köln. Auf Schalke nennen sie sich „Mit Gott auf Schalke“, in Hannover heißt der Fanclub „These 96“ und in Leipzig „Holy Bulls“.
Mit ihren Werten wie Fairness, Respekt und Solidarität seien die christlichen Fußballanhänger ein wichtiger Bestandteil der Fanszene, urteilt Fanforscher und Sportwissenschaftler Harald Lange. Untereinander pflegen die christlichen Fangruppierungen nach eigenen Angaben regelmäßigen und freundschaftlichen Kontakt.
 
(epd)