Wie Eis in der Hand

Bestimmt haben Sie schon mal einen Eiswürfel in der bloßen Hand gehalten und wissen, wie schnell er zwischen den Fingern wegschmilzt. Einen Eiswürfel kann man nicht lange festhalten, nicht einmal wenn man ihn fest mit der Faust umschließt. Früher oder später würde er zwischen den Fingern hindurchtropfen. Übrig bleiben nasse, kalte Finger.

Mit unseren Glaubenserfahrungen ist es etwas Ähnliches wie mit dem Eiswürfel in der Hand. Man erlebt etwas und hat das Gefühl, das Gott ganz nahe war und geholfen hat. Wir hatten vielleicht einen Schutzengel. Oder ein Ereignis hat uns wieder in die richtige Spur gebracht. Da war eine Begegnung, die uns ganz mit Glück erfüllt hat, wie vom Himmel berührt. Ein Wort, ein Satz, eine Andacht fühlte sich an, wie genau für mich gesagt. Auf jeden Fall gab es das Gefühl: Gott ist nah. Er ist wirklich für uns da und der Glaube ist keine Illusion.
Aber dann geht das Leben weiter. Die Erinnerung an diesen heiligen Moment verblasst und reiht sich in viele andere Erinnerungen ein. Der Eiswürfel schmilzt sozusagen und nur die feuchten Finger erinnern daran, dass da einmal mehr, einmal etwas Besonderes war. Aber solche Erfahrungen lassen sich ebenso wenig festhalten wie das Schmelzwasser. Wir können nur die Hände frei halten für den nächsten Moment der erfrischenden Nähe und Liebe Gottes. 
Das geht auf ganz unterschiedliche Weise: Vielleicht, in dem wir einen Gottesdienst besuchen, die Losungen, die Kirchenzeitung oder christliche Kalenderblätter lesen, meditieren oder beten, uns mit jemandem austauschen, über das, was uns auf der Seele liegt. Oder wir lassen uns mit wachen Sinnen in der Natur auf Gottes Liebe hinweisen. Stille oder Musik können unsere Seele berühren.
Gott hat viele Möglichkeiten und Wege, wie er uns erfrischen und stärken will. Es kann auch mal ein ganz normaler Eiswürfel sein. Lassen wir uns von ihm überraschen.