Verkündigung im Rundfunk

2,5 Millionen hören jeden Tag zu

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Ein Mischpult und ein PC-Bildschirm
Nachweis

Foto: Katrin Kolkmeyer

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Am Mischpult müssen die richtigen Regler gestellt werden. Foto: Katrin Kolkmeyer

Seit 100 Jahren gibt es kirchliche Verkündigungssendungen im Radioprogramm. Früher waren das vor allem Gottesdienste und Andachten, jetzt hat sich dieses Angebot gewandelt. Ein Blick auf das, was im Norden alles bei den Öffentlich-Rechtlichen zu hören ist.

Sonntagmorgen, irgendwo in Norddeutschland: Die Glocke im Kirchturm schlägt zehnmal, der Priester begrüßt seine Gemeinde und macht zu Beginn der Messe das Kreuzzeichen. Alles könnte sein wie an jedem Sonntag, wären da nicht die in der Kirche aufgestellten Mikrofone und die Kabel, die zu einem vor dem Gotteshaus geparkten Lkw führen. Die Gemeinde ist heute viel größer als gewöhnlich, denn aus dem Lkw, dem Übertragungswagen heraus wird die Liturgie ins Radioprogramm des Norddeutschen Rundfunks übertragen. Tausende feiern zu Hause am Radio mit, hören die Worte, singen die Lieder. Es sind Menschen, die nicht mehr zur Kirche gehen können oder wollen, die nicht mehr mobil sind oder auf Distanz gegangen, die aber hier eine Form finden, sich weiterhin zu beteiligen. Seit 100 Jahren gibt es eine Fülle von Verkündigungssendungen im Hörfunk, dazu gehört auch die am Sonntag übertragene Messe.

Es soll eine würdige Feier sein

Begonnen hat dieser Gottesdienst im Grunde schon ein rundes Jahr zuvor. Ruth Beerbom, Kirchenredakteurin in Osnabrück, hat den Kontakt zur Gemeinde geknüpft. Sie hat geguckt, wo in einer Gemeinde Lust an der Liturgie besteht, ein Priester als guter Prediger gilt und wo gute Musik gemacht wird. Für die Gläubigen am Radio soll es eine würdige Feier werden, sie sollen sich beteiligen können, auch wenn sie nicht sehen können, was gerade in der Kirche passiert. Der Priester muss bereit sein, seine Predigt im Vorfeld aufzuschreiben und sich von der Kirchenredakteurin unterstützen zu lassen. Es muss die Möglichkeit bestehen, am Vorabend der Sendung eine Generalprobe zu machen. Schließlich muss es möglich sein, dem tonnenschweren Übertragungswagen die Anreise zu ermöglichen.

59:30 – es ist fast eine magische Zahl, die über allem schwebt. Nach 59 Minuten und 30 Sekunden endet die Übertragung, dann müssen der Segen gespendet sein und das Orgelnachspiel begonnen haben. Deshalb steht Ruth Beerbom während der ganzen Messe mit einer Stoppuhr in der Hand in der Kirche und wacht darüber, dass die vorher festgelegten Zeiten eingehalten werden. Deshalb muss der Priester seine Predigt vorher aufschreiben, damit die zeitliche Länge abgeschätzt werden kann. Und deshalb gibt es am Vorabend eine Generalprobe, um zu sehen, wo gekürzt oder verlängert werden muss. War zum Beispiel die Predigt doch ein paar Sekunden länger als vorgesehen, muss der Chor vielleicht zur Gabenbereitung eine Strophe weglassen. Oder der Organist muss das Instrumentalstück nach der Kommunion verlängern, wenn doch alles schneller ging als zuvor gestoppt.

Staatsverträge erlauben die Verkündigung

Die öffentlich-rechtlichen Sender im Norden, Radio Bremen und der Norddeutsche Rundfunk, haben eigene Redaktionen für „Religion und Gesellschaft“. Die Staatsverträge der Länder erlauben den Kirchen, für Verkündigung zu sorgen. So organisieren und finanzieren die Sender die Übertragungen. Was gesprochen wird, verantworten die Kirchen. Das gilt auch für die Andachten, die im Laufe des Tages gesendet werden. Die haben immer wieder ihr Gesicht verändert und sich dem jeweiligen Senderformat angepasst. In den Landesprogrammen des NDR zum Beispiel sind sie kürzer gehalten als bei NDR Kultur oder dem Deutschlandfunk. Die Beiträge heißen „Zwischentöne“, „Nachtgedanken“ oder „Worte zum Tage“. Es gibt auch Andachten auf Plattdeutsch. Die Rundfunkbeauftragten wählen Sprecherinnen und Sprecher aus und bereiten mit ihnen zusammen die Texte vor. Die Stimme der Autoren ist entscheidend; Sprache und Themen müssen zur sogenannten Farbe des Senders passen.

„Soll ich den Kopfhörer aufsetzen?“ Regina Wildgruber ist in das kleine Hörfunkstudio im Medienhaus des Bistums Osnabrück gekommen, um neue Morgenandachten aufzunehmen. Der Raum ist nur zehn Quadratmeter groß. Es gibt zwei Tische, drei Mikrofone, einen Computer mit einem Mischpult und an der Wand hängen große Schaumstofftafeln, um für eine gute Akustik zu sorgen. Wildgruber ist Theologin und arbeitet beim Bischöflichen Generalvikariat. Bis zum Sendetermin sind es noch ein paar Wochen, darauf muss sie bei ihren Texten Rücksicht nehmen. Aktuelles hat hier keinen Platz – es geht um Spirituelles und darum, wie die Zuhörer ihr Glaubensleben gestalten können. Die Autorin baut persönliche Erfahrungen ein und nimmt einen Gedanken auf, der vielen Hörerinnen und Hörern am Herzen liegen dürfte: „Morgen für Morgen höre ich all die negativen Schlagzeilen.“ Und sie erzählt, wie sie damit umgeht, wie sie eine Balance findet, nicht wegzuhören und sich doch nicht ständig Angst machen zu lassen. Während sie ihren Text ins Mikro spricht, schiebt Ruth Beerbom ein paar Regler auf und zu, korrigiert hier und da, lässt Wildgruber neu ansetzen nach einem Versprecher. Später wird sie mit dem Computerprogramm noch Pausen herausschneiden, die zu lang geraten sind oder das Rascheln des Manuskriptpapiers. Schließlich wird alles an den Sender übermittelt. Nicht nur im Medienhaus wird produziert; die meisten Aufnahmen werden in Studios der Sender gemacht und dort technisch betreut.

"Wie sollen sie hören, wenn niemand verkündigt?"

Andreas Brauns zitiert gerne ein Wort aus dem Römerbrief: „Wie sollen sie an den glauben, von dem sie nichts gehört haben? Wie sollen sie hören, wenn niemand verkündigt?“ Der Theologe arbeitet schon über 30 Jahre im Rundfunkreferat des Bistums Hildesheim und hält den Kontakt zum Landesfunkhaus des NDR in Hannover. Das Feedback von NDR-Journalisten auf Beiträge der Kirchen ist ihm wichtig, Beiträge, die über Gottesdienste und Andachten hinausgehen. „Wir wollen mit unserer Arbeit im Programm erkennbar sein, wir wollen aber auch nicht die Kanzel reinrollen.“ So gibt es den „Zwischenruf“, für den am Sonntag ein aktuelles Thema aufgegriffen wird. Wenn es ganz schnell gehen muss, springen Brauns und Beerbom selber sein. „Ansonsten frage ich im Funkhaus gerne nach, ob unsere Beiträge einfach genug waren, damit sie jeden Hörer erreichen.“ Abschalten vermeiden ist die Devise.

Immer größer wird die Zahl derer, die die Inhalte zwar hören möchten, sich aber die Sendungen lieber zeitversetzt im Internet anhören. Christof Haverkamp, der kirchliche Beiträge für Radio Bremen produziert, merkt das am verstärkten Zugriff auf Audiotheken, wo die Sendungen nachgehört werden können. Auch Andreas Herzig ist es wichtig, dass die Qualität stimmt, dass sich die kirchlichen Autoren daran orientieren, was üblicherweise Standard bei der jeweiligen Welle ist. „Wir wollen gute Qualität liefern“, sagt der Katholische Senderbeauftragte des NDR, der mit Wolfgang Beck auch einen Sprecher des Worts zum Sonntag betreut. Auf N-Joy muss eben anders geredet werden als im Kulturprogramm. Manches muss so aufbereitet sein, dass es in weniger als einer Minute zu konsumieren ist, manches wird zwischendurch auf dem Weg nach Hause gehört.

Gut angelegtes Geld

4,5 Stellen halten die Bistümer für die Verkündigung im Radio bereit. Dass es gut angelegtes Geld ist, davon sind die Rundfunkbeauftragten überzeugt. „An jedem Werktag erreichen wir im Norden rund 2,5 Millionen Menschen“, sagt Herzig, und Stolz liegt in seiner Stimme. Dazu zählen viele den Kirchen Fernstehende. Reichweiten, die mit einer in der Kirche gehaltenen Predigt nicht zu erreichen sind.

Wer wissen möchte, welche Sendung zu welcher Uhrzeit zu hören ist, wird hier fündig.

 

Matthias Petersen