86-jähriger Berliner ist bis heute ehrenamtlich aktiv
70 Jahre bei den Maltesern
Heribert Rosenberg vor einem Malteser-Einsatzwagen. Foto: Malteser |
Es ist wie ein Wiedersehen mit einem alten Freund. Heribert Rosenbergs Augen glänzen, als er ihn im Fuhrpark entdeckt. Das eierschalenfarbene Fahrzeug steht auf dem Hof der Rettungswache der Berliner Malteser in Charlottenburg, gleich neben den hochmodernen Rettungswagen mit Blaulicht auf dem Dach. Der 86-Jährige läuft zielsicher auf den vertrauten Gefährten zu, ein Kommandowagen für Katastrophenschutz. „In solchen Fahrzeugen saß ich früher auch und hab Einsätze geleitet“, sagt er. Kurz hat man das Gefühl, der Rentner will nochmal einsteigen in vergangene Zeiten. Er versorgte Flüchtlinge beim Ungarnaufstand 1956, half 1997 bei der Flutkatastrophe an der Oder und war bei vielen Großeinsätzen als Einsatzsanitäter zur Stelle: Seit 70 Jahren engagiert sich Heribert Rosenberg für die Berliner Malteser – immer ehrenamtlich, immer einsatzbereit, aktiv bis heute. Bundesweit ist er damit das dienstälteste Mitglied der katholischen Hilfsorganisation.
„Ehrenamt ist für mich Ehrensache“
Sein Engagement begann nach einem Erste-Hilfe-Kurs als Pfadfinder. Die Liebe zu einer Frau führte ihn im Jahr 1952 zu den Berliner Maltesern, damals noch organisiert im „Johanniter-Samariter-Bund – Katholischer Sanitätsdienst Groß Berlin“, der sich später dem 1953 gegründeten Bundesverband Malteser Hilfsdienst anschloss. „Meld‘ dich an, dann gehe ich mit dir aus“, sagte sie. Das ließ sich Rosenberg nicht zweimal sagen. Die Liebe zur Frau endete nach einiger Zeit, doch seiner anderen großen Liebe blieb er treu.
„Die Malteser sind mein Leben“, sagt Rosenberg heute, 70 Jahre später. Dieses Leben, prall gefüllt mit ehrenamtlichem Engagement, hat er in einem roten Leitz-Ordner dokumentiert, den er jetzt auf seinem Schreibtisch ausbreitet. Der Rentner hat inzwischen den Hof der Rettungswache verlassen und in seinem Büro in der dritten Etage der Malteser Geschäftsstelle Platz genommen. In seiner „Malteser Chronik“, wie er sie nennt, hat der Rentner sieben Jahrzehnte Zeitungsausschnitte, Urkunden und Erinnerungen akkurat in Klarsichthüllen abgeheftet. Die Sammlung dokumentiert das bewegte Ehrenamtsleben des Berliners, der 1935 zwischen zwei Weltkriegen in Ostpreußen geboren wurde.
1952 mit 16 Jahren war er erstmals als ehrenamtlicher Sanitäter beim Katholikentag in Berlin aktiv. Vier Jahre später im November und Dezember hatte er seinen ersten Auslandseinsatz in Ungarn, versorgte Verletzte und Flüchtlinge während der Unruhen beim Volksaufstand. „Saukalt war das damals, als wir die Flüchtlinge aufgesammelt haben“, erinnert er sich. Auch 1960 beim Weltkongress in München, 1968 beim Deutschen Turnfest in Berlin, 1996 beim Papstbesuch war er für andere da, leistete Erste Hilfe bei diesen Großveranstaltungen. Später engagierte er sich lange als Bezirksbeauftragter in Tiergarten.
Von 1984 bis 2005 war er ehrenamtlicher Diözesanreferent für Katastrophenschutz in Berlin. Was den Berliner über sieben Jahrzehnte antreibt, sich ehrenamtlich für die Malteser zu engagieren? „Ich brauchte kein Geld, für mich stand immer im Vordergrund, anderen Menschen zu helfen. Ehrenamt ist Ehrensache,“ sagt der pensionierte Postbeamte.
In Ungarn sprang er als Geburtshelfer ein
Die große Hilfsbereitschaft in der jetzigen Ukraine-Krise imponiert dem Rentner. Die Berichte über Krieg und Zerstörung aus der Ukraine machen Rosenberg große Sorgen. „Ich habe die Schrecken des Krieges in meiner Jugend und später als Malteser 1956 im Kriegsgebiet in Ungarn selber erlebt. Dass wir heute nach 50 Jahren Frieden in Europa im Nachbarland wieder einen Krieg haben, belastet mich. Ich verstehe die Welt nicht mehr.“
Wenn heute ukrainische Frauen im U-Bahnschacht ihr Kind zur Welt bringen müssen, ruft das bei dem früheren Einsatzsanitäter Erinnerungen wach: Vor 66 Jahren, bei der großen Fluchtbewegung an der österreichisch-ungarischen Grenze versorgten er und seine Kollegen eine hochschwangere Frau auf der Flucht. Der junge Rosenberg leistete zum ersten Mal in seinem Leben Geburtshilfe. „Als ich den kleinen Wurm in der Hand hielt, sind bei mir die Freudentränen geflossen“, erzählt er.
Am liebsten würde er auch bei der Ukraine-Hilfe mit anpacken, müsse sich jedoch bei Vor-Ort-Einsätzen zurückhalten. „Die Kraft ist nicht mehr da“, sagt der 86-Jährige fast entschuldigend. Ehrenamtlich aktiv ist Rosenberg trotzdem noch bei den Maltesern: Von seinem Zuhause, in einer von den Maltesern betreuten Wohneinrichtung in Tempelhof, fährt er einmal in der Woche mit dem eigenen Auto quer durch die Stadt nach Charlottenburg in die Malteser Schaltzentrale. Meist zwei, drei Stunden arbeitet er dann in seinem Büro, das er sich mit anderen Ehrenamtlichen teilt. Denn auch mit 86 gebe es noch immer etwas zu tun, womit er seine jungen Kollegen unterstützen könne, sagt Rosenberg. Heute zum Beispiel waren es die Fahrtenbücher, die er überprüft hat.
Rosenberg schaut auf die Uhr. Es ist 15 Uhr, er klappt seinen dicken, roten Ordner zu. Genug erzählt. Für einen Zeitungsartikel soll noch ein Foto von ihm gemacht werden. Der muntere, ältere Herr steht auf und streift sein graues Jackett über, die Mitgliederehrennadel wie immer im Revers. Draußen auf dem Schild an der Bürotür steht sein Name: Heribert Rosenberg. Nächsten Mittwoch findet man ihn dort wieder.
Für sein Engagement beim Malteser Hilfsdienst wurde Heribert Rosenberg unter anderem mit der Erinnerungsmedaille für „Hilfe für Ungarn“, der Bundesverdienst-Medaille (1985), dem Bundesverdienstkreuz am Bande (1992) und der Berliner Ehrennadel für besonderes soziales Engagement (2012) geehrt.
Von Diana Bade