Abbauen für die Zukunft
Foto: Angelika Meissel
Vor drei Jahren, am 25. Januar 2021, begann die „Vermögens- und Immobilienreform der katholischen Kirche im Norden“. Ziel dieser Reform: Die Zahl der kirchlichen Gebäude soll reduziert werden. Der Grund: Der Unterhalt von Gebäuden ist teuer und stößt schon jetzt auf Grenzen. Die schwindende Zahl von Katholiken, Priestern und Kirchenbesuchern führt auch zu einem rückläufigen Bedarf an Kirchenräumen.
Im Zuge der Reform sollten die Pfarreien ihre insgesamt 600 Gebäude in so genannte „Primär-“ und „Sekundärimmobilien“ einteilen. Primär bedeutet: Die Kirche oder das Gemeindehaus ist auch in Zukunft unverzichtbar und bleibt. Sekundär heißt: Die Immobilie scheidet aus dem pastoralen Gebäudebestand aus – sie wird verkauft, anders genutzt oder vermietet.
Eine Pfarrei muss in ihrer Haushaltsplanung (seit 2023) sicherstellen, dass beim Unterhalt der Gebäude die Kosten durch die Einnahmen gedeckt sind. Ursprünglich sollten die pfarrlichen Immobilienkonzepte Ende 2022 vorliegen. Die Coronakrise hat vieles verzögert. „Einige Pfarreien konnten einfach nicht schneller sein, weil die Ressourcen nicht da waren oder es Startschwierigkeiten bei der Begleitung durch das Generalvikariat gegeben hat“, sagt Verwaltungsdirektor Alexander Becker. Der Stand heute: Zwölf Konzepte wurden eingereicht, sieben sind bereits angenommen und tragen die Unterschrift des Erzbischofs.
In der zweiten Jahreshälfte, spätestens Ende des Jahres, sollen sämtliche Konzepte genehmigt sein. Das ist aber noch nicht das Ende der Reform. An den meisten Orten beginnt erst noch die Umsetzung. Kirchen, die erhalten bleiben, müssen in einen zukunftsfähigen Zustand gebracht werden. In vielen Fällen sind Umbauten nötig. Beispiel: In Malchow soll auf dem Kirchengelände ein „kommunal-ökumenisches Begegnungszentrum“ entstehen, gemeinsam betrieben von der katholischen und der evangelischen Gemeinde sowie der Stadt Malchow. Die Kirche, so der Plan, wird dazu umgebaut, ein Teil soll für andere Räume frei werden.
Ein weiteres Beispiel: In Hamburg-Tonndorf entsteht auf dem Gemeindegelände von St. Agnes eine Kindertagesstätte. Dazu muss wahrscheinlich ein Gebäude abgerissen und ein neues gebaut werden.
Auch dort, wo ein Gebäude „nur“ verkauft wird, gibt es viel zu beachten und zu tun. Das Erzbistum bietet den Pfarreien bei allen Veränderungen umfassende Hilfe. Alexander Becker: „Wir haben in der Abteilung Immobilien und Bau drei Umsetzungsbegleiter angedockt, die aus den Pfarreien kommen und die Immobilienreform selber in ihrer Pfarrei mit umgesetzt haben. Alle drei haben Erfahrung in Management, Geschäftsführung und Sanierung. Die wissen, wie man bei der Entwicklung oder Veräußerung der Immobilien die Pfarreien unterstützen kann.“
„Wir sollten auch an unsere Enkel denken“
Bei der Entscheidung, was bleibt und was nicht bleibt, standen alle Pfarreien vor der gleichen Aufgabe. Die Ergebnisse aber fallen sehr unterschiedlich aus. In Kiel sind bereits fünf Kirchen aufgegeben worden. Mehrere Pfarreien in Hamburg wollen sämtliche Kirchen behalten. Generalvikar Pater Sascha-Philipp Geißler sieht das kritisch. „Die Aussage – wir können uns das ja leisten! – macht mir Sorge. Denn ich frage mich: Wie lange noch? Auch in Hamburg treten Leute aus der Kirche aus. Auch hier geht die Kirchensteuer zurück, und die Quote der Gottesdienstbesucher ist rückläufig.“ Der erhoffte Solidaritäts-Gedanke sei gegenüber dem Willen zum Selbsterhalt nicht genügend zum Tragen gekommen. „Es wäre schön, wenn wir zwei oder drei Kirchen in Hamburg schließen und dafür zwei oder drei Kirchen in Mecklenburg oder Schleswig-Holstein offen halten könnten“, gibt Pater Geißler zu bedenken. „Denn dort sind die Wege viel weiter und die Verkehrsinfrastruktur ist schlechter ist. Aber das ist schwer oder gar nicht vermittelbar.“
Dort hingegen, wo die Pfarreien alle Kraft in den Erhalt des Bestehenden gesetzt haben, bestünde die Gefahr, dass der vermeintliche Erfolg nur von kurzer Dauer ist. „Wir befürchten, dass es in kurzer Zeit eine weitere Reform in der einen oder anderen Pfarrei geben muss“, sagt Becker.
Generalvikar Geißler lobt dagegen das Vorgehen der Pfarrei St. Ansverus (Bad Oldesloe/Ratzeburg). „Die haben einmal über einen längeren Zeitraum gedacht, um sich einen ähnlichen Prozess in zehn Jahren zu ersparen. Sie haben einen richtig harten Schnitt versucht – was aber in den Gemeinden nicht so gut ankam. Aber für mich ist das eine kreative und richtige Haltung. Wir sollten nicht nur an uns, sondern auch an unsere Enkel denken.“ Der Blick in die Zukunft sei entscheidend. Pater Geißler: „Es geht bei dieser Immobilienreform nicht zuerst um den eigenen Selbsterhalt. Es geht darum, dass wir uns mit unseren Mitteln und Möglichkeiten so aufstellen, dass wir künftig den kirchlichen Sendungsauftrag erfüllen können. Wir haben einen Auftrag für die Welt, bei den Menschen, mit denen wir leben, an den Orten, wo wir sind.“
Auf dem Prüfstand standen in dem laufenden Prozess nicht nur die Immobilien der Pfarreien, sondern auch die Immobilien des Erzbistums. Auch dort gab es Einschnitte: Das Jugendhaus in Teterow, das Edith-Stein-Haus in Parchim wurden aufgegeben, das Studentenheim Haus Michael in Kiel ist abgerissen. Dort sollen jetzt Wohnhäuser entstehen. Ein weiteres Projekt, das Gewinn bringen soll, ist die gerade eingeweihte Wohnanlage in Hamburg-Rothenburgsort mit 52 Wohnungen. Auch im erzbischöflichen Generalvikariat bewegt sich viel. Mehr mobile und digitale Arbeitsplätze sollen dort den Bedarf an Büroraum deutlich reduzieren.
Es gibt auch Einrichtungen, die durch die Reform in ihrem Bestand ausdrücklich gesichert werden. Etwa das vom Erzbistum an die Caritas vermietete Gelände um die Kirche St. Ursula in Graal-Müritz mit der Familienferienstätte. „Die Caritas“, sagt Alexander Becker, „kann für uns nachvollziehbar eine angemessene Miete nicht erwirtschaften. Wir haben das Haus als eine Primärimmobilie des Bistums eingestuft – wegen der pastoralen Bedeutung dieser Einrichtung.“
Der Name sagt es: Die Veränderungen im Zuge der Reform betreffen Immobilien und Vermögen. Dahinter aber steckt etwas anderes, betont Generalvikar Geißler. Nämlich die Frage, wie eine katholische Pastoral der Zukunft aussieht: „Viel wichtiger als die Gebäude ist das Leben, das sich darin abspielt. Von der Frage nach den Gebäuden ist für mich eine andere Frage untrennbar: Was sind neue Formen, wie man Kirche leben kann? Das kann ja nicht nur an einem Gemeindehaus oder an einer Kirche hängen. Kirchliche Lebensformen sind vielfältig. Da müssen wir noch kreativer werden.“