Trauern in Zeiten von Corona

Abschied mit Abstand

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Die letzte Ehre erweisen: In Zeiten von Corona ist das für viele Freunde und Bekannte gar nicht so einfach. Und auch, wenn es nun wieder erlaubt ist, Trauergottesdienste zu feiern, bleibt das Begräbnis auf dem Friedhof doch ein Abschied auf Abstand. Von Julia Hoffmann.

Statue trauernde Frau
Auch wenn in Corona-Zeiten vieles anders geworden ist, der Abschied bleibt

Hans Kappler ist gestorben. 83 Jahre Leben liegen hinter ihm. Er war beliebt und bekannt, geschätzt für seine freundliche Art und für seine Hilfsbereitschaft. Normalerweise wäre bestimmt das ganze Dorf zu seiner Beerdigung zusammengekommen. Dazu Verwandte und Bekannte von außerhalb und Mitglieder verschiedener Vereine. Der Männergesangverein, dem er viele Jahre angehörte, hätte gesungen. Es wäre sehr festlich geworden und man hätte gespürt, dass er Teil einer großen Gemeinschaft war.

Doch was ist schon normal in Zeiten von Corona? Hans Kappler starb im Krankenhaus, „in Zusammenhang mit Covid 19“, wie es derzeit in den Nachrichtensendungen im Fernsehen heißt. Seine Frau durfte ihn nicht noch einmal sehen, per Telefon hat sie sich verabschiedet. Sie konnte nicht bei ihm sein, als er starb. 

Die Angehörigen, eine große Familie, die stets von Zusammenhalt geprägt ist, hätte sich normalerweise versammelt. Menschen hätten sich umarmt, einander getröstet und von ihm und seinem Leben erzählt. Das war so nicht möglich. 

Doch wie umgehen mit der Trauer, wie zusammenrücken in Zeiten des Abstandhaltens? 

Es wird viel telefoniert in dieser Zeit. Und die „Jüngeren“ versuchen, sich in einer Whatsapp-Gruppe gegenseitig zu trösten. Es ist die Generation seiner Enkel, sie sind teilweise selbst schon Eltern. Dass auch diese Generation miteinander in Verbindung bleibt, war ihm immer ein großes Anliegen.

Die Idee, eine Gedenk-Anzeige in der Zeitung zu schalten, wird für einige zum Mittelpunkt des Austauschs. Und das in einer Gruppe von Menschen, die selbst kaum noch analog Zeitung liest. Was schreiben wir, was hat ihn ausgemacht? Wer hat ein schönes Foto? Wisst ihr noch, damals? Schaut mal, wie wir da aussehen, und wie er in die Kamera lächelt.

„Wir sind in Gedanken bei euch“

Eine Angehörige fährt zum Hof, auf dem ein Teil der Familie wohnt, und legt ein Banner aus mit der Aufschrift: „Fern und trotzdem ganz nah! Wir sind in Gedanken bei euch!“

Die Witwe sitzt zu Hause und muss warten. Auf ihr Testergebnis. Muss Entscheidungen treffen über das Begräbnis ihres Mannes. Sie bekommt sehr viele Beileidskarten zugeschickt. Dann die Nachricht: Zehn Menschen dürfen an der Beerdigung teilnehmen. Diese findet nicht sofort statt, sondern zwei Wochen später, einige Angehörige sind noch in Quarantäne. 

Zehn, mancherorts sind es sogar nur fünf, die zugelassen sind. Wie will man da auswählen, wer teilnehmen darf, und wer nicht? Zehn, das reichte gerade so für seine Frau, seine Kinder, einige Enkel und sogar Urenkel, die ihn auf seinem letzten Weg begleitet haben. 

Eine Tochter konnte nicht bei der Beerdigung dabei sein. Sie lebt in den USA. Keine Anreise möglich in Zeiten von Corona.

Trotz der außergewöhnlichen Rahmenbedingungen sei es ein würdevolles Begräbnis gewesen, sagen diejenigen, die dabei gewesen sind. Ein Enkel trug die Urne. Der Sohn hielt eine Rede auf seinen Vater, erzählte aus dessen Leben, was ihn ausmachte, was ihm wichtig war. Auch der Pfarrer habe würdige Worte gefunden. Eine seiner Töchter singt im Chor. Sie stimmte Lieder an, die anderen sangen mit. Durch den kleinen Kreis der Angehörigen sei eine sehr vertraute, familiäre Atmosphäre entstanden. 

Was banal klingt, ist hier von Bedeutung: Die Sonne schien, das Wetter war gut. Denn die Trauerhalle war ja geschlossen, alles fand im Freien statt. Selbst die Tochter in den USA wurde per Video-Übertragung über Handy an der Beerdigung beteiligt.

Für diejenigen, die nicht dabei waren, erscheint der Tod nach wie vor unwirklich. Es fehlt das letzte Stück des Wegs. Ihnen bleiben Fotos und Erzählungen und es ist tröstlich, dass wenigstens aus jeder Generation jemand dort war. Und diejenigen, die ihm besonders nahe standen. Wer kann, findet Trost im Gebet.

Irgendwann soll das Gedenken nachgeholt werden. Irgendwann wollen sich alle versammeln zu einem Gottesdienst. Das ist ein Hoffnungsschimmer, aber eins steht fest: Eine Beerdigung lässt sich trotz Corona würdig gestalten. Nachholen lässt sie sich nicht.