„Anders als in der Gemeinde“
Helmut Michels, langjähriger Tourismusseelsorger von Dahme, geht zum 1. Oktober in den Ruhestand. Verabschiedet wird er schon jetzt. Über einen Theologen, der gut zuhören, aber nicht schwimmen kann.
Pastoralreferent Helmut Michels hat 21 Jahre dort gearbeitet, wo andere Urlaub machen. Im Ostseebad Dahme, wo vor allem viele Feriengäste aus Nordrhein-Westfalen im Sommer Quartier nehmen, hat der 65-Jährige Gottesdienste gefeiert, ein offenes Ohr gehabt und manchmal Sorgenfalten geglättet. Beim Gespräch am Strand, in der Kirche oder irgendwo zwischendrin. Wenn die Urlauber dann heim Richtung Rhein und Ruhr fuhren, dann ließen einige von ihnen einen Teil ihrer Probleme einfach bei ihm zurück. Manchmal, so erzählt Michels, habe er mal eine Kerze in der Kirche St. Stephanus angezündet, um etwas von den Sorgen weiterzugeben und sie nicht alle zu seinen eigenen zu machen. „Dann sage ich: So, jetzt bist du dran.“
Der Tourismusseelsorger stammt übrigens selbst aus Nordrhein-Westfalen, aus der Hansestadt Warburg im Kreis Höxter. Und mittlerweile freut er sich sogar auf seinen Ruhestand, der offiziell am 1. Oktober beginnt. Eigentlich hatte er sich noch einiges vorgenommen, zusammen mit den evangelischen Kollegen in Grömitz, Heiligenhafen und auf Fehmarn, doch so richtig viel lässt sich in den letzten Wochen nicht mehr realisieren. Jetzt, wo einem nicht ständig die Coronapandemie einen Strich durch die Rechnung macht, hätte er, so Michels, „gerne noch einmal einige besondere Akzente gesetzt. Aber das ist leider nicht möglich, weil einfach die Zeit vorbei ist.“ Hinzu kommt noch eine Fußverletzung, die er sich an Fronleichnam zugezogen hat und ihn jetzt ohnehin erst einmal ausbremst.
Die Urlauber tragen viel zum Erhalt der Kirche bei
Dass es in Dahme ohne die vielen Urlauber wohl längst keine Kirche mehr gäbe, das ist Michels ganz klar. Denn während sich im Sommer oft weit mehr als 100 Menschen zum Gottesdienst in der Kirche oder zum Open-Air-Gottesdienst im Kurgarten oder am Strand einfänden, seien es außerhalb der Saison eben nur um die 25, die sich vor Corona im Gemeinderaum, jetzt in der großen Kirche versammelten. Ein früherer evangelischer Pastor habe angesichts der vielen Katholiken zur Sommerzeit mal scherzhaft gesagt: „Jetzt beginnt die Gegenreformation.“
Der Umstand, dass in der jüngeren Vergangenheit so manche Renovierungsmaßnahme am 1970 geweihten „Leuchtturm Christi an der Ostsee“, wie es über dem Eingang heißt, ausgeführt werden konnte, hat ganz viel mit der Spendenbereitschaft der Katholiken aus dem Südwesten zu tun. So wurden die wertvollen Bleiglasfenster von Theo M. Landmann ebenso maßgeblich durch privates Engagement gerettet wie der Glockenturm. „Der stand nur noch auf einem verfaulten Fuß“, erinnert sich der Tourismusseelsorger. Allein für den Glockenturm sammelte der Förderverein binnen weniger Monate etwa 30 000 Euro. „Die Urlauber sagen, das ist unsere Gemeinde und die ist uns etwas wert.“ Michels merkt es auch daran, dass sich Urlauber als Messdiener oder für andere Aufgaben im Gottesdienst und in der Urlaubergemeinde anmelden.
Er hat aber auch sehr viel mit Gläubigen zu tun, die längst nicht mehr in der Kirche sind. Viele von ihnen sagten, sie hätten „den Kontakt zur Kirche verloren, aber nicht zum Glauben“, so Michels. Wenn es wieder mal negative Schlagzeilen in Sachen katholischer Kirche gebe, dann bekomme er sie „brühwarm serviert“. Erst recht, seit er seinen Schreibtisch in der Hauptsaison in die Kirche verlegt hat, wo er leicht mit Menschen ins Gespräch kommen, aber auch die Computerarbeit erledigen kann.
Doch der angehende Ruheständler ist nicht nur Repräsentant der katholischen Kirche, sondern vor allem auch Seelsorger. Probleme mit dem Partner, mit der Familie oder dem Job, dafür hat Michels immer ein Ohr gehabt: „Ich habe und nehme mir Zeit. Und ich glaube, das ist ein Charakteristikum der Urlauberseelsorge, dass ich Zeit habe für die Menschen. Es ist einfach anders als in der Gemeinde.“
Wobei Helmut Michels seine Aufgabe nicht darin sieht, mit klugen Ratschlägen um die Ecke zu kommen: „Ich bin mehr Zuhörer. Ich glaube, man muss vorsichtig sein. Ein Rat bedeutet auch ein Ratschlag, und das ist auch ein Schlag.“
Wenn er jetzt im Ruhestand ist, will Michels mehr reisen. Nach Griechenland und Zypern will er endlich mal wieder und auch Konstantinopel (sprich: Istanbul) und Kappadokien in Zentralanatolien noch einmal genauer anschauen; ebenso Ägypten. Zum koptischen Bischof für Deutschland mit Sitz in Höxter-Brenkenhagen hat er auch gute Kontakte. Tja, und vielleicht lernt er ja auf diesen Reisen auch noch das Schwimmen, was er in all den Jahren an der Ostsee versäumt hat.
Doch erst einmal wird Helmut Michels von seiner Sommergemeinde verabschiedet, nämlich am Freitag, 1. Juli, mit einem Gottesdienst im Kurpark von Dahme.
von Marco Heinen und Marco Chwalek