Beauftragter für Religionsfreiheit zieht Bilanz nach einem Jahr im Amt

"Auch in Deutschland gibt es Probleme"

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Seit einem Jahr ist Markus Grübel der Beauftragte der Bundesregierung für weltweite Religionsfreiheit. Das Amt wurde nach der letzten Wahl geschaffen. Im Interview spricht der 59 Jahre alte CDU-Politiker über die Situation in Deutschland, den historischen Papstbesuch auf der arabischen Halbinsel und das interreligiöse Berliner "House of One".

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Voraussichtlich Ende 2019 will Markus Grübel einen zweiten Bericht zur Religionsfreiheit weltweit vorlegen. Foto: kna


Herr Grübel, auf welchen Regionen lag in den ersten zwölf Monaten Ihrer Amtszeit Ihr Hauptaugenmerk?
Ein Schwerpunkt lag im Irak, weil dort die Nachkriegsordnung neu gestaltet werden muss, nachdem der Islamische Staat (IS) besiegt ist. Auch Myanmar, wo eine Million Rohingya vertrieben wurden, war ein Thema. Die Situation in Afrika, wo insbesondere Christen und Muslime immer wieder im Konflikt sind, war ebenfalls ein Schwerpunkt.


Ihr Amt wurde vor einem Jahr neu geschaffen. Was haben Sie seitdem schon erreichen können?
Wenn es um Menschenrechte wie das der Religionsfreiheit geht, kann man leider nicht sagen: Problem gelöst. Es ist ein Prozess. Im Nordirak fördern wir zum Beispiel Gespräche für ein friedliches Miteinander. Im Übrigen geht es bei meiner Arbeit in erster Linie um Bewusstseinsbildung, damit die Politik immer auch die Religionsfreiheit mit im Blick hat.


Wie haben Sie den interreligiösen Dialog im Nordirak denn konkret gefördert?
Vor Kurzem bin ich dort gewesen und habe mir die Projekte des Entwicklungsministeriums angeschaut und mit den Beteiligten gesprochen. Ich treffe nicht nur die Regierung, sondern auch die Religionsführer. Sie haben mir berichtet, welche Chancen und Herausforderungen sie aktuell für ein friedliches Miteinander der verschiedenen religiösen Gruppen im Irak sehen. Es gilt: Wenn die Glaubensgemeinschaften ein Teil des Problems sind, sind die Religionsführer auch ein Teil der Lösung.


Religionsführer könnten auch Teil der Lösung sein, ohne Teil des Problems zu sein ...
Das stimmt. Wir nehmen Konflikte oft als religiös wahr, die sich in Wahrheit aber zum Beispiel um den Zugang zu Bodenschätzen drehen. In Nigeria oder im Sudan treffen Nomaden aus dem Norden, die Muslime sind, auf Bauern aus dem Süden, die Christen sind. Zunächst einmal hat der Konflikt aber überhaupt nichts mit Religion zu tun, sondern es ist ein Streit um Wasser und Weidegründe.


Ihr Aufgabengebiet der weltweiten Religionsfreiheit beinhaltet auch Deutschland. Wie steht es hierzulande um die Religionsfreiheit?
Auf den ersten Blick ist Deutschland eine Insel der Seeligen. Mit vielen Dingen haben wir es hier gar nicht zu tun. Aber auch bei uns gibt es Probleme. Wir erleben antijüdische Straftaten und auch islamfeindliche Äußerungen. Es gibt immer wieder Konflikte um das Thema Schächten, um Beschneidung, aber auch um liturgisches Läuten. Da sagt jemand, dass das Läuten der Kirchenglocken am Sonntag um neun Uhr gegen seine Weltanschauungsfreiheit verstößt. Es geht auch bei uns darum, Kompromisse zu finden.


Im neuseeländischen Christchurch hat ein Rechtsextremer im März bei Angriffen auf zwei Moscheen 50 Menschen getötet. Wird rechter Hass auf Muslime weltweit unterschätzt?
Islamfeindlichkeit ist ein Thema. Ich glaube, man hat es in der betroffenen Region unterschätzt. Islamfeindlichkeit und Antisemitismus muss man in der westlichen Welt genauso im Blick haben wie Christenfeindlichkeit in arabischen und muslimischen Ländern.


Weltweit werden Christen am meisten verfolgt. Wo sehen Sie besonderen Handlungsbedarf?
Wir erleben eine Radikalisierung im Islam. Darum sehe ich da Handlungsbedarf für Gespräche in arabischen und muslimisch geprägten Ländern. Aus meiner Sicht existiert in diesen Ländern ein ganz besonderer Schutzbedarf für christliche Minderheiten.


Radikale Imame sind auch in Deutschland ein Thema. Was halten Sie von der Diskussion um eine Deutschpflicht für Geistliche aus dem Ausland?
Grundsätzlich hat Radikalität nicht unmittelbar etwas mit Sprache zu tun. Das ist eher der Geist, der vermittelt wird. Ich halte es aber für richtig, dass Imame, die hier die Gläubigen betreuen, die Landessprache können. Sie sollen in Deutschland angekommen sein.


Der Papst ist im Frühjahr zu einem historischen Besuch auf die arabische Halbinsel gereist. Macht Ihnen das Hoffnung?
Dabei sind starke Bilder entstanden, die um die Welt gingen. Allein die Tatsache, dass 180.000 Menschen einen Gottesdienst feiern konnten, ist ein ganz starkes Zeichen. Dafür, dass das Christentum offensichtlich keine feindliche Religion ist, die man bekämpfen muss. Der nächste Schritt wäre, dass die Vereinigten Arabischen Emirate das auch rechtlich nachvollziehen und die Strafe auf Konversion streichen.


Zu Ihren wichtigsten Aufgaben gehört die Erstellung eines Berichts zur weltweiten Religionsfreiheit. Wann können wir den lesen?
Wir sind dran. Wir erarbeiten den Bericht in Zusammenarbeit mit dem Auswärtigen Amt. Auf einen Monat möchte ich mich nicht festlegen. Das Ziel ist Ende 2019.


Der erste Bericht wurde - auch aus Ihrer Partei - als zu formal kritisiert. Was wird dieses Mal anders?
Der erste Bericht war stark geprägt von einem systematischen Ansatz: Welche Arten von Verletzungen des Menschenrechts auf Religionsfreiheit gibt es? Der zweite Bericht wird einzelne Länder in den Mittelpunkt rücken.


Wie viele Länder wird der Bericht umfassen?
Wir werden uns auf etwa 30 Länder konzentrieren. Daneben werden auch Querschnittsthemen eine Rolle spielen. Was mir wichtig ist: Wir befassen uns meist intensiv mit Defiziten. Oft bringt es aber mehr, positive Beispiele der Religions- und Weltanschauungsfreiheit anzuführen.


Welche Länder oder Beispiele haben Sie da im Blick?
In Mossul im Irak zum Beispiel haben 30 junge Menschen eine Moschee und eine christliche Kirche enttrümmert und gereinigt, so dass da wieder Gottesdienste stattfinden können. Davon hat man in Deutschland in den Zeitungen nichts gelesen, dabei ist es ein Zeichen der Hoffnung.


Wird Deutschland ein Thema in Ihrem Bericht sein?
Deutschland möchte ich in den Blick nehmen. Da das im ersten Bericht kein Thema war, muss ich das noch in der Bundesregierung abstimmen. Auch hier gibt es Dinge, die ich ansprechen möchte.


Wie bewerten Sie als Katholik die Pläne für das interreligiöse Lehr- und Bethaus "House of One" in Berlin? Die katholische Kirche ist bislang nicht direkt beteiligt ...
Wir betonen immer das Trennende. Jeder kennt die Unterschiede zwischen den Religionen, dabei übersehen viele, dass es viele Gemeinsamkeiten gibt. Das Projekt "House of One" kann helfen, den Blick zu weiten. Im Zentrum Berlins einen Ort zu haben, an dem das Gemeinsame gelebt wird, finde ich ein gutes Zeichen - und ich fände es auch gut, wenn die katholische Kirche sich da einbringt.

kna