Studie zur sexuellem Missbrauch im Bistum Osnabrück
Auf aktive Meldungen angewiesen
Nach der Veröffentlichung ihres Zwischenberichts über den Umgang mit sexuellem Missbrauch im Bistum Osnabrück wollen die Uni-Forscher jetzt herausfinden, wie es zu diesen Taten überhaupt kommen konnte.
Vor rund vier Monaten veröffentlichte die Universität Osnabrück ihren Zwischenbericht über den Umgang mit sexuellem Missbrauch im Bistum Osnabrück seit 1945. Wie geht es mit dem interdisziplinären Forschungsprojekt „Sexualisierte Gewalt im Bistum Osnabrück“ jetzt weiter? Fragen an den Koordinator der Forschungsgruppe, Jürgen Schmiesing.
Herr Schmiesing, wie viele Menschen haben sich seit der Veröffentlichung Ihres Zwischenberichts am 20. September und Ihren darauf folgenden Aufrufen gemeldet?
Bisher waren es rund 25 Personen als Betroffene oder sogenannte Bystander aus dem Umfeld der Tatvorwürfe. Die Kontaktaufnahmen laufen unterschiedlich, oft per E-Mail oder telefonisch. Für das eingehende Gespräch suchen wir nach Möglichkeit den persönlichen Kontakt. Einige legten Wert darauf, dass ihr Umfeld oder auch ihre Familie nichts davon erfahren. Es kostet Überwindung, sich zu melden; in einem kleinen Ort etwa ist das besonders schwierig.
Wer waren die Personen?
Zu einem Großteil handelte es sich um Menschen, die direkt von sexuellen Übergriffen betroffen sind. Einzelne meldeten sich auch für ihre alten oder schon gestorbenen Angehörigen und erzählten, was sie von denen wussten. Einige stammten aus dem erweiterten Umfeld und berichteten, wie sie einen Fall, den Umgang und die Diskussion darüber erlebt haben.
Mit welchen Anliegen?
Hier stoßen zwei Ebenen aufeinander. Es kann sein, dass Personen ihre Mitteilungen an uns mit einem praktischen Anliegen verbinden. Als Forschende können wir aber eben nur anbieten, dass wir zuhören und so besser verstehen, wie es zu diesen Taten gekommen ist. Viele Meldende möchten auch ausdrücklich einen solchen Beitrag zur Forschung leisten.
Gibt es Schwerpunktregionen, aus denen Sie Rückmeldungen erhalten?
Eigentlich aus fast allen Regionen des früheren großen Bistums Osnabrück, also vom Emsland bis Mecklenburg.
Wie gehen Sie weiter vor?
Neben intensivem Aktenstudium wartet unser Team auf Rückmeldungen auf unsere Aufrufe. Gleichzeitig überlegen wir, wie und wo wir noch weitere Aufrufe sinnvoll platzieren können. Es ist schwierig, Menschen in bestimmten Orten gezielt anzusprechen. Anhand von diözesanen Akten können wir das nicht tun, einerseits aus Gründen des Datenschutzes, andererseits wegen forschungsethischer Bedenken. Wir sind daher auf aktive Meldungen angewiesen.
Mit wie vielen Personen rechnen Sie? Wie viele müssten es sein?
Das lässt sich zahlenmäßig nicht ausdrücken. Wir sind dankbar für jede Meldung. Wir werben um Vertrauen, streuen Infos zum Angebot. Aber wir können und wollen niemanden zwingen, sich zu melden.
Gibt es aus den weiteren Gesprächen schon neue Erkenntnisse?
Selbstverständlich. Mitunter ergeben sich für uns aus solchen Kontakten auch neue Fragestellungen. Etwa: Wie war es, wenn ein Priester neu in eine Gemeinde kam, aus der sein Vorgänger wegen Missbrauchsvorwürfen entfernt wurde? Wurde der Nachfolger informiert? Begegnet er Misstrauen, wenn Vorwürfe oder Gerüchte gegen Vorgänger bekannt waren?
Wann können wir mit der Gesamtstudie rechnen?
Sie soll nach Abschluss des Projekts veröffentlicht werden, voraussichtlich im August 2024. Ein weiterer Zwischenbericht ist im Moment nicht vorgesehen, eventuell werden aber vorab Teilergebnisse veröffentlicht.
Interview: Roland Juchem
Betroffene und Hinweisgeber können sich melden:
Universität Osnabrück, Projekt „Betroffene – Beschuldigte – Kirchenleitung“
z. Hd. Jürgen Schmiesing
An der Katharinen-kirche 8
49074 Osnabrück
Telefon 05 41/9 69 64 22, E-Mail
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