Auf den Spuren der Märtyrer
Firmanden aus Hamburg-Billstedt besuchten die Gedenkstätte Lübecker Märtyrer und besuchten auch das Burgtorkloster, wo die vier Geistlichen zum Tode verurteilt worden waren.
Nein, Sebastian Demgenski hat fast keine Vorkenntnisse über die Lübecker Märtyrer. Er interessiert sich zwar für katholische Geschichte, aber ein bisschen ist es auch ein Pflichttermin, räumt der 18-jährige Abiturient freimütig ein. Auch Joanna Bretes weiß „ehrlich gesagt nicht viel“ über Johannes Prassek, Eduard Müller, Hermann Lange und Karl Friedrich Stellbrink. „Aber ich hoffe, ich lerne heute viel dazu“, ergänzt die 17-jährige Berufsschülerin. Die beiden jungen Leute gehören zu einer Gruppe aus 28 – überwiegend 14- bis 15-jährigen – Firmanden, die gemeinsam mit Diakon Ulrich Bork und fünf älteren Jugendlichen aus Hamburg-Billstedt kürzlich nach Lübeck kamen, um die Gedenkstätte Lübecker Märtyrer an der Propsteikirche Herz Jesu zu besuchen.
„Die Idee entstand im vergangenen Jahr im Zuge der Bistumswallfahrt, weil dort sehr deutlich wurde, wie wichtig die Märtyrer für unser Bistum sind und wie wichtig es ist, gerade auch junge Menschen da heranzuführen“, erinnert sich Diakon Bork. Für ihn und fünf ältere Jugendliche, die die jüngeren auf ihrem Weg zur Firmung begleiten, stand schnell fest, dass so ein Ausflug nach Lübeck ein fester Bestandteil des jährlichen Firmkurses werden soll.
Die Gedenkstätte hat oft Jugendgruppen zu Gast
Jugendgruppen wie die aus Hamburg sind relativ häufig in der Gedenkstätte zu Besuch, berichtet Referent Jochen Proske. Vor wenigen Monaten seien 50 Jugendliche aus Berlin dagewesen und vergangenes Jahr gleich zwei Oberstufenjahrgänge der Hamburger Sankt-Ansgar-Schule mit rund 200 Schülern. Je nach Interesse der Besucher gibt es entweder eine eineinhalbstündige Führung oder auch ein größeres Programm mit Ausflügen an historische Orte im Stadtgebiet, die für die drei katholischen Geistlichen und den evangelischen Pastor eine Rolle spielten. „Ich glaube, dass es sehr interessant ist, wenn man die Geschichte an authentischen Orten kennenlernt“, sagt Proske. Gemeinsam mit den Ehrenamtlichen Dr. Bärbel Baum, Rudi Abold und Jens Steffen bildet er das Team, das sich an diesem Samstag im August um die Besucher kümmert.
Die 28 Jugendlichen werden in drei Gruppen aufgeteilt, die nach einer kleinen Andacht in der Krypta von Herz Jesu an unterschiedlichen Orten mit ihrer Geschichtserkundung beginnen. Sebastian Demgenski und Joanna Bretes gehören zu der Gruppe, die zuerst die sogenannte „Schatzkammer“ besichtigt. Hier werden sie mit persönlichen Dingen der Märtyrer konfrontiert. Da sind das Primizgewand und die alte Flöte von Johannes Prassek und natürlich die Leica-Kamera des reisebegeisterten Eduard Müller sowie seine Hängematte. Aber die Jugendlichen werden auch mit der Rechnung konfrontiert, die die Nazis der Witwe Karl Friedrich Stellbrinks schickten, mit der Aufstellung von Reisekosten des Untersuchungsrichters, den Haftkosten und „Vollstreckungskosten“, wie es im Amtsdeutsch der Zeit hieß. „Ich bin wirklich ein bisschen schockiert, weil da krasse Sachen erzählt wurden“, wie eine Schülerin später anmerkt.
Weiter geht es in der eigentlichen Ausstellung, in der die Jugendlichen noch mehr über die Zeit des Nationalsozialismus erfahren, bevor sie dann zur Gisa Feuerberg Schule der Diakonie wandern, in der junge Menschen den Beruf der Heilerziehungspflegekraft erlernen können. Gisa Feuerberg wurde von den Nationalsozialisten im Rahmen des Euthanasie-Programms ermordet. Jochen Proske erläutert den Schülern die menschenverachtende Ideologie, die dahinter steckt und gegen die sich die Märtyrer gewandt hatten. Nach einer Pause steht dann noch der Besuch des Burgtorklosters an, dem historischen Ort der Verurteilung und der zeitweisen Haft.
Irritierende Details aus dem Leben der Märtyrer
Zurück in der Gedenkstätte: Die Jugendlichen werden aufgefordert, auf einem Zettel ein paar wenige Zeilen an eine der historischen Personen zu schreiben, über die sie an diesem Morgen informiert wurden. Sebastian Demgenski ist angetan davon, wie Eduard Müller seinen Weg gemacht hat, obwohl dessen Mutter eigentlich nicht genügend Geld für seine Ausbildung hatte. Und eines ist ihm bewusst geworden: „Die ganzen Menschen, die wir heute kennengelernt haben, die reichen viel mehr in die Geschichte von uns allen hinein als ich vorher dachte.“
Joanna Bretes zeigt sich vom Gefängnishof beeindruckt und vor allem von den Gefängniszellen, die heute noch so wie damals aussehen. Sie schreibt an Hermann Lange: „Mich hat es irritiert, dass Sie ohne Grund gefangen genommen worden sind. Was ich sehr bewundernswert finde: dass Sie, obwohl Sie wussten, dass Sie sterben würden, nicht traurig waren, sondern Briefe an ihre Familien geschrieben haben.“
Auch Diakon Ulrich Bork zieht Bilanz: „Es verstärkt sich bei mir der Eindruck, dass gerade auch wir Hauptamtlichen viel mehr machen müssen, um sowohl diesen Ort als auch die Märtyrer in unserer Kirche bekannter zu
machen.“
Text u. Foto: Marco Heinen