Auf unbekannten Wegen

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Weihbischof Norbert Werbs ist nach Erzbischof Ludwig Averkamp der zweite Bischof des Erzbistums Hamburg, der in der Krypta des Mariendoms bestattet wurde. In einer bewegenden Feier nahm das Bistum Abschied.


Beisetzung in der Krypta des Mariendoms. Nachdem der Sarg des verstorbenen Weihbischofs Werbs in die Grabnische gesetzt wurde, sprach Erzbischof Heße die letzten Segensworte. | Foto: Marco Heinen

„War der Weg auch unbekannt, Her, du hast uns gut geleitet.“ Die Feier, mit der Familie und Kirche von ihrem Bruder und Weihbischof Norbert Werbs Abschied nahm, begann mit dem Niels-Stensen-Lied, geschrieben in Schwerin 1984. Das Stensen- Herz führte Norbert Werbs im bischöflichen Wappen. „Du hast mich auf mir unbekannten Wegen geführt“, betete Niels Stensen im 17. Jahrhundert. Dieser Weg führte den Bischof nach Schwerin. Das ist nicht die einzige Gemeinsamkeit mit seinem „Nachfolger“ Norbert Werbs. Beide standen vor der Aufgabe, den (katholischen) Glauben dort zu verkünden, wo er nur von wenigen Menschen geteilt wurde.

Einen Wegbegleiter der Gegenwart begrüßte Erzbischof Stefan Heße zu Beginn der Predigt: den emeritierten Erfurter Bischof Joachim Wanke. Ein Jahr jünger als Norbert Werbs, gehörte er zu den Bischöfen, die Norbert Werbs bei dessen Bischofsweihe 1981 in der Rostocker Christuskirche die Hände auflegten.

Die Frage: Welche Aufgabe stellt die entchristlichte Umwelt an die Christen von heute? Diese Frage stellte sich beiden. Zu Anfang hieß das: Als Kirche in der DDR leben und überleben. Viele der 400 Gläubigen, die zum Requiem gekommen waren, erinnern sich an das Wirken des Pfarrers und Weihbischofs in dieser Zeit. Dem Staat gegenüber vertrat Norbert Werbs eine deutliche Haltung – etwa, wenn es um die Genehmigung einer Fronleichnamsprozession in Neubrandenburg ging. Den Menschen gegenüber, die unter dem kirchenfeindlichen Druck lebten, wollte er entgegenkommen und suchte Wege der Versöhnung, – etwa für Katholiken, deren Kinder zur Jugendweihe gegangen waren.

Orientiert an den Gaben der Gläubigen

Die sprichwörtliche Genauigkeit des Schweriner Weihbischofs äußerte sich nicht nur in der Kontrolle von Abrechnungen und Baumaterial. „Er war ebenso genau, wenn es um theologische Begründungen oder um die Wiedergabe historischer Fakten ging“, so Dr. Georg Diederich, ehemaliger Innenminister von Mecklenburg-Vorpommern und Leiter des Heinrich-Theissing- Instituts. „Was er sagte, war immer durchdacht und begründet. Und das galt nicht nur für seine Predigten. So waren wir bestens beraten, wenn wir ihn zum Beispiel für das Korrekturlesen unserer Publikationen gewinnen konnten.“

Das Machbare angesichts der gegebenen Bedingungen tun, das war das Anliegen dieses Hirten. „Er vertrat eine Pastoral, die sich an den Gaben und Möglichkeiten der Gläubigen orientierte“, sagt Rudolf Hubert, heute Referent für Caritaspastoral. „Ob in der Messdienerausbildung, Gruppenleiterschulungen, im Religionsunterricht oder theologischen Fernkursen. Weihbischof Werbs ermutigte und inspirierte nachhaltig mit geistlichen Impulsen. Und er fragte mit großer Beharrlichkeit nach den Grundlinien, Inhalten, Zielen. Wo soll es hingehen?“

Der „unbekannte Weg“ führte Norbert Werbs zu nicht vorhersehbaren Aufgaben. Die friedliche, auch von Christen angeführte Revolution stürzte die SED-Regierung. Es gab neue Hoffnung und bald auch Enttäuschung. Erzbischof Stefan zitierte eine Aussage des verstorbenen Weihbischofs, die ihn sehr beeindruckt habe: „Bei der Wende haben wir gedacht, das System bricht, die Leute sind frei, und jetzt werden sie alle zu uns kommen. Und nichts von dem, was ich gehofft habe, ist eingetreten.“

Die politische Wende brachte aber auch neue Möglichkeiten. Kirchen wurden gebaut. Die Caritas Mecklenburg, deren Vorsitzender Norbert Werbs seit 1983 war, baute ihr Angebot erheblich aus. Und das Erzbistum Hamburg entstand. Die längste Strecke seines priesterlichen Weges, 27 Jahre lang, war Norbert Werbs Weihbischof des neuen Bistums im Norden. Erst im vergangenen Jahr, berichtete Erzbischof Stefan, habe sich Norbert Werbs dafür entschieden, nicht in Schwerin, sondern in der Bischofsgruft des Hamburger Mariendoms bestattet zu werden.

ANDREAS HÜSER