Sagrada Familia wird wegen Corona nicht fertig
Berühmte Dauerbaustelle steht still
Die Sagrada Familia in Barcelona wird wegen der Corona-Pandemie wohl noch länger als geplant unvollendet bleiben. Eigentlich hätte sie zum 100. Todestag des Architekten Antonio Gaudi 2026 fertig werden sollen.
Barcelonas freier Fall vom "Übertourismus" in eine Ödnis des Fremdenverkehrs hat nicht nur Handel und Gastgewerbe in Schieflage gebracht. Durch die Corona-Krise und Spaniens anhaltenden Status als Risikogebiet bleiben Flugreisende ebenso wie die großen Kreuzfahrtteilnehmer aus. Das trifft auch die Sagrada Familia hart, die "Sühnekirche" des Architekten Antonio Gaudi (1852-1926), dessen Vermächtnis seither der Fortbau des Monumentalbaus ist. Die Planung sah ursprünglich vor, das ambitionierte Jahrhundertwerk pünktlich zu Gaudis 100. Todestag im Jahr 2026 zu vollenden. Doch wird diese Ehrerbietung an den überschwänglich "Architekt Gottes" Genannten nach den neuesten Entwicklungen nicht glücken.
Seit Monaten stehen auf einer der berühmtesten Dauerbaustelle der Welt die Räder still. Laut dem Beauftragten der Baukommission, Esteve Camps, ist die Wiederaufnahme der Arbeiten für Ende September oder Anfang Oktober angesetzt.
Kopfzerbrechen bereiten den Verantwortlichen die eingebrochenen Finanzquellen, von denen der Baufortgang abhängt. Die beiden Säulen sind Spenden und vor allem die Eintrittsgelder für den Besuch der Heiligen Hallen. Hier ist es durch die Pandemie zu einem gravierenden Einbruch gekommen, nicht nur wegen Spaniens monatelangem Lockdown ab März.
Passierten im Juli des Vorjahres im Schnitt 15.600 Besucher pro Tag die Tore der Basilika, so waren es nach der Wiedereröffnung der Sagrada Familia in diesem Juli nur noch rund 2000. Im August und September hat sich das Bild nicht wesentlich verändert; nicht ein einziges Mal sind die Besucherzahlen laut Camps im Laufe des Feriensommers über die 3000er-Marke gegangen.
Der Wegfall des internationalen Zustroms ist dabei eine Sache, der signifikant erhöhte Eintrittspreis eine andere. Japaner und US-Amerikaner - die zurzeit ausbleiben - mögen 26 Euro gemeinhin bereitwillig zahlen. Für manch spanischen Inlandstouristen hat der stolze Preis aber einen Abschreckungseffekt.
Besserung beim Zulauf ist nicht in Sicht; die Zahlen dürften im Herbst eher weiter sinken. Ab November, so Camps, sollen über eine Werbeoffensive mehr Leute in aller Welt zu Spenden aufgerufen werden. Auf der mehrsprachigen Website der Sagrada Familia ist standardmäßig eine Spendenfunktion eingerichtet - und wer weiß: Vielleicht zeigen auch die derzeit bis Sonntag laufenden kostenlosen "Tage der Offenen Tür" einen Effekt, um das lokale Publikum zu Spenden zu animieren; 3000 Besucher waren zum Nulltarif zugelassen worden.
25 Meter fehlen bis zum Abschluss
In welcher Form die Arbeiten in Zukunft vorangehen, vermag niemand vorherzusagen. Fest steht, dass die Baukommission 2019 noch über einen Jahresetat von 100 Millionen Euro verfügte, während er mit Blick aufs kommende Jahr auf 17 Millionen Euro geschrumpft ist. "Wir halten aber an der Hoffnung und Verpflichtung fest", betonte Camps vor Medienvertretern. Die Baukommission habe im Laufe der Geschichte schon "sehr schwere Phasen" erlebt, doch stets sei das Projekt Gaudis "in größerem oder kleinerem Rahmen weiter Wirklichkeit" geworden. Die Corona-Krise bedeute da "keine Ausnahme".
Nächster großer Schritt ist die Fertigstellung des Marienturms, die für Ende 2021 ins Auge gefasst ist. Das markiert buchstäblich einen weiteren Höhenflug der Architektur im Sinne Gaudis, denn der Turm ist mit 138 Metern der zweithöchste des geplanten Ensembles. Der wesentliche Teil steht bereits, es fehlen nur noch 25 Meter bis zum Abschluss. Die Krönung wird ein zwölfstrahliger Stern aus Stahl- und Glaselementen sein, der sich bei Dunkelheit illuminieren lässt. Wenn die Basilika dereinst fertiggestellt wird, soll der noch verbleibende, Christus geweihte Hauptturm mit 172,50 Metern der höchste Kirchturm der Welt sein.
Doch bis dahin wird noch viel Zeit vergehen. Ob und wie sich die Finanzlage entspannt und in welchem Maß sich die Bauverzögerungen durch Corona im gesamten Zeitplan auswirken, ist nicht vorhersehbar. Womöglich werden darüber mehrere Jahre verstreichen. Ein neuer Aufhänger könnte zur Not 2032 sein - der 180. Geburtstag von Gaudi.
kna/Andreas Drouve