Über Christsein ohne Auferstehungsglauben

Bist du sicher, lieber Paulus?

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„Wie können einige von euch sagen: Eine Auferstehung der Toten gibt es nicht?“ Paulus ist empört und schießt heftig zurück: „Dann ist Glaube nutzlos!“ Aber ist das so – damals in Korinth und heute bei uns?

Foto: kna/Jörg Loeffke
Nicht jedem fällt es leicht, an ein Wiedersehen bei Gott zu glauben. Kann man trotzdem Christ sein? Foto: kna/Jörg Loeffke

Von Susanne Haverkamp

In der Wochenzeitung „Die Zeit“ gibt es seit einigen Ausgaben eine erbitterte Debatte über ein religiöses Thema, und die vielen Leserbriefe zeigen, wie sehr es die Leute bewegt. Ausgangspunkt war ein längerer Beitrag rund um Weihnachten, in dem sich eine (evangelische) Autorin darüber beklagte, wie oft sie in der Kirche Sozial-, Flüchtlings- und Klimapolitik verkündigt bekommt statt die frohe Botschaft.

In der Woche darauf stimmten ihr einige Leserbriefschreiber dankbar zu, andere protestierten gegen die Auffassung, dass gesellschaftliche Probleme im Gottesdienst nichts zu suchen hätten. Ergänzend dazu schrieb ein anderer (evangelischer) Autor einen Artikel darüber, dass Jesus, so weit wir wissen, das Handeln in den Mittelpunkt seines Wirkens gestellt habe. In seinem eigenen Tun, aber auch in seiner Predigt. Der barmherzige Samariter, das Gleichnis vom Weltgericht – überall gehe es um praktisches Handeln in menschlichen Notlagen.

Und wieder war die Leserbriefseite voll. Gleich mehrmals war der Tenor folgender: Obdachlose unterbringen, Nackte bekleiden, Hungrigen Lebensmittel zuteilen – das kann auch der Sozialstaat, die Arbeiterwohlfahrt oder eine humanitäre Initiative. Die Kernkompetenz der Kirche sei dagegen der Glaube an die Auferstehung. Dieser Glaube sei die Basis des Christentums; wenn sie nicht mehr laut und deutlich verkündet würde, könne man den Laden gleich schließen.

Die gleiche Frage seit 2000 Jahren
 
Es ist verblüffend, wie sehr sich die Debatte in einer Zeitung im Jahr 2022 und die Debatte in der Gemeinde von Korinth im Jahr 54 nach Christus ähneln. Was ist das Wichtigste am Christentum? Was ist der Kern dieses Glaubens? Oder noch anders: Kann man Christ sein, ohne an die Auferstehung zu glauben?

Für Paulus sind diese Fragen ganz eindeutig zu beantworten. Mit fast brutaler Härte schreibt er: „Wenn aber Christus nicht auferweckt worden ist, dann ist euer Glaube nutzlos.“ Und was für die Auferweckung Christi gilt, gilt ebenso für die Auferstehungshoffnung für uns alle. Paulus schreibt: „Wenn wir allein für dieses Leben unsere Hoffnung auf Christus gesetzt haben, sind wir erbärmlicher dran als alle anderen Menschen.“

Dass Paulus den Auferstehungsglauben als Dreh- und Angelpunkt des Christentums einschärft, zeigt: Er war schon damals umstritten. Es gab offensichtlich in Korinth eine nicht unerhebliche Zahl von Christen, die die Botschaft Jesu schätzten, möglicherweise tagtäglich nach ihr lebten, denen aber die Sache mit dem Weiterleben nach dem Tod zu weit ging. Paulus sagt: Halt stopp, so weit geht die Vielfalt der legitimen Glaubensmeinungen nicht. Ohne Auferstehung ist Glaube nutzlos.

Die Lesung aus der Apostelgeschichte ist auch deshalb heute noch provozierend, weil in unserer naturwissenschaftlich-kritischen Weltsicht die Auferstehung der Toten noch viel schwieriger zu glauben ist als in der Antike, in der es von magisch-mystischen Geschichten nur so wimmelte. Repräsentative Umfragen dazu, wie viele Deutsche an die Auferstehung glauben, belegen das, denn die Ergebnisse sind regelmäßig ernüchternd – auch unter Christen.

Schwache Quoten auch unter Christen
 
Zum Beispiel im April 2019. Auf die Frage, ob sie glauben, dass Jesus wirklich von den Toten erstanden ist, antworteten nur 28 Prozent der katholischen und 23 Prozent der evangelischen Befragten mit „Ja“; Mitglieder der Freikirchen glauben es immerhin zu 55 Prozent. Oder kurz vor Ostern 2021. Rund 2000 Erwachsene sollten Stellung beziehen zu dem Satz: „Der christliche Auferstehungsglaube trägt mein Leben.“ 31 Prozent der Katholiken stimmten diesem Satz zu, 48 Prozent widersprachen ausdrücklich, der Rest schwankte dazwischen. Auch diesmal lagen die Mitglieder der Freikirchen an der Spitze. 52 Prozent fühlen sich vom christlichen Auferstehungsglauben getragen.

Diese Zahlen würde ich gern Paulus vorlegen und ihn fragen: Bleibst du dabei, dass christlicher Glaube ohne Auferstehungshoffnung nutzlos ist? Wahrscheinlich ist er defizitär, unperfekt, ausbaufähig – aber nutzlos? Und um welchen Nutzen geht es überhaupt?

Ich würde Paulus an all die Christen ohne Auferstehungsglauben erinnern, die den Seniorenkaffee vorbereiten oder Jugendfreizeiten begleiten; die im Obdachlosentreff oder der Kleiderkammer mitarbeiten; die Flüchtlinge unterstützen, Kranke besuchen und Geld spenden – und die all das tun, weil sie sich an Jesus orientieren wollen, weil sie seine Botschaft der Liebe und Sorge füreinander für wichtig und richtig halten. Ist ihr Glaube an ihn und sind ihre guten Werke nutzlos, nur weil sie es nicht schaffen, die Auferstehung in ihr Herz und ihren Kopf zu bekommen?

Ob du es glaubst oder nicht

Vielleicht würde Paulus dann seine harsche Aussage überdenken. Vielleicht würde er sagen: „Ich meinte das anders. Natürlich sind Taten der Liebe immer sinnvoll. Was ich meinte, ist die Sündenvergebung. Denn ich glaube daran, dass durch Kreuz und Auferstehung die Schuld der Welt hinweggenommen wurde und wir seitdem alle zum Heil berufen sind.“

Dann, Paulus, könnte ich mitgehen. Dann könnte ich stellvertretend für die mitglauben, denen die Auferstehungshoffnung fehlt. Die im Geiste Jesu Gutes tun, ohne dafür mit Belohnung im Jenseits zu rechnen. Die im Leben auf Jesus setzen und damit für sich und andere gut dran sind. Ich könnte ihnen sagen: „Ob du es selbst glaubst oder nicht: Christus ist auferstanden und du wirst es auch. Ob du es glaubst oder nicht: Dein Lohn im Himmel wird groß sein!“