Mit Zeitungsannoncen und Bischofsbrief

Bistum sucht Missbrauchsbetroffene

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Das Bistum Magdeburg geht in Fragen der Aufklärung von Verbrechen, die durch Kirchenmitarbeiter begangen wurden, neue Wege. Per Zeitungsannoncen und Bischofsbrief werden Betroffene gesucht.


Der Magdeburger Bischof Gerhard Feige (Foto: Harald Oppitz/KNA)



Das Bistum Magdeburg verstärkt seine Suche nach Betroffenen von sexualisierter Gewalt durch Kirchenmitarbeiter. So rief es am letzten Wochenende per Zeitungsanzeige betroffene Männer und Frauen auf, sich an einer neuen Aufarbeitungskommission für solche Straftaten zu beteiligen. Bischof Gerhard Feige sprach diese Bitte auch in einem Brief an die Gemeinden und Einrichtungen des Bistums aus.

Bislang sind dem Bistum 34 Frauen und Männer bekannt, die seit 1946 betroffen waren. Für die Aufarbeitungskommission mit derzeit fünf Fachleuten fanden sich jedoch noch nicht, wie vorgesehen, zwei Betroffene. Auch ein Betroffenenbeirat konnte deshalb noch nicht gebildet werden. Deshalb veröffentlichte das Bistum unter anderem in der „Magdeburger Volksstimme“ (Ausgabe vom 19. Februar) auf Seite 2 eine zweispaltige Anzeige unter dem Titel „Betroffene gesucht“. Darin verweist es auf die im vergangenen Herbst berufene „unabhängige Kommission“, die aufklären soll, was auf dem Gebiet des Bistums sexualisierte Gewalt ermöglicht und einen sachgerechten Umgang damit behindert hat. „Das Bistum Magdeburg bittet Betroffene, sich an diesem wichtigen Aufarbeitungsprozess zu beteiligen“, heißt es in der Anzeige.

Kommission nötig, um systemische Faktoren deutlich zu machen

In dem ebenfalls am Wochenende veröffentlichten Brief an die Gemeinden und Einrichtungen des Bistums erklärt Feige, die Aufarbeitungskommission solle die „systemischen Faktoren“ deutlich machen, „die diese schrecklichen Straftaten ermöglicht, den sachgerechten Umgang mit ihnen behindert und damit das Leid der Betroffenen noch vermehrt haben“. „Eine sinnvolle Aufarbeitung dieser Straftaten ist aber nur mit den konkreten Erfahrungen von Betroffenen sinnvoll“, betont Feige. „Ohne ihr Erfahrungswissen kann Aufarbeitung nicht gelingen.“ Der Bischof ruft alle Gläubigen zur Unterstützung auf, „indem sie Betroffenen, mit denen sie ins Gespräch kommen, zuhören und sie auf die Möglichkeiten zur Aufarbeitung dieses Unrechts hinweisen“.

Nach Feiges Angaben wurden auf dem Gebiet des Bistums Magdeburg seit 1946 solche Straftaten von 13 Priestern sowie 23 davon betroffene Frauen und Männern bekannt. Publik geworden seien diese Fälle nur durch die Betroffenen, in den Personalakten des Bistums habe es keine konkreten Hinweise darauf gegeben. Zwölf der beschuldigten Priester seien bereits gestorben, der einzige noch lebende dürfe seit Bekanntwerden der Vorwürfe keine priesterlichen Aufgaben mehr wahrnehmen. Strafrechtlich habe er wegen Ablauf der Verjährungsfrist nicht mehr belangt werden können. Seit 1994 seien alle im Bistum aufgetretenen Fälle mit noch lebenden Tatverdächtigen den Ermittlungsbehörden vorgelegt worden.

Drei Priester seien zudem wegen der Nutzung von Kinder- und Jugendpornografie straf- und kirchenrechtlich belangt worden, so Feige weiter. In den vergangenen 15 Jahren seien den Behörden auch zehn Fälle von sexueller Gewalt durch weitere Kirchenmitarbeiter ohne Weiheamt gemeldet worden, bei denen elf Betroffene bekannt geworden seien.

Von Gregor Krumpholz

Telefon der Aufarbeitungskommission: 03 91 / 99 04 70 45 oder betroffene@aufarbeitung-im-bistum-magdeburg.de