Bohnen für ein besseres Leben

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Rafael Jurado, Sozialarbeiter der katholischen Kirche in Kolumbien, im Gespräch mit dem Journalisten Klaus Böllert (Katholisches Rundfunkreferat) und Dolmetscher Dominik Fromm.
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Foto: Andreas Hüser

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Rafael Jurado, Sozialarbeiter der katholischen Kirche in Kolumbien, im Gespräch mit dem Journalisten Klaus Böllert (Katholisches Rundfunkreferat, links) und Dolmetscher Dominik Fromm.

Wer für die Misereor-Fastenaktion spendet, unterstützt damit unter anderem die Arbeit von Rafael Jurado. Der Sozialarbeiter setzt sich für Kleinbauern in
Kolumbien ein. Bei einem Besuch in Norddeutschland hat er davon berichtet.

Rafael Jurado lebt gefährlich. Würde er seinen Job – bäuerliche Familien unterstützen – in Deutschland tun, wäre er überall beliebt und geschätzt. Aber der Sozialarbeiter tut diese Arbeit im Südwesten Kolumbiens. Dort hat er mit vielen Gegnern zu kämpfen. Er kämpft gegen die Armut der kleinen Bauern, gegen ihre Missachtung und gegen die Gleichgültigkeit des Staates, gegen die Landflucht, gegen den Raubbau an der Natur und gegen die großen Plagen seines Landes: Drogenhandel, Menschenhandel, bewaffnete Banden und Guerillakrieg. 

Dreimal hat Rafael Jurado schon Morddrohungen erhalten und die Aufforderung, seine Arbeit einzustellen und zu verschwinden. „Sehr viele Aktivisten, die für die Menschenrechte der Ärmsten eintreten, wurden in den letzten Jahren ermordet oder entführt“, berichtet er. „Seit Beginn 2023 sind allein in unserer Region Nariño 124 Menschen ermordet worden.“ Weshalb er trotz der Drohungen weitermacht? „Wir können uns gar nicht leisten, Angst zu haben“, sagt Jurado. „Wir müssen weitermachen. Aber wir setzen auch auf die Unterstützung der Menschen und der Kirche vor Ort.“ 

Der Sozialarbeiter setzt außerdem auf die Unterstützung der Katholiken in Deutschland. Deshalb war er eine Woche lang für die Fastenaktion Misereor zu Gast im Erzbistum Hamburg. 

In Schulen, Gemeinden, auch in der spanischen Mission in Hamburg, hat er von seiner Arbeit erzählt. Jurado koordiniert ein großes Team in der Landpastoral in der Region um die Stadt Pesta. Pastoral bedeutet in erster Linie: kleinbäuerlichen Familien zu einem menschenwürdigen Leben zu verhelfen. Etwa, in dem sie ihre Rechte geltend machen. Oder, indem die Kinder die Chance auf Schulbildung bekommen. Sehr wichtig, erläutert Rafael Jurado, sei die Lebensmittelproduktion und Anbauweise der Bauern. 


Die eigene Ernte macht Bauern unabhängig


Sein Team hilft den Bauern, ihre kleinen Betriebe wirtschaftlich gut aufzustellen. Und es zeigt, wie man mit wenigen Mitteln hochwertige und gesunde Früchte anbaut, ohne dabei die Böden zu schädigen. Die kolumbianische Landwirtschaft setzt vor allem auf den Anbau von Exportgütern wie Kaffee, Zuckerrohr, Avocado und Agaven, aus denen Textilfasern gewonnen werden. Die großen Monokulturen fressen große Flächen und arbeiten mit chemischen Unkrautvernichtungsmitteln und Dünger. 

Mit Hilfe der Landpastoral haben viele Kleinbauern ihre Arbeit umgestellt. Sie haben Kürbis, Lauch, Bohnen, Kohl, Orangen und Kräuter gepflanzt. Die Ernte deckt einen großen Teil des Eigenbedarfs. Im Stall werden auch noch Hühner und Meerschweinchen gehalten (gegrillt ist der Nager eine regionale Delikatesse). Die Bauern, die sich in dieser Weise neu aufstellen, bleiben nicht allein. „Dadurch, dass immer mehr Familien Teil von diesem Prozess werden, entwickelt sich automatisch auch ein Lebensplan für die Gemeinschaft als Ganzes“, erklärt Rafael Jurado. „Dieser Gesamtplan wiederum hilft der Gemeinde, ihre Ressourcen zu steuern und besser auf die Grundbedürfnisse der Bevölkerung vor Ort einzugehen.“ Zum selbstbestimmten und würdigen Leben gehört auch die Bildung, angefangen beim Schulbesuch der Kinder. Das Ziel der Arbeit ist in Kolumbien einstweilen ein Traum: „Dass alle Kinder die Grundschule abschließen können; dass mehr Jugendliche auch eine weiterbildende Schule besuchen und erfolgreich abschließen können, damit sie später studieren können; und dass wir alle in Frieden leben und unsere Konflikte demokratisch lösen können.“

Was in Westeuropa selbstverständlich ist, trifft in Kolumbien auf große Widerstände. Kolumbien ist nicht nur das zweitgrößte Land Südamerikas, sondern auch der weltweit größte Kokain-Produzent. Mit dem Anbau und der Verarbeitung von Koka lässt sich viel Geld verdienen. Der „Narcotrafico“ (Drogenhandel) und der Drogenkosum sind eine Quelle der Gewalt und des bis heute blühenden Bandenwesens. Rafael Jurado spricht von einer „Kultur des Drogenhandels“, in die auch die Politik und die Unterhaltungsbranche verstrickt seien. Er und seine Leute geben aber nicht auf. Sie arbeiten weiter für ihr Ziel „menschenwürdiges Leben für Kleinbauern in Kolumbien“. Um diesem Ziel ein Stück näher zu kommen, setzt der Kolumbianer auch auf die Hilfe der Katholiken in Norddeutschland. „Die Kirche auf der ganzen Welt muss zusammenarbeiten, um Landarbeiter zu unterstützen“, sagt er. „Daher laden wir in der Fastenzeit alle Katholiken dazu ein, für Misereor zu spenden, damit weiterhin verschiedenste Initiativen auf der Welt unterstützt werden können.“ 

www.misereor.de

Andreas Hüser