Tag der offenen Moscheen 2023
Brückenbauer für ein friedliches Miteinander
Foto: Jörg Sabel
Welche Speisegesetze gibt es im Islam? Büsra Kabaktepe nimmt das Mikrofon in die Hand, um die Frage des Moderators zu beantworten. Kurz erklärt sie die bekanntesten. Nicht erlaubt sind alle Speisen mit Schweinefleisch. Auch manche Arten von Wackelpudding, Kartoffelchips und Gummibärchen gehören dazu, wenn sie Zutaten vom Schwein oder von nicht islamkonform geschächtetem Rind beziehungsweise Lamm enthalten. Ebenso tabu ist Alkohol. Fällt ihr der Verzicht schwer? Nein, überhaupt nicht, sagt Büsra Kabaktepe und lächelt. Ernährung gehört für die junge Muslima zur Glaubenspraxis.
Vor dem Rathaus in Osnabrück bieten Juden, Christen, Muslime und Bahá‘í-Gläubige an diesem Sonntagnachmittag Musik, Tanz und Informationen. An langen Tischen können religionsspezifische Speisen verkostet werden. Eingeladen hat der „Runde Tisch der Religionen“. Büsra Kabaktepe engagiert sich gelegentlich in dem Gremium, ihr Mann Yasin ist dort Mitglied.
„Wir haben den Vorteil, beide Seiten zu kennen“
„Wir sind in Deutschland geboren, aufgewachsen und sozialisiert; wir sind türkisch-deutsch, muslimisch-deutsch und haben den Vorteil, beide Seiten zu kennen“, sagt Büsra Kabaktepe und fügt gleich hinzu: „Uns ist es ein großes Bedürfnis, Brücken zu bauen und Begegnungen zu fördern.“ Die 26 Jahre alte gebürtige Hannoveranerin lebt seit ihrer Hochzeit vor zwei Jahren in Osnabrück. Sie macht ihren Master in Klinischer Psychologie und kann sich vorstellen, später im Bereich Systemische Familientherapie zu arbeiten. „Das liegt mir am Herzen, aber bevor ich genaue Pläne mache, will ich erst mal mein Studium beenden“, sagt sie.
Durch ihren Mann hat sich ihr Interesse am interreligiösen Dialog noch vertieft. Yasin Kabaktepe, 30 Jahre alt, ist schon länger am „Runden Tisch der Religionen“ vertreten – zudem ein Bindeglied zwischen Stadt und Merkez-Moschee an der Iburger Straße. Er studiert Biologie und Islamische Theologie auf Lehramt und arbeitet in einem ambulanten Pflegedienst mit, den er mit seiner Mutter gegründet hat. Es handelt sich um einen kultursensiblen Pflegedienst. Das heißt: Pflege, die allen Menschen gerecht werden will, achtet auf kulturelle und religiöse Unterschiede.
Die jungen Eheleute beteiligen sich gern an öffentlichen religiösen Veranstaltungen, beispielsweise an der „Nacht der Religionen“ und dem Fastenbrechen der muslimischen Gemeinden auf dem Osnabrücker Marktplatz. „Wir machen auch wieder mit beim Tag der offenen Moschee“, kündigt Büsra Kabaktepe an. Besuchergruppen seien aber das ganze Jahr über willkommen. Die Kabaktepes führen oft gemeinsam durch ihr Gotteshaus, erklären verschiedene Gegenstände und die Gebetspraxis.
Manchmal wird Büsra Kabaktepe auch auf ihr Kopftuch angesprochen – warum sie es trägt, was es bedeutet. Darauf geht sie gern ein und klärt in dem Zusammenhang auch über die Rolle der Frau im Islam auf. Lieber neugierige Fragen als Anfeindungen auf der Straße. Sie sagt: „Meine Geschwister und ich wurden selbstbewusst erzogen, trotzdem geht es nicht spurlos an einem vorbei, wenn man in der Öffentlichkeit beleidigt wird.“ Aber es spornt sie an, „noch aktiver zu werden, in den Austausch zu kommen und so Vorurteile abzubauen“.
Manchmal warten Leute zehn bis 20 Jahre sehnsüchtig auf die Pilgerfahrt.
Das Ehepaar wünscht sich mehr Normalität im Alltag. „Vielfalt ist in unserer Gesellschaft längst Realität“, sie sollte nichts Besonderes mehr sein im Sinne von: Das haben wir auch noch zugelassen ... Begeistert erzählt Büsra Kabaktepe von ihrem Studienpraktikum in der Ehe-, Familien-, Lebens- und Erziehungsberatung im Bistum Osnabrück. Drei Monate arbeitete sie in der Beratungsstelle in Georgsmarienhütte mit – „in einem tollen Team“, wie sie betont. Die Klientinnen und Klienten wurden gefragt, ob bei den Gesprächen eine Praktikantin dabei sein darf. Dass diese Praktikantin Muslima ist, wurde nicht erwähnt. „Wenn ich dann reinkam, gab es schon mal überraschte Blicke, aber nie eine Situation, die mir und anderen unangenehm war.“
Ganz frisch sind auch noch die Erinnerungen an ihre Pilgerreise nach Mekka. Büsra und Yasin Kabaktepe sind froh und dankbar, „das erlebt zu haben“. Es sei körperlich anstrengend gewesen, aufgrund von Temperaturen um die 45 Grad, aber spirituell bereichernd. Die große Pilgerfahrt, auch Hadsch genannt, gehört zu den fünf Grundpflichten des Islam – neben dem öffentlichen Glaubensbekenntnis, dem täglichen Gebet, dem Fasten im Ramadan und der Unterstützung von Bedürftigen. Gläubige Muslime sollten die Wallfahrt nach Mekka in Saudi-Arabien möglichst einmal im Leben absolvieren, wenn sie finanziell und gesundheitlich dazu in der Lage sind.
Sich diesen Traum zu erfüllen, sei aber gar nicht so leicht, erklärt Yasin Kabaktepe. In diesem Jahr waren die Preise deutlich höher als noch vor der Pandemie. Hinzu kommt, dass in Ländern mit besonders vielen Muslimen, beispielsweise in der Türkei, das Los entscheidet. „Manchmal warten die Leute sehnsüchtig zehn bis 20 Jahre“, sagt Yasin Kabaktepe. Auch wer sich in Deutschland anmelde, müsse bereits mit Wartezeiten rechnen.
Nach dem Eintreffen am Pilgerort umrunden die Gläubigen sieben Mal das wichtigste Heiligtum des Islam, die Kaaba. Das würfelförmige Gebäude im Innenhof der Moschee von Mekka gilt symbolisch als „Haus Gottes“. Anschließend gehen die Pilger ebenfalls sieben Mal den Weg zwischen den Hügeln Safa und Marwa und trinken Zamzam. Mit diesem Ritual wollen sie der Gotteserfahrung Hagars nahekommen, der Nebenfrau Abrahams, der sich mit ihrem Sohn Ismael in der Wüste die rettende Quelle Zamzam auftat. Spiritueller Höhepunkt ist dann das Beten am Berg Arafat.
Wieder zu Hause in Osnabrück, klopften Freunde und Familie an. „So ist das immer nach einer großen Pilgerreise“, sagt Büsra Kabaktepe und lacht. „Die anderen sind neugierig auf die Erlebnisse und teilen die Freude.“ Man kommt also zusammen, tauscht sich aus, isst mitgebrachte Datteln und trinkt gesegnetes Quellwasser.
Was wünscht sich das Ehepaar für den interreligiösen Dialog? Büsra Kabaktepe fällt ein Gebet ein, in dem es heißt: „Allah, mache uns zum Schlüssel für das Gute und zum Schloss für das Schlechte.“ Das versteht sie als Auftrag für alle Religionen: ein Schlüssel zu sein für das Gute, für die Begegnung, den Austausch, das friedliche Miteinander, und ein Schloss zu sein für Feindlichkeit und Vorurteile. „Es wäre schön, wenn uns allen das gelingen würde.“
Zur Sache
Seit 1997 laden in ganz Deutschland am Tag der Deutschen Einheit, 3. Oktober, die islamischen Religionsgemeinschaften dazu ein, Moscheen zu besichtigen und im Gespräch mehr über Religion, die Kultur und den Alltag von Muslimen zu erfahren.
Der Feiertag wurde bewusst gewählt, um zum Ausdruck zu bringen, dass die Muslime sich als Teil des wiedervereinigten Deutschlands verstehen und sich mit allen Nichtmuslimen verbunden fühlen. Begegnungen und Gespräche sollen helfen, mögliche Vorbehalte und Ängste abzubauen.
Termine teilnehmender Moscheegemeinden werden kurz vor dem 3. Oktober veröffentlicht.