Wenn Großeltern der Kontakt zu ihren Enkeln verwehrt wird

„Das tut so weh“

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Oma mit Bild von Enkelin
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Foto: imago/Depositphotos

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Wie bitter ist es, wenn eine Oma ihre Enkelin nur noch von alten Fotos kennt?

Manche Großeltern dürfen ihre Enkel nicht sehen. Weil sie sich mit ihrem Kind zerstritten haben. Oder weil sie mit hineingezogen werden, wenn sich ihr Kind im Bösen von seinem Partner getrennt hat. Drei Omas erzählen, wie sie mit diesem schmerzhaften Problem umgehen und wie sie es zu lösen versuchen.

Drei ältere Frauen sitzen an einem sommerlichen Nachmittag in einem großen Garten. Gern würde die Gastgeberin, Ellen Kuhröder, diesen Garten mit ihrer Enkelin teilen. Gern hätte sie schon vor Jahren einen Sandkasten aufgebaut, mit dem Kind Beeren und Obst geerntet, gebacken und Marmelade gekocht – also all das gemacht, was Großeltern typischerweise mit Enkelkindern tun. Aber Kuhröder und ihr Mann dürfen keinen Umgang mit der Enkelin haben. Schlimmer noch: Sie haben sie tatsächlich noch nie getroffen.

„Die Mutter meiner Enkelin hat sich schon während der Schwangerschaft von meinem Sohn getrennt“, erzählt sie. „Sie wollte das Kind nicht, aber für eine Abtreibung war es zu spät.“ Vom Krankenhaus weg sei das Baby mit dem Eintrag „Vater unbekannt“ zu einer Pflegefamilie gekommen. „Unter zweifelhaften Umständen“, sagt Kuhröder. Zwar habe der Sohn später seine Vaterschaft nachgewiesen und seine Tochter unter Aufsicht sehen dürfen. „Aber Großeltern haben keine eigenen Rechte.“ Seit Jahren schicke sie dem Kind Geschenke zu Weihnachten, zu Ostern, zum Geburtstag, sagt Kuhröder: „Es gab nie eine Reaktion.“ 14 Jahre alt sei ihre Enkelin inzwischen, „und ich habe sie noch nie sprechen dürfen. Das tut so weh.“

Jana Kowalski und Marion Moster, die anderen beiden Frauen am Kaffeetisch, nicken. „Besser, man denkt nicht so viel darüber nach“, sagt Kowalski. „Aber das klappt natürlich nicht.“ Auch bei ihr stecken Probleme zwischen dem Vater der Kinder, Kowalskis Sohn, und seiner früheren Lebensgefährtin hinter dem Kontaktverbot mit den Großeltern. „Dabei waren die beiden jahrelang fast täglich bei uns, sind mit uns in den Urlaub gefahren, zeitweise haben sie sogar bei uns gelebt“, sagt die Erzieherin. Aus verschiedenen Gründen schaltete sich irgendwann das Jugendamt ein, die Kinder kamen in eine Wohngruppe und zu Pflegeeltern. Inzwischen leben sie wieder bei ihrer Mutter. „Sie sagt, die Jungs wollen uns nicht sehen, aber das glaube ich niemals!“

Böse Trennungsgeschichten, in die Großeltern indirekt hineingezogen werden, sind oft der Grund dafür, dass sie den Kontakt zu den Enkeln verlieren. Manchmal ist es aber auch ganz anders. „Ich weiß wirklich nicht, woran es liegt, dass meine Tochter mich nicht mehr sehen will“, sagt Marion Moster. Noch vor wenigen Jahren hätten sie ein ganz normales Verhältnis gehabt. „Aber auf einmal war das alles verschwunden und niemand sagt mir, warum.“ Getroffen habe es sie, „als ein Weihnachtspäckchen für meine Enkelkinder ungeöffnet zurückgeschickt wurde“, sagt sie. „Was immer es ist: Die Kinder können bestimmt nichts dafür.“ Aber Moster hat noch Hoffnung: „Als ich zu Beginn der Sommerferien über WhatsApp einen schönen Urlaub gewünscht habe, kam zumindest ganz schnell ein ‚Danke‘ zurück.“

„Die machen Monster aus uns“

Ellen Kuhröder kämpft seit 14 Jahren um Umgang mit ihrer Enkelin, auch juristisch. „Im Bürgerlichen Gesetzbuch ist festgelegt, dass auch Großeltern ein Recht auf Umgang mit dem Kind haben“, sagt sie. Aber wichtiger noch sind ihr die Rechte der Kinder. „Nach UN-Kinderrechtskonvention und auch nach dem Grundgesetz haben Adoptiv- oder Pflegekinder ein Recht auf Zugang zur Herkunftsfamilie“, sagt sie. Allerdings immer mit der Einschränkung: „Wenn es dem Wohl der Kinder dient“ – und wer beurteilt das? 

„Die machen Monster aus uns“, sagt Jana Kowalski bitter. „Das ist so traurig für die Kinder, die wachsen einfach mit Lügen auf.“

Schon vor Jahren hat Kuhröder aus ihrer eigenen Not heraus eine Selbsthilfegruppe für betroffene Großeltern gegründet; über Flyer und das Internet ist sie gut zu finden. „Im Monat melden sich zwei bis drei betroffene Großeltern telefonisch bei mir“, sagt sie. „Dass Großeltern ihre Enkel nicht sehen dürfen, gibt es nämlich häufiger, als man denkt.“

„Es ist normal, dass Tränen fließen“

In der Gruppe tauschen sich die Omas und Opas über rechtliche Möglichkeiten und den Umgang mit den Jugendämtern aus, darüber, welche Anträge man stellen kann und was Aussicht auf Erfolg hat. „Das ist Spezialwissen“, sagt Kuhröder, die ihre Erfahrungen gern teilt. Auch eine Mediatorin gehört zur Gruppe, die in Konfliktgesprächen vermitteln kann. „Das hat auch schon Erfolg gehabt“, sagt die hochengagierte Frau.

Manchmal hilft es aber auch schon, einander zuzuhören und zu merken: Ich bin nicht allein mit meinen Problemen. „Dass sie keinen Kontakt zu den Enkeln haben, das erzählen die meisten Leute nicht gern, das ist ihnen unangenehm, das ist ein Tabu-Thema“, sagt Kuhröder. „In unserer Gruppe darf man es erzählen und es ist normal, dass dann die Tränen fließen.“

Inzwischen hat sie auch einen Verein gegründet. „Wir wollen in schwierigen Familiensituationen stärken, unterstützen und zusammenführen“, sagt Kuhröder. Damit es möglichst nicht so weit kommt, dass Streit auf dem Rücken von Kindern ausgetragen wird. Benannt ist der Verein natürlich nach ihrer Enkelin.

Susanne Haverkamp

Weitere Informationen zum Thema und Ansprechpersonen finden Sie auf dem bundesweiten Portal www.grosselterninitiative.de