Interview mit Erzbischof Peter Loy-Chong über den Klimawandel
"Das war nicht Gottes Plan"
Peter Loy Chong ist Erzbischof auf den Fidschi-Inseln. Seine Heimat ist vom Klimawandel bedroht. Im Interview erzählt Chong, was er dagegen tut, warum viele Menschen dieses Drama immer noch unterschätzen – und welcher Irrglaube dabei ein Problem ist.
Wie spüren die Menschen auf den Fidschi-Inseln die Folgen des Klimawandels schon heute?
Der Klimawandel hat Auswirkungen auf die Pflanzen. Die Ernten sind oft viel zu gering. In diesem Jahr haben wir eine extrem lange Dürre erlebt. Die Kühe sind total abgemagert, weil ihnen Wasser und Gras fehlen. Und ich weiß von einem Dorf, das wegen des steigenden Meeresspiegels schon komplett umgesiedelt worden ist. Alle Dorfbewohner mussten in eine höherliegende Region ziehen. Und die Umsiedlung von 34 weiteren Dörfern ist geplant.
Wie reagieren die Menschen darauf, dass sie ihre Heimat aufgeben müssen?
Die Menschen wollen das natürlich nicht, aber sie wissen auch, dass sie keine Wahl haben. Sie müssen ihre Heimatdörfer verlassen, und sie müssen natürlich auch die Friedhöfe zurücklassen, auf denen ihre Vorfahren liegen. Sie müssen gehen, und sie müssen mit all den Einschränkungen leben, die diese Umsiedlung mit sich bringt. So ist das Dorf zum Beispiel nicht so aufgebaut, wie wir es kennen – mit einem Platz in der Mitte und den Häusern drumherum. Da ist auf die Traditionen der Fidschis keine Rücksicht genommen worden.
Einigen Ihrer Nachbarn geht es noch schlechter.
Stimmt. Kiribati zum Beispiel ist noch stärker vom Klimawandel betroffen als wir. Die Menschen von Kiribati haben deshalb hier bei uns auf Fidschi schon Land gekauft. Sie müssen in eine fremde Gegend mit einer fremden Kultur ziehen. Sie müssen ein ganz neues Leben lernen. Das wird nicht leicht für sie.
Klingt bitter.
Ja, aber es geht hier halt um Leben und Tod. Nur wenn die Menschen sich bewegen, können sie überleben.
Wenn der Klimawandel so weitergeht wie bisher, wann werden die Fidschi-Inseln dann untergegangen sein?
Wir haben ein kleines bisschen Glück in Fidschi: Wir haben Berge. Der Klimawandel und der Anstieg des Meeresspiegels werden am heftigsten die Menschen treffen, die an der Küste leben – auf Inseln, die keine Berge haben, wie Kiribati, Tuvalu und den Marschallinseln. Es gibt Studien, die zeigen, dass Kiribati in 50 Jahren schon zur Hälfte unter Wasser sein wird. Sehr viele Menschen werden ihre Heimat verlassen müssen. Aber wo sollen sie hin? Das ist die Frage. Das ist ein großes Problem.
Was wollen Sie tun, um die Katastrophe noch zu verhindern?
Wir müssen unsere Stimme erheben und der Welt klarmachen, was hier auf unseren Inseln durch den Klimawandel passiert. Im Moment sprechen die Vereinten Nationen über unsere Probleme und einige Nichtregierungsorganisationen. Aber wir dürfen uns nicht auf sie allein verlassen. Wir müssen dafür sorgen, dass wir selbst gehört werden. Wir müssen lauter werden – so laut, dass die ganze Welt uns hört. Nur wenn wir selbst unsere Botschaft vortragen, hat sie die nötige Kraft. Nur dann wird sie die Herzen der Menschen erreichen. Auf den Marschallinseln gibt es eine junge Frau, die zeigt, was das bringen kann. Sie heißt Kathy Jetnil-Kijiner, ist Dichterin und hat sich zu einer Art Klimawandel-Profi entwickelt. Sie ist jetzt die Stimme ihrer Inselgruppe, die Stimme einer Nation, die nur knapp über dem Meeresspiegel liegt.
Kathy Jetnil-Kijiner verbreitet ihre Botschaft auf Facebook und Youtube, auf Twitter und ihrem Internetblog, sie schreibt Bücher, und sie hat sogar eine Rede beim Klimagipfel der Vereinten Nationen 2014 in New York gehalten. Sie tritt oft vor Politikern auf, und sie erzählt Gedichte und Geschichten, die die Menschen bewegen.
Genau, und wir brauchen viele solcher Stimmen. Wir brauchen Stimmen, die die internationale Gemeinschaft beunruhigen und verstören. Wir müssen dafür sorgen, dass sie aus erster Hand erfahren, was der Klimawandel für uns bedeutet.
Was können Sie als Erzbischof tun, um diese Botschaft zu verbreiten?
Genau darüber sprechen wir in der Pazifischen Bischofskonferenz und in der Arbeitsgemeinschaft der Kirchen von Fid-schi. Wir planen gerade eine Konferenz von Kirchenoberhäuptern und Inselbewohnern von der Küste. In dieser Konferenz wollen wir die Menschen bestärken, ihre Stimme zu erheben. Wir wollen sie handlungsfähig machen. Ich bin überzeugt davon, dass das entscheidend ist.
Papst Franziskus hat mehrfach vor den verheerenden Auswirkungen des Klimawandels gewarnt und gemahnt, die Menschen müssten handeln, um eine Katastrophe zu verhindern. Wie wichtig ist er für Sie?
Der Papst inspiriert und motiviert uns in unserer Haltung. Wir nehmen sehr ernst, was er sagt. Wir wissen genau, wie unendlich wichtig die Umwelt für unser Leben ist und wie eng alles miteinander zusammenhängt: die Menschen, die Tiere, die Pflanzen. Wir sind sehr spirituelle Menschen, und tief in uns spüren wir, wie wertvoll die Umwelt ist – und dass wir den Auftrag haben, die Schöpfung zu bewahren.
Viele Menschen gerade in den Industrienationen tun aber wenig, um die Schöpfung zu bewahren. Sie leben einfach so weiter, als gäbe es kein Problem.
In den Ländern der Ersten Welt laufen immer noch Kohlekraftwerke, um Energie zu erzeugen. Die Probleme, die durch die CO2-Emissionen dieser Kraftwerke entstehen, die spürt aber nicht die Erste Welt. Die spüren vor allem wir. Wir müssen die Konsequenzen tragen, wenn der Meeres-spiegel steigt. Wir sind die Opfer des Klimawandels. Wir sind die Opfer des Lebensstils der Menschen in der Ersten Welt. Jemand aus Deutschland hat mich mal gefragt: Wie viel Prozent der Fidschi-Inseln sind vom Meer umgeben? Na, die ganze Insel natürlich!
Das war dem Fragesteller allen Ernstes nicht klar?
Manche Leute, die in der Ersten Welt mitten auf dem Kontinent wohnen, haben offenbar keine Ahnung davon, was es heutzutage heißt, auf einer Insel zu leben – und sie machen sich offenbar auch nicht besonders viele Gedanken darum, wie es den Menschen dort ergeht. Wenn wir sie nicht aufschrecken mit einer unüberhörbaren Botschaft, dann werden sie so ignorant bleiben, wie sie sind.
Hier und jetzt können Sie Ihre Botschaft schon mal platzieren. Also: Was erwarten Sie von den Menschen in Europa? Was sollen sie tun, damit die Menschen auf den Fidschi-Inseln doch noch eine gute Zukunft haben?
Als Erstes müssen sie mal verstehen, was der Klimawandel für uns bedeutet. Die Welt soll dafür kämpfen, dass wir überleben. Die Welt muss die Stimme der Opfer hören, und sie muss verstehen, wie drängend unser Problem ist.
Verzweifeln Sie manchmal, wenn Sie darüber nachdenken, wie dramatisch Ihre Situation ist?
Ja. Ich weiß, wie dringend etwas passieren muss. Wenn wir nicht bald handeln, ist es zu spät. Dann werden Inseln wie Kiribati und Tuvalu katastrophal betroffen sein. Denn diese Inseln haben keine Berge, auf die die Menschen zur Not ausweichen können.
Wie hilft der Glaube an Gott den Menschen auf den Fidschi-Inseln, mit ihrer Situation klarzukommen?
Die Dringlichkeit des Problems ist noch nicht im Bewusstsein der Menschen angekommen. Genau das wollen wir jetzt ändern.
Wollen Sie damit sagen, dass viele Leute noch gar nicht verstanden haben, wie desaströs die Situation schon ist?
Ja. Bisher haben erst die Eliten unseres Landes ein Bewusstsein für den Klimawandel: Politiker, Kirchenoberhäupter, Mitarbeiter von Nichtregierungsorganisationen. Viele einfache Leute in den Dörfern noch nicht. Das heißt für uns: Wir müssen mehr über den Klimawandel predigen. Wir müssen ihn in jedem Gottesdienst zum Thema machen. Wir müssen den Menschen klarmachen, dass der Klimawandel ein zutiefst christliches, theologisches Thema ist – weil es dabei ja schließlich um die Schöpfung geht und um die Verantwortung, die Gott uns für die Bewahrung dieser Schöpfung gegeben hat.
Bisher aber glauben manche Menschen auf den Fidschi-Inseln ernsthaft, der Klimawandel habe nichts mit dem Verhalten der Menschen zu tun, sondern er sei allein eine Strafe Gottes.
Ja, dieser Irrglaube ist hier weit verbreitet, nach Naturkatastrophen ist er bei den Menschen hier im Pazifik immer wieder zu hören. 2016 hat ein gigantischer Zyklon die Fidschi-Inseln verwüstet. Manche Leute haben diesen Zyklon als Strafe Gottes gesehen. Wir müssen diesen Irrglauben bekämpfen. Wir müssen die Art ändern, wie die Menschen über den Klimawandel denken. Wir sagen ihnen: Der Klimawandel ist doch keine Strafe Gottes! Gott hat diese Welt erschaffen, und als er sie erschaffen hat, war alles gut. Alles war im Gleichgewicht. Und jetzt? Haben die Menschen dieses Gleichgewicht zerstört und mit ihrer Misswirtschaft den Klimawandel befeuert. Das war nicht Gottes Plan.
Andreas Lesch