Menschen mit Behinderungen
Das Wort zur Woche per Video
Schrittweise dürfen die Werkstätten für Menschen mit Behinderungen nach mehreren Wochen wieder öffnen. Im Meppener St.-Vitus-Werk übernehmen die Seelsorger eine wichtige Aufgabe: Sie machen ihnen mit Videos Mut.
Mit einem freundlichen Lächeln winkt Christine Schütte in die Kamera. „Hallo, ich bin’s wieder mit einem neuen Lebenszeichen“, sagt die Pastoralreferentin. In einem kurzen Lied werden die Zuschauer dann „Herzlich willkommen“ geheißen und können sich sicher sein: „Gott ist mit dir“. So beginnen fast alle Videos, die Christine Schütte, Dagmar Peters-Lohmann und Mats Barlage derzeit regelmäßig für den Youtube-Kanal des Meppener St.-Vitus-Werkes produzieren: mit Gottesdiensten, mit einem „Wort zur Woche“ und mit Informationen in einfacher Sprache. Die kurzen Filme sollen den Menschen mit Behinderungen zum Beispiel in den Wohnanlagen Mut machen in der Corona-Krise.
Und das war gerade in den vergangenen Wochen sehr wichtig, wie Marco Strodt-Dieckmann erzählt. Er arbeitet im Vitus-Werk als Kompetenzfeldleiter Wohnen & Lebensgestaltung und weiß daher, wie schwierig die Situation für die Menschen mit Beeinträchtigungen waren und noch sind. Seit Mitte März konnten die 700 Beschäftigten wegen des Betretungsverbotes nicht mehr in ihren Werkstätten arbeiten – die Gefahr, dass sie sich mit dem Virus anstecken, war zu groß. Viele von ihnen gehören zu den Risikogruppen. Und auch für die Wohnanlagen galt ein Kontakt- und Besuchsverbot. Eltern, Kinder, Geschwister, Betreuer durften sich nur am Telefon hören oder per Video-Chat sehen.
Die Menschen mit Behinderungen wurden von heute auf morgen aus ihrer gewohnten Tagesstruktur gerissen. Und es war für viele schwer zu verstehen, warum sie nicht mehr zur Arbeit gehen und keine Freunde außerhalb treffen durften, warum sie in ihren Wohnanlagen bleiben mussten. „Das war eine hohe emotionale Belastung für alle“, sagt Strodt-Dieckmann und ist froh darüber, dass nun die Werkstätten schrittweise mit einem Drei-Stufen-Plan wieder öffnen dürfen. Ab sofort dürfen auch Bewohner in den Wohnanlagen unter Einhaltung strenger Vorgaben wieder Eltern, Angehörigen und gesetzliche Betreuer empfangen.
Große Solidarität in den Einrichtungen
Inmitten der früheren Einschränkungen gab es laut Strodt-Dieckmann eine „ ganz große Solidarität“ in den Einrichtungen. „Daher ist der Lagerkoller bei uns auch ausgeblieben“, sagt er. So sind zum Beispiel die Betreuer aus den Werkstätten statt morgens in die Produktion dann in die Wohnanlage gekommen und haben dort ihre Kollegen darin unterstützt, verschiedene Angebote für die Menschen mit Beeinträchtigungen zu machen. Gemeinsames Kochen schuf eine feste Tagesstruktur, Musik und Sport sorgten für Abwechslung, Basteln und Gartenarbeit halfen gegen die Langeweile. „Da wurde dann bei gutem Wetter auch mal ein Kräuterbeet angelegt.“
Außerdem versuchten die Teams einen kleinen Teil der Produktion in die Wohnheime zu verlagern – mit provisorischen Arbeitsplätzen im Untergeschoss. So hatten zumindest einige das Gefühl: Ich gehe wieder arbeiten.“ Dass die „Stimmung bei uns in den Häusern so gut blieb“, ist nach Worten von Strodt-Dieckmann aber auch der Seelsorge im St.-Vitus-Werk mit ihren zusätzlichen Angeboten zu verdanken.
Er meint damit die zwei Pastoralreferentinnen Dagmar Peters-Lohmann und Christine Schütte, die im Auftrag des Bistums das Projekt „Gemeindenahe Seelsorge“ leiten. Beide hatten in den vergangenen Wochen bemerkt, wie sehr die schwierige Situation, die fehlenden Kontakte, die Ängste und Unsicherheit den Menschen mit Behinderungen zugesetzt haben. „Wir haben uns daher gleich zu Beginn der Krise spontan entschlossen, den Youtube-Kanal von St. Vitus zu nutzen und dort ‚Lebenszeichen‘ zu senden“, sagt Dagmar Peters-Lohmann. Diese „Lebenszeichen“ sind zum Beispiel Gottesdienste zu Ostern und jetzt zu Pfingsten sowie jeden Montag ein aufmunterndes „Wort zur Woche“. Die zwei Seelsorgerinnen erklären darin mit einfachen Begriffen und Bildern das Evangelium vom Sonntag. „Jesus, wir vertrauen auf deine Routenplanung und deine grüne Ampel“, sagt Christine Schütte. Dagmar Peters-Lohmann erzählt vom guten Hirten und wie er uns Menschen beisteht.
„Wir wollen ein Teil von Kirche sein“
Die zwei Frauen arbeiten dabei eng mit Mats Barlage vom Bereich „Gelingende Kommunikation“ zusammen. Gemeinsam nutzen sie für ihre Botschaften die von Annette Kitzinger entwickelten Metacom-Symbole und barrierefreie Computersysteme. Damit konnten die Bewohner zum Beispiel Texte der Bibel und Lieder ganz leicht hören und sehen. Mats Barlage hat zudem „die Flut der Informationen, die über uns hereingebrochen ist“ und manche schwer verständliche Verordnung in einfache Sprache übersetzt. Es gibt Bilder für Abstandhalten, Mundschutztragen und Händedesinfizieren. Mittlerweile verbreiten sich die Videos und Arbeitsergebnisse über einen Verbund der Einrichtungen für Menschen mit Behinderungen, Kollegen und Kirchengemeinden bundesweit. „Wir bekommen positive Rückmeldungen bis runter nach Passau.“
Das unterstreicht auch Marco Strodt-Dieckmann. Und er findet es richtig und gut, dass die Kirche in einem Sozialunternehmen wie dem Vitus-Werk ihren festen Platz hat. „Wir wollen ein Teil von Kirche sein, das hat einen hohen Stellenwert für uns. Wir stehen dahinter, das ist Kern unserer Botschaft.“
Petra Diek-Münchow