Anstoß 22/22

Den Heiligen Geist nicht unterschätzen

Image
SYMBOL_Anstossbild_0.jpg

„Auf dem 102. Katholikentag ist vom katholischen Glauben wenig bis nichts zu spüren.“ Das schrieb jemand am vergangenen Sonntagabend, als der Katholikentag bereits einige Stunden vergangen war, auf Facebook.


Es stellte sich heraus, dass der Verfasser dieser, meiner Meinung nach falschen, Aussage selbst gar nicht beim Katholikentag in Stuttgart war – ich dagegen schon. In einem kurzen Austausch zeigte sich, dass für den Facebookschreiber alles, was mit Veränderung der Kirche zu tun hat, gleichbedeutend damit ist, sich dem Zeitgeist anzudienen. So drückte er sich in etwa aus. Im Übrigen, so schrieb er mir, wäre es nicht seine Aussage zum kaum zu spürenden Glauben, sondern die einer überregionalen Tageszeitung.
Na prima! Er hat gar nicht die vielen tollen Begegnungen, auch mit bis dahin unbekannten Menschen, erlebt. Er war nicht in den Gottesdiensten oder auch nur bei einer der zahlreichen Veranstaltungen, die zum Beispiel für mich und meinen Glauben ein Gewinn waren. Er hat nicht die vielen jungen freiwilligen Helfer erlebt, die sehr engagiert im Einsatz waren. Das Erlebnis, mit so vielen anderen für ein paar Tage sein Leben zu teilen, gemeinsam zu singen, zu beten, zu feiern, einander zuzuhören, voneinander zu lernen und zu sehen, was uns verbindet und zusammenführt, nämlich Gott als Grund unseres Glaubens, das lässt sich nur wenig bis gar nicht adäquat aus der Zeitung erfahren. Ich füge als Bistumserfurterin gleich noch an: der nächste Katholikentag ist 2024 in Erfurt – herzliche Einladung!
Mein Herz ist noch ganz erfüllt von dem, was ich erlebt habe und das kann mir niemand kleinreden. Ich bin aber auch nicht so naiv, die Korrekturbedürftigkeit und die Schwächen eines solchen Großereignisses nicht zu sehen.

Also ist Veränderung fällig – wie bei meiner Kirche überhaupt. Also hier, aber das wissen wir ja nicht erst seit heute, sind Reformen überfällig. Einiges ist schon in Bewegung geraten. Deo gratias! Doch die Angst blockiert noch vieles dringend Veränderungsbedürftige. Wird da der Heilige Geist nicht gehörig unterschätzt? In diesem Sinne: Gesegnete Pfingsten!
 
Andrea Wilke, Erfurt