Erwachsene Täuflinge stoßen oft auf Ablehnung
Die Familie begreift es nicht
Nirgends hat ein Prophet so wenig Ansehen wie bei seinen Verwandten und in seiner Familie, seufzt Jesus im Evangelium. Diese Erfahrung macht oft auch, wer erst als Erwachsener zum Glauben kommt – und Unverständnis erntet.
Von Andreas Kaiser
„Erwachsene Täuflinge und Menschen, die in die katholische Kirche eintreten wollen, geraten in ihrem familiären und im beruflichen Umfeld oft unter einen großen Rechtfertigungsdruck“, sagt der Jesuitenpater Jan Korditschke. Der 44-jährige Priester leitet seit 2017 die Katholische Glaubensinformation (KGI) im Erzbistum Berlin und berät Menschen, die sich für die katholische Kirche interessieren. Auch von Anfeindungen und Ausgrenzung hat er schon gehört. „Für viele Menschen ist die katholische Kirche heute das Synonym für Kinderschändung. Andere begreifen uns sogar schon als Sekte“.
Die Vorbehalte gegen Konvertiten kennt Korditschke aber nicht nur aus seiner Arbeit, sondern hat sie teilweise selbst erfahren. Zwar wurde er als Kind evangelisch getauft. Doch aufgewachsen ist der Priester in einem religiös eher desinteressierten Elternhaus. Gleichwohl entwickelte er früh eine Liebe für das Göttliche.
Die Kirche hat bei vielen einen schlechten Ruf
Schon als Elfjähriger verspürte er, nach dem Besuch einer Messe im Rahmen des Schulunterrichts, das erste Mal den Wunsch der katholischen Kirche beizutreten. „Im November 1987 war das“. Den Tag weiß Korditschke noch wie heute. Vor allem die Feier der Eucharistie hatte es ihm angetan, sagt er: „Als der Priester die Hostie hochhielt, entstand bei mir ein tiefes Bewusstsein, Jesus ist jetzt wirklich hier. Ein ganz heiliger Augenblick.“ In der Gegenwart des Tabernakels habe er zudem „einen großen inneren Frieden erfahren“.
Während sein Vater den Wunsch respektierte, war seine inzwischen verstorbene Mutter über das Anliegen ihres Sohnes „sehr erschrocken“, erinnert sich der Jesuit. „Sie kannte die katholische Kirche eigentlich nur aus Filmen. Da war viel Unkenntnis.“
Diese Erfahrung machen auch Menschen, die sich von Korditschke beraten lassen. Oft müssen sich Täuflinge und Konvertiten für fast sämtliche gefühlte oder tatsächliche Unzulänglichkeiten ihrer Glaubensgemeinschaft verteidigen. „Die Sexualmoral der Kirche. Die fehlende Gleichberechtigung von Mann und Frau. Die hierarchischen Strukturen. Das Amt des Papstes. Man kann gar nicht unterschätzen, wie schlecht der Ruf der katholischen Kirche heute in Teilen der Gesellschaft ist“, sagt Korditschke.
Doch es sind nicht nur die Ressentiments gegen die Institution Kirche. Auch die Vorbehalte gegen das Religiöse an sich seien gewachsen, erklärt der Priester. So sind vor allem für Nicht-Christen etliche biblischen Aussagen kaum oder gar nicht zu verstehen, etwa der Schöpfungsbericht, die Jungfrauengeburt oder die Auferstehung der Toten. Für sie werden Christen gerne mal belächelt oder sogar als Wissenschaftsleugner abgetan.
Die große Gemeinschaft spricht Menschen an
Nach ihren inneren Motiven dagegen werden Konvertiten fast nie gefragt. Dabei spielen sie oft eine große Rolle beim Kircheneintritt. „Viele sind Suchende, haben sich mit verschiedenen Religionen beschäftigt, mit dem Buddhismus zum Beispiel“, sagt Korditschke. „Diese Menschen trauen uns zu, einen Zugang zum Heiligen zu vermitteln, zur Mystik, die Erfahrung von Transzendenz. Und wir sind Weltkirche. Eine große Gemeinschaft über so lange Zeit. Das hat schon was und spricht nach wie vor Menschen an“.
Der Jesuit empfiehlt Neu-Christen daher, wenn es sich ergibt, mit ihren Mitmenschen statt über Dogmen lieber über grundlegende Hoffnungen zu sprechen. Gerade Menschen mit Brüchen im Lebenslauf, bei denen eine Ehe zerbrochen ist oder der Arbeitsplatz verloren ging, könnten den Wunsch nach einem übergeordneten Sinn, nach spiritueller Beheimatung durchaus nachvollziehen. Wenn die Fronten jedoch verhärtet sind, sollte man sich im Bekanntenkreis, so Korditschke, lieber auf die Formel „we agree to disagree“ verständigen, „wir sind uns einig, uneinig zu sein“, und Diskussionen eher aus dem Weg gehen.
Seinen Eltern blieb er ein liebender Sohn
Kommen die Vorbehalte dagegen vom eigenen Partner, bietet der Pater gemeinsame Gespräche an. Denn „eine einseitige Religiosität kann in Partnerschaften zu Belastungen führen. Etwa bei der Wochenendgestaltung oder der Kindeserziehung“, hat er beobachtet.
Wie fruchtbar Begegnungen sein können, weiß der Priester aus eigener Erfahrung. Als sich Korditschke entschloss, Theologie zu studieren, hat er seine Mutter ins Priesterseminar eingeladen und später auch anderen Ordensleuten vorgestellt. Dabei hätten sich oft gute, ganz zwanglose Gespräche ergeben.
Und noch etwas scheint bei der Akzeptanz von Christen in einem nichtgläubigen Umfeld wichtig: der Faktor Zeit. Als Jan Korditschke damals als Elfjähriger zum Pfarrer gegangen ist und ihn fragte, ob er nicht katholisch werden könnte, teilte dieser ihm mit, dass er für eine solche Entscheidung noch nicht alt genug sei. Der Junge sollte bis zur Konfirmation warten und zunächst einmal seine Herkunftskirche etwas genauer kennenlernen, entschied der Geistliche.
Auch wenn er damals enttäuscht war, so weiß Korditschke heute, wie weise und wichtig die Herangehensweise des Pfarrers war: „Er hat Druck aus der Situation rausgenommen.“ Und seinen Eltern im Gespräch signalisiert, dass die Kirche keinesfalls daran interessiert sei, „das Kind gleich einzukassieren“.
Zudem hat Korditschke seiner Familie durch sein Verhalten deutlich gemacht, dass sich durch seinen Glauben nichts an ihrem Verhältnis ändert. „Ich bin meinen Eltern weiter ihr liebender Sohn geblieben.“ Das veränderte mit der Zeit auch den Blick der Mutter. Als ihr Sohn Kaplan wurde, hat sie ihm eine Osterkerze angefertigt. „Aber das war schon ein längerer Prozess“, sagt Korditschke und lächelt. „Zwanzig Jahre hat das gedauert“.