Inga Renner lebt und arbeitet in Rom
Die Liebe ihres Lebens
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Sie könnte viele Geschichten erzählen – lustige, traurige, skurrile. Inga Renner entscheidet sich für eine, an die sie besonders oft denkt. Eines Tages begrüßt sie im Pilgerzentrum in Rom ein deutsches Ehepaar und beglückwünscht es, nach einer langen Fußpilgerreise endlich am Ziel zu sein. Daraufhin umarmt sich das Paar und weint bitterlich. Es stellt sich heraus, dass die beiden im Laufe ihres Lebens alle drei Kinder verloren haben. Durch Krankheit, Unfälle – auf ganz unterschiedliche Weise. Sie hatten sich auf den Weg gemacht, um sich als Paar nicht zu verlieren und um nach den Schicksalsschlägen intensiver mit Gott ins Gespräch zu kommen. „Das war so beeindruckend“, sagt Inga Renner. Ihr sei noch einmal bewusst geworden, was Pilgern bedeutet: eine Auseinandersetzung mit sich selbst und mit Gott.
Für Inga Renner (36) hat sich ein Traum erfüllt. Seit zwei Jahren arbeitet sie im deutschsprachigen Pilgerzentrum in Rom, gleich gegenüber der Engelsburg, am historischen Pilgerweg, der über Jahrhunderte die Pilger zum Grab des heiligen Petrus führte. Inzwischen ist sie stellvertretende Leiterin der Einrichtung. Aufgewachsen in der norddeutschen Kleinstadt Twistringen, war die Gemeindereferentin zuletzt Dekanatsjugendseelsorgerin in Bremen.
Rom ist eine Liebe, die schon lange in ihr schlummert – ihr Herzens-Zuhause seit einem Freisemester während ihres Studiums der Religionspädagogik. „Ich habe seitdem immer meinen Urlaub in Rom verbracht und wusste damals schon, dass ich gern dort arbeiten würde.“ Als das Stellenangebot kommt, ist sie bereits mit ihrem Mann, einem Unteroffizier der Päpstlichen Schweizergarde, liiert. „Nach Rom zu ziehen, war dann in meinem Lebenslauf die logische Konsequenz.“
Die Arbeit im Pilgerzentrum ist wenig vorhersehbar
Es gibt feste Bürozeiten und feste Öffnungszeiten, ansonsten ist der Arbeitsalltag im Pilgerzentrum wenig vorhersehbar. Eher wie eine Wundertüte. Fünf Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter betreuen ankommende Pilger, unterstützen Gruppen bei der Reiseplanung, organisieren Gottesdienste in römischen Kirchen, helfen, Unterkünfte zu finden oder den Pilgerpass auszufüllen, empfehlen Restaurants und vermitteln im Notfall deutschsprachige Ärzte. „Wir sind eine religiöse Einrichtung mit pastoralen Angeboten“, sagt Inga Renner. „Aber Rom ist ja vielfältig, deshalb versuchen wir, breit aufgestellt zu sein.“ Eine der wichtigsten Aufgaben: Rombesucher können auf der Internetseite des Pilgerzentrums Freikarten für Generalaudienzen oder Messen mit dem Papst auf dem Petersplatz reservieren.
Besonders beliebt sind Pilgersprüche zum Mitnehmen. Und es gibt Gebetspatenschaften: „Jemand hinterlässt ein Gebetsanliegen, wir nehmen es mit in eine Kirche und beten dort für die Person.“ Stolz berichtet Inga Renner auch von der Kooperation des Pilgerzentrums mit Gymnasiasten aus Oettingen in Bayern. Die Schüler entwickelten in einem Schulprojekt digitale Stadtrallyes durch Rom. Die Schnitzeljagden konnten bei der internationalen Ministrantenwallfahrt im vergangenen Jahr gleich ausprobiert werden. Nun sieht Inga Renner gespannt auf das gerade begonnene Heilige Jahr 2025. Rom erwartet rund 45 Millionen Pilger und Besucher, davon allein 1,5 Millionen aus Deutschland.
Die Ewige Stadt ist schnelllebig – der Informationsfluss jedoch zäh. „Unser Anspruch ist es, Reisende schnell zu informieren und aktuell zu sein“, erklärt Inga Renner. Das funktioniert nicht immer. Manchmal gibt es auf eine E-Mail monatelang keine Antwort, manchmal sind Einrichtungen geschlossen, die eigentlich geöffnet haben müssten. Oder es geht niemand ans Telefon. Da ist viel Geduld gefragt – „und ich bin nicht die geduldigste Person“, sagt Inga Renner und lacht.
„Wenn ich Metro fahre, betet eigentlich immer jemand den Rosenkranz“
Es ist die Widersprüchlichkeit, die Rom für die 36-Jährige so reizvoll macht. Einerseits beschreibt sie die Stadt als laut, dreckig und chaotisch. Andererseits als einen „Wohlfühlort und total entschleunigend“. Zwar ist ihre Familie nicht in der Nähe, dafür hat sie einen „tollen Freundeskreis“, versteht sich gut mit dem Team im Pilgerzentrum, genießt das schöne Wetter und das gute Essen – „dolce vita“ eben. Heimisch fühlt sie sich vor allem in Santa Maria dell’Anima, der deutschsprachigen Gemeinde mit der Renaissancekirche an der Piazza Navona. Dort ist sie mit ihrem Mann ehrenamtlich tätig und bietet Aktionen und Ausflüge für junge Erwachsene an.
Inga Renner wohnt in der Nähe des Vatikans. Die kurzen Wege kommen ihr als Gästeführerin gelegen. Der Petersdom, schwärmt sie, habe so viel mehr zu bieten als Zahlen, Daten und Fakten. Das zu vermitteln, mache Spaß: „Meine Kirchenführungen sind eher eine Katechese über den Glauben.“
In Rom ist Weltkirche sichtbar. „Es sind unglaublich viele junge religiöse Gruppen unterwegs. Und wenn ich Metro fahre, betet eigentlich immer jemand den Rosenkranz.“ Seit sie in Rom lebt, sagt Inga Renner, habe sie den Glauben noch mehr in ihren Alltag integriert. Und es ist dort ganz normal, für die katholische Kirche zu arbeiten. „Wenn ich das erwähne, fühle ich mich nicht mehr wie ein Unikum.“
Mit Bremen, Twistringen, dem Bistum Osnabrück hält sie weiterhin Kontakt und ist bestens informiert. Neulich empfing sie zwei Pilger aus Lingen im Emsland, die mit dem Fahrrad 1700 Kilometer von Salzburg nach Rom gefahren waren. „Die meisten Besucher im Pilgerzentrum kommen aus Süddeutschland. Wenn dann mal jemand von den Nordlichtern vorbeischaut, ist das immer auch ein bisschen Heimat.“
Inga Renner freut sich, dass das Pilgerzentrum ein positives Bild von Kirche vermittelt. Auch wenn sich nicht alle Wünsche erfüllen lassen, zum Beispiel ein Vieraugengespräch mit dem Papst. „Die meisten Leute sind ganz entspannt, sie sind ja im Urlaub hier“, sagt sie. „Ich habe einfach einen großartigen Job.“
Inga Renner ist Mitarbeiterin des Pilgerzentrums, das 1975 vom Katholischen Auslandssekretariat
der Deutschen Bischofskonferenz eröffnet wurde.