Sieben Jahre Krieg in Syrien
"Die Menschen nicht vergessen"
"Die Menschen brauchen dringend Frieden", sagt Erzbischof Stephan Burger. Seit sieben Jahren tobt mittlerweile der Bürgerkrieg in Syrien.
Trotz der neuen Kriegsschauplätze Afrin und Ost-Ghuta geht die humanitäre Hilfe der Caritas in Syrien weiter. "Wir dürfen die Menschen auch nach sieben Jahren Krieg nicht vergessen. Sondern sie bei allem unterstützen, was Hoffnung zum Leben ermöglicht", sagte der Präsident des Deutschen Caritasverbands, Peter Neher. "Die Menschen kämpfen ums tägliche Überleben und brauchen dringend Frieden", so Erzbischof Stephan Burger.
Burger und Neher hatten in der vergangenen Woche gemeinsam mit weiteren Kirchenvertretern christliche Hilfsprojekte in Syrien besucht, von denen den Angaben zufolge rund 200.000 Menschen profitieren. 2017 betrug der Etat der Caritasprojekte in dem Bürgerkriegsland rund fünf Millionen Euro, die sich aus Spendengeldern, aus Fördermitteln der Bundesrepublik sowie aus Kirchensteuergeldern zusammensetzen.
Gespräche oder Kontakte mit staatlichen syrischen Stellen hatte die Gruppe nach eigenen Angaben nicht. "Das war nicht unser Ziel, sondern uns ging es darum, ein Bild der humanitären Hilfen zu bekommen", so Neher.
Im vom Assad-Regime kontrollierten Teil Syriens, laut Caritas sind das inzwischen etwa 90 Prozent des Staatsgebiets, kann die christliche Hilfsorganisation weitgehend frei arbeiten. Und dabei ohne Ansehen auf ethnische oder religiöse Zugehörigkeit der Bedürftigen helfen. "Das Regime gibt uns diese Freiheit, das ändert aber nichts daran, dass es ein verbrecherisches Regime ist", so Neher.
Caritasbischof Burger zeigte sich erschüttert von der Perspektivlosigkeit weiter Teile der Bevölkerung. Die Versorgung mit elementaren Gütern wie Nahrung, sauberem Wasser oder medizinischer Hilfe sei eine enorme Herausforderung. Derzeit seien geschätzte 13 Millionen Menschen in Syrien von humanitärer Hilfe abhängig, darunter 5,5 Millionen Kinder.
Versorgung der Menschen wird schwieriger
Und der Leiter von Caritas international, Oliver Müller, fürchtet, dass die Versorgung der Notleidenden in den kommenden Monaten noch schwieriger wird. "Mehrere Staaten, allen voran die USA als bislang größter Geldgeber, haben angekündigt, ihre Unterstützung für die von den Vereinten Nationen in Syrien organisierten Hilfen zurückzufahren." Mit scharfen Worten kritisierte Müller, dass Hilfsorganisationen keine sicheren Zugänge zu den Kriegsopfern in Ost-Ghuta bei Damaskus erhalten hätten. "Das ist skandalös. Damit sich dies nicht wiederholt, braucht es mehr internationalen Druck."
Schwierig bleibt, auch dies habe der Besuch deutlich gemacht, die medizinische Versorgung. Beispielsweise gebe es in der 1,4 Millionen-Einwohner-Stadt Homs kein funktionierendes staatliches Krankenhaus. Private Kliniken aber seien für die meisten Menschen unerschwinglich. Auch die Zahl der Behinderten habe sich während der Kriegsjahre mehr als verdoppelt. So bräuchten beispielsweise allein im Großraum Damaskus geschätzte 300.000 Menschen eine Prothese, weil sie ein Körperteil verloren hätten.
Burger erzählte von einem Mädchen, das immer ein Messer bei sich trage, seit seine Eltern von IS-Extremisten mit Macheten getötet worden seien. Sichtlich beeindruckt berichteten die beiden Kirchenvertreter vom selbstlosen Engagement der einheimischen christlichen Caritas-Mitarbeiter und Ordensschwestern: Sie helfen Gefangenen und Behinderten, organisieren Schulunterricht und psychologische Hilfen bei traumatisierten Kindern.
"Vielleicht liegt hier eine Chance für die Zukunft, dass Christen als die Bevölkerungsgruppe wahrgenommen wird, die sich für den Zusammenhalt Syriens einsetzt", so Burger. Doch derzeit fürchteten viele christliche Gemeinden um ihr Überleben. Zu viele Christen seien vor Krieg und Verfolgung der Islamisten geflohen. "Ob und wie Christen und Muslime in einem zukünftigen Syrien zusammenleben können, darauf haben wir bei unserer Reise keine Antworten gefunden. Im Mittelpunkt steht derzeit der alltägliche Kampf ums Überleben", betonte Burger.
kna