Ikonenzeichnen in Erfurt

Die Sehnsucht, Gott zu schauen

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Erstmals wurde im Erfurter Bildungshaus St. Ursula ein Ikonenkurs angeboten. Daran nahmen Interessenten aus Deutschland und der Schweiz teil. Die Leitung hatte der österreichische Künstler Abraham Karl Selig.


Abraham Karl Selig zeigt den Teilnehmern seines Kurses die Schritte, die nötig sind, eine Ikone zu erstellen.    Foto: Michaela Hallermayer

Als der ehemalige Generalvikar Georg Jelich am Abend des 17. Februar im Bildungshaus St. Ursula die fertigen Ikonen segnete, konnte die kleine Gruppe mit Kursleiter Abraham Karl Selig auf schöne, erlebnisreiche Tage zurückblicken. Die sechs Kursteilnehmerinnen und Kursteilnehmer – sie kamen aus verschiedenen Bundesländern und aus der Schweiz – hatten sich für den ersten in St. Ursula angebotenen Ikonenmalkurs „Von der Sehnsucht nach der Schau Gottes“ vom 12. bis 18. Februar angemeldet.

Traditionen der Ostkirchen

Sie pflegen ein ausgefallenes Hobby, gilt doch ihr Interesse den Kult- und Heiligenbildern der Ostkirchen, beispielsweise der griechischen Kirche und der russisch-orthodoxen Kirche. Diese Bilder wollen sie nicht einfach kaufen, sondern selbst gestalten. Georg Jelich nahm die Segnung nicht nach dem doch sehr aufwendigen byzantinischen Ritus vor, sondern nach dem Benediktionale, dem Segensbuch der römisch-katholischen Kirche.

Anfänger im Kurs hatten sich für eine Mariendarstellung entschieden, Fortgeschrittene für Daniel in der Löwengrube und Euphrosyne von Alexandria. Das Geburtsjahr der im ökumenischen Heiligenlexikon aufgeführten Jungfrau, deren Name „die Heitere“ bedeutet, wird um 415 angenommen. In ihrer ägyptischen Geburtsstadt Alexandria soll sie fast vierzig Jahre lang unerkannt als Mann namens Smaragdus in einem Mönchskloster gelebt haben. Michaela Hallermayer, Referentin im Erfurter Bildungshaus, freute sich sehr über die Zusage des bekannten Ikonenmalers Abraham Karl Selig. Der im österreichischen Feldkirch lebende Künstler und Buchautor studierte Theologie, Philosophie und Kunstgeschichte. Zahlreiche Studienreisen führten ihn in die europäischen Länder, die als Heimat der Ikonen gelten. Den Feldkirchener Dom St. Nikolaus ziert die von ihm geschaffene Ikone des Heiligen.

Mischen der Farben und Vergoldung

Gemalt - beziehungsweise gezeichnet – wurde in Erfurt je drei Stunden am Vormittag und drei Stunden am Nachmittag, wobei die Einführung in die Technik ebenso zu jedem Kurs gehört, wie das Mischen der Farben und die Vergoldung. Zwei abendliche Bildungsvorträge vervollständigten das Wochenprogramm.

Ikonen haben Abraham Karl Selig schon immer fasziniert. Aus seiner persönlichen Begegnung vor Jahrzehnten mit dem Ikonenmaler Gustav Hauser, der in Riedlingen, Baden-Württemberg, lebte, entstand eine Freundschaft, die erst mit den Tod dieses Künstlers endete. Als Gustav Hauser in Folge eines Schlaganfalls sprachlos geworden war, bat er damals seinen jungen Freund, künftig gemeinsam zu agieren. Die Fähigkeit zu malen, hatte ihm die Krankheit nicht nehmen können. Also malte er stumm weiter bei seinen Ikonenmalkursen in der ehemaligen Zisterzienserinnen-Abtei Heiligkreuztal. Das Reden, das Erklären übernahm Abraham Karl Selig – eine hervorragende Schule für seine eigenen künftigen Kurse.

Die kleinen in Erfurt entstandenen Kunstwerke blieben nicht dort. Sie haben den Heimweg zusammen mit jenen Menschen angetreten, die sie geschaffen haben: als Vervollständigung ihrer Privatsammlung mit eigenen Werken oder als Anfang für eine solche. „Viele meiner Teilnehmerinnen und Teilnehmer kommen wieder“, berichtete Abraham Karl Selig und fügte hinzu, auch schon Gäste aus Irland und aus Dänemark begrüßt zu haben. Die Kurstermine in seinem Kalender reichen jetzt schon bis ins nächste Jahr.

Beim Abschied haben er und Michaela Hallermayer bereits festgelegt: Auch 2023 wird es im Bildungshaus St. Ursula einen Ikonenmalkurs geben: vom 17. bis 23. Juni.

Von Christine Bose