Erzbischof Koch erklärt Text der DBK zum Ukraine-Krieg

Ein moralisches Dilemma

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Den TAG DES HERRN erreichten Anfragen mehrerer Leser, wie die Erklärung der katholischen deutschen Bischöfe zum Ukraine-Krieg zu verstehen sei. Der Berliner Erzbischof Heiner Koch antwortet.

Ein Mann trägt auf einer Demonstration für Frieden in der Ukraine ein buntes Tuch mit dem Friedenssymbol. Auch den deutschen Bischöfen ist der Frieden ein großes Anliegen.    Foto: kna/Andrea Cova

 

„Wie ist es zu erklären, dass die Bischöfe militärische Gewalt auf einmal ethisch rechtfertigen? Bisher wurde uns immer gepredigt, dass die Botschaft des Evangeliums für absolute Gewaltfreiheit steht?“, formulierte Rudolf Renner aus Senftenberg.

Der Berliner Erzbischof Heiner Koch versteht die Unsicherheit der Gläubigen in Bezug auf Waffenlieferungen an die Ukraine.    Foto: kna/Werner Schüring

Erzbischof Heiner Koch erwidert darauf: „Der Krieg gegen die Ukraine bringt nicht nur unendliches Leid und Ungerechtigkeit, er droht auch, unser ethisches Koordinatensystem infrage zu stellen. Das verfolge ich in der politischen Debatte, das bedrückt mich als Christ und als Bischof im Blick auf das Leid der Menschen und auf die Gedanken der  kirchlichen  Friedensethik. Meine Generation ist gewohnt, die Gewissensentscheidung, den Wehrdienst, also den Dienst an der Waffe, zu verweigern, nicht nur anzuerkennen, sondern als solche hochzuachten. Wie geht das damit zusammen, dass wir deutschen Bischöfe den beabsichtigten Rüstungslieferungen an die Ukraine unsere Zustimmung geben?
Ich verstehe gut, wenn dies irritiert. In der Erklärung, die wir abgegeben haben, warnen wir entschieden: Gewalt und Gegengewalt treiben eine Spirale der Eskalation an, die sehr schnell  außer Kontrolle gerät. Gewiss können Waffen als Mittel der Abschreckung dienen. Aber wer hat in der Hand, dass es dabei bleibt? Immer stehen sie in der Gefahr, Leid und Tod bringend angewendet zu werden.

Kirche kennt Recht auf Selbstverteidigung
Wir stehen unter der Weisung und Verheißung der Gewaltlosigkeit, die Jesus verkündete. Zugleich kennt aber die kirchliche Friedensethik das völkerrechtlich verbriefte Recht auf Selbstverteidigung in Notwehr, wenn ein Land unrechtmäßig angegriffen wird. Auf diesem Hintergrund halten wir deutschen Bischöfe ‚Rüstungslieferungen an die Ukraine […] für grundsätzlich legitim‘.
Wir haben kein Recht, von den Ukrainerinnen und Ukrainern zu verlangen, dass sie sich auf Leben und Tod der kriegerischen Gewalt unterwerfen, die ihnen widerfährt. Das damit verbundene moralische Dilemma lässt sich nicht auflösen. Diejenigen, die über Waffenlieferungen zu entscheiden haben, fordern wir deutschen Bischöfe auf, ‚präzise zu bedenken, was sie damit aus- und möglicherweise auch anrichten. Dies gilt gleichermaßen für die Befürworter wie für die Gegner von Waffenlieferungen.‘ Die grundsätzliche Forderung von uns Bischöfen lautet: ‚der Aggression widerstehen, den Frieden gewinnen, den Opfern beistehen‘. Nicht zuletzt bleibt uns die Hoffnung und die Not des Gebetes. Davon bin ich mehr denn je überzeugt.“

Hier finden Sie die Themenseite der Deutschen Bischofskonferenz zum Krieg in der Ukraine.