Ein Tag zum Auftanken

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Fröhlich feierten jetzt rund 4 000 Ministranten aus ganz Nordwestdeutschland ein buntes Glaubensfest rund um den Osnabrücker Dom. Das vielfältige Programm und ein großes Gemeinschaftsgefühl gaben Aufschwung in schweren Zeiten.


Bischof Bode freut sich über die „große bunte Schar“ vor dem Dom. | Foto: Jörg Sabel

VON ASTRID FLEUTE

Es ist ein Gänsehautmoment. Souverän trägt die 19-jährige Hannah Wulftange aus Hagen a. T. W. ihren Poetry-Slam auf der großen Bühne vor dem Osnabrücker Dom vor. „Kirche regt mich auf“, so beginnt sie kurz vor dem Abschlussgottesdienst ihre Rede und bringt in Reim- und Poesieform auf den Punkt, was sie derzeit an ihrer Kirche stört – und warum sie dennoch bleibt. „Kirche ist oft ziemlich bescheuert, aber wer nur auf der Hassschiene steuert, kann das Meer des Guten niemals sehen“, sagt sie laut ins Mikrofon und fordert: „Kein Kompromiss mehr für alle Seiten, sondern klare Wege, neue Zeiten.“ Bevor tosender Applaus entbrennt, ruft sie den vielen jungen Menschen vor der Bühne zu: „Legt los, seid stark und glaubt.“

„Ohne Weihrauch wäre es langweilig“

Genau das beherzigen die rund 4000 Ministrantinnen und Ministranten aus sieben Bistümern, die zur vierten Nordwestdeutschen Ministrantenwallfahrt nach Osnabrück gekommen sind: Unter dem Motto „Ich glaub an dich“ feiern sie ihren Glauben und ihre Gemeinschaft. Nicht nur der gastgebende Bischof Franz- Josef Bode freut sich über die „große bunte Schar“ und das „unglaubliche Bild“, das sich ihm am Samstag vor dem Dom zeigt: „Lasst uns gemeinsam den Weg neu nach vorne gehen“, ruft er den vielen jungen Menschen zu – auch mit Blick auf die hinter ihm liegende Woche mit Ergebnissen der Missbrauchsstudie in seinem Bistum.

Einen Tag lang bevölkert diese junge katholische Kirche mit ihren bunten Kappen, Westen, Jacken, T-Shirts, Fahnen und Armbändern die Osnabrücker Innenstadt. In Workshops, bei sportlichen Aktionen, in Escape-Rooms, Gesprächskreisen oder an der Cocktailbar begegnen sie einander, tauschen sich aus, lernen sich kennen. Dieses große Gemeinschaftserlebnis sei wichtig, betont Julian Korte aus Osnabrück, Mitglied der „Mini-AG“ im Bistum. Mit Mitstreitern bietet er auf dem Schulhof der Ursulaschule ein „Weihrauch-Tasting“ mit vielen Duftsorten an. Augenzwinkernd meint er: „Ein bisschen Weihrauch gehört dazu, sonst wäre es in der Kirche doch langweilig.“

An verschiedenen Standorten können die Teilnehmer viele Angebote wahrnehmen. Einige lassen sich treiben, andere haben gezielt das Programm durchforstet. Ein wenig Flexibilität ist auch gefragt, denn vor allem vor den Escape-Rooms, in denen die Kinder und Jugendlichen Rätsel und Kriminalfälle lösen können, bilden sich schnell lange Schlagen. Auch die „Altarflitzer“ aus dem emsländischen Geeste haben sich hier eingereiht. Fast komplett ist die Ministrantengruppe angereist. Gruppenleiter Christian Schwindeler sagt: „Es ist wichtig, dass die Kinder mal rauskommen, neue Menschen kennenlernen.“ Das betonen auch Maria, Linda und Enya aus Bad Bentheim und Nordhorn. Die drei Mädchen haben sich im Workhop „Upcycling“ getroffen. Aus einem alten Fahrradschlauch basteln sie bunte Schlüsselanhänger. „Aus Müll mach Neues“ – dieser Titel habe sie angesprochen, erzählen sie. Alle drei finden es „krass, dass so viele Messdiener hier sind. Das hätten wir nicht erwartet.“ In ihrer Klasse sei sie die einzige Katholikin, erzählt Maria.

Biblische Geschichten locker und zeitgemäß erzählt

Den ganzen Tag sind die Ministranten rund um den Dom unterwegs. Wer abseits des Trubels auftanken möchte, kann dies in Kirchen, bei Konzerten oder auch im Bibelerzählzelt tun. Halbstündlich werden hier biblische Geschichten zum Leben erweckt. Im runden schwarzen Zelt verebbt das Stimmengewirr schnell, Ruhe kehrt ein. Interessiert lauschen auch David und Simon aus Hasbergen der Geschichte vom blinden Bartimäus – und sind begeistert: „Das war sehr cool. Viel lockerer und zeitgemäßer“, sagen die beiden Ministranten und ziehen weiter zum nächsten Programmpunkt.

Verantwortlich für den reibungslosen Ablauf des Tages sind die Organisatoren aus dem Diözesanjugendamt rund um Projektleiter Benedikt Kisters. Viele ehrenamtliche Helfer, erkennbar an orangen Warnwesten, betreuen die Angebote, weisen Wege, geben Informationen, vertrösten Wartende. In Talks mit Erzbischof Stefan Heße und Weihbischof Johannes Wübbe haben die Teilnehmer die Möglichkeit, mal einen Bischof kennenzulernen, Fragen zu stellen, Wünsche zu äußern. So geben sie Wübbe, der Vorsitzender der Jugendkommission der Bischofskonferenz ist, einen Beutel voll Wünsche und Anregungen mit.

Die ganze Vielfalt des Tages kann sich Gemeindereferentin Maria Schroer aus Lathen auf ihrem Handy ansehen. Mit 40 Kindern und Jugendlichen ist sie aus ihrer Pfarreiengemeinschaft angereist. Begeistert schicken ihr die Gruppen Bilder von dem, was sie gerade erleben. Mit einem Bus voll guter Laune seien sie schon morgens im Emsland gestartet, erzählt sie: „Kinder und Gruppenleiter haben gesungen. Das sind Tage zum Auftanken – für die Kinder und auch für uns. Kirche ist etwas, was lebendig und interessant ist. Das tut gut – gerade in dieser Woche, in dieser Zeit.“ Die Jugendkirche Münster hat einen digitalen Gottesdienst erstellt. Textvorlagen, Lieder und Gebete stammen von den Teilnehmern der Wallfahrt. Er kann mit Jugendgruppen jederzeit gefeiert werden. www.jugendkirche-muenster.de