Alle 150 Psalmen auf Plattdeutsch

Eine ganz andere Nähe

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Ein Mann vor einem Bücherregal
Nachweis

Foto: Petra Diek-Münchow

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Ob Gemeinde oder privat: Die Psalmen, die Jann Schmidt aus der Lutherbibel übersetzt hat, sind vielfältig einsetzbar.

Jann Schmidt hat 150 Psalmen des Alten Testaments in das ostfriesische Plattdeutsch übersetzt. Für den ehemaligen Präsidenten der evangelisch-reformierten Kirche aus Leer war diese Arbeit ein Herzensprojekt.

„De Psalmen“ steht schlicht auf dem weinroten Einband. Jann Schmidt betrachtet das Foto über dem Schriftzug: ein blauer Himmel über einer Baumreihe, die Morgensonne durchstrahlt die Blätter, über dem Wasserlauf liegt ein wenig Dunst. Ein Bild mit Symbolkraft, das auch gut zum Inhalt passt. Denn die Psalmen aus der Bibel fassen das Leben in allen seinen Facetten in Verse: Freude und Zuversicht, Dankbarkeit und Lob – aber eben auch Kummer, Schmerz und die Ungewissheit, wie es heute, morgen, übermorgen weitergeht. Fast ein wenig wie eine Sprachhilfe in einer sprachlosen Situation. Und nun liegt zum ersten Mal eine Übersetzung aller 150 Psalmen ins ostfriesische Plattdeutsch vor: So wie die Menschen in der Region es sprechen und verstehen. „Das geht viel näher ins Herz“, sagt Schmidt voll Überzeugung.

Gut ein Jahr hat der ehemalige reformierte Kirchenpräsident auf Grundlage der Lutherbibel daran gearbeitet, stets in enger Abstimmung mit einem Kreis plattdeutsch sprechender Pastorinnen und Pastoren aus Ostfriesland. Orientierung gab dem 76-Jährigen dabei eine frühere Sammlung von 60 Psalmen, die der Leeraner Pastor Gerrit Herlyn in den 1980-er Jahren schon einmal ins Plattdeutsche übertragen hatte. Aber manches Wort und manche Zeile von damals passte nicht mehr. „Platt hat sich auch weiter entwickelt. Wir sprechen heute anders als vor 40 oder 50 Jahren“, sagt Jann Schmidt. Und hat gleich ein Beispiel aus dem Psalm 46 parat, in dem von Gott als „unsere Zuversicht und Stärke“, als „Hilfe in den großen Nöten“ die Rede ist. 1985 hieß es noch: „Gott is uns Verbliev un Verbarg, he gifft uns Kracht.“ Die moderne Übersetzung fasst es kürzlicher und deutlicher: „Gott is uns Toversicht. He maakt uns stark.“

Wenn Jann Schmidt diese Sätze vorliest, spürt man: Diese Aufgabe war ein Herzensprojekt für ihn. Und das hängt eng mit seiner Biografie zusammen. „Plattdeutsch ist meine Muttersprache, damit bin ich aufgewachsen. Wenn ich schimpfe oder stöhne, dann kommt das up platt ‘raus. Und beim Autofahren, da denke ich auch manchmal auf Plattdeutsch“, sagt er mit einem Schmunzeln. Schmidt stammt aus dem ostfriesischen Weener, aus einem Kapitäns-Haushalt, in dem der Glaube mit festen Ritualen wie dem abendlichen Gebet der Mutter mit den Kindern ganz selbstverständlich zum Alltag gehört. Und „eigentlich“ will der Junge genau wie der Papa auch Binnenschiffer auf der Nord- und Ostsee werden.

Landesjugendpastor, Pressesprecher und Kirchenpräsident

Aber nicht zuletzt sein Engagement in der Kirche für Kindergottesdienste und den Christlichen Verein Junger Menschen (CVJM) führt ihn nach dem Abitur dann doch ins Theologiestudium – mit dem Ziel, Pastor in einer reformierten Kirchengemeinde zu werden. Nach dem Vikariat auf Borkum tritt Schmidt 1977 seine erste Pfarrstelle in Veenhusen an, mit zusätzlichen Aufgaben als Schulpastor an den Gymnasien in Leer. 1984 wird er Landesjugendpastor für den gesamten Nordwesten und die Gebiete um Göttingen herum, 1990 dann Pressesprecher. 2003 wählt ihn die Gesamtsynode in das Amt des Kirchenpräsidenten, das er mit Amtsantritt 2004 bis zum Ruhestand zwölf Jahre ausübt.

Bei seiner Arbeit redet er oft Plattdeutsch – gerade in den Kirchengemeinden. Er macht die Erfahrung, dass diese Sprache mit allen ihren Nuancen ein Türöffner sein kann. „Bei Hausbesuchen oder bei Trauergesprächen zum Beispiel bei älteren Menschen ist gleich eine ganz andere Ebene, ein ganz anderes Vertrauen, eine ganz andere Nähe da“, erzählt der Theologe. Gern feiert Schmidt auch Gottesdienste auf Plattdeutsch, komplett von den Liedern über die Predigt bis zu den Gebeten. „Ich fange beim Eingangswort auf Plattdeutsch an und höre mit dem Segen auf Plattdeutsch auf. Da passt es nicht, wenn einzelne Elemente hochdeutsch sind. Diese plattdeutsche Welt muss dann rund sein.“

Ein Mann mit Buch
Jann Schmidt

Diese Erfahrungen fließen ein in die Übersetzung der Psalmen. Satz für Satz schreibt er auf, ringt mit sich und der Vorlage, formuliert manches sperrige Hauptwort mit viel Feingefühl in neue Verben um und schickt die Resultate zur kritischen Prüfung an Pastorinnen und Pastoren aus der Region. Die schauen genau hin, ob die Beiträge im gesamten ostfriesischen Raum verstanden werden. Denn je nach Dorf und Stadt gibt es unterschiedliche Platt-Varianten. Da heißt der Teich mal „Kolk“, mal „Deepte“, mal „Dümpel“. Am Ende gewinnt der am weitesten verbreitete Begriff. Diese Zusammenarbeit betrachtet Schmidt als sehr fruchtbar.

Für den Gottesdienst oder die stille Lektüre

Ganz ähnlich wie bei dem Vorgängerprojekt, denn Jann Schmidt hat vor den Psalmen im Jahr 2023 auch bereits das neue Testament, „Dat Neei Testament“, ins Plattdeutsche übertragen. Über 700 Seiten stark ist dieser Band auf der Grundlage der Luther-Ausgabe von 2017, der einen neuen Zugang zu vertrauten biblischen Texten schaffen will. Gut vorstellen kann sich der ehemalige Kirchenpräsident, dass beide Bücher in der Gemeinde eingesetzt werden: im Gottesdienst, für Veranstaltungen, für Impulse. Oder auch einfach für die stille Lektüre zu Hause. „Ich weiß, dass einige Pastorinnen und Pastöre das mitnehmen für ihre Arbeit.“

Denn die Resonanz auf die zwei bisher von ihm vorgelegten Druckwerke, an denen er selbst nichts verdient, ist „fantastisch“, wie Schmidt es ausdrückt. Schon das erste Buch findet viele Interessierte und von den Psalmen gibt es nur noch wenige Exemplare. Aber eine zweite Auflage ist schon geplant. „Im Frühjahr kommt sie heraus“, sagt der Leeraner. Und klingt dabei auch ein klein wenig stolz

Petra Diek-Münchow

Die Übersetzung heißt: „DE PSALMEN“ - In´t oostfreeske Plattdüütsk overdragen van Jann Schmidt, hrsg. im Auftrag der Evangelisch-reformierten Kirche, SKN-Verlag 2024, 352 Seiten, 12 Euro. Außerdem gibt es „DAT NEEI TESTAMENT – Das Neue Testament in ostfriesischem Plattdeutsch“.