Eine „Junge Synodale“ erlebt die Zweite Vollversammlung des Synodalen Weges

Eine halbe Minute Redezeit

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Wie ist es, als junge Vertreterin auf dem „Synodalen Weg“ über die Zukunft der Kirche mitzureden? Melanie Giering (20) aus Hamburg erzählt, wie sie die „Zweite Vollversammlung“ erlebt hat – als ernstes Treffen mit lustigen Details. 

Bischöfe und Laien bei der zweiten Vollversammlung des Synodalen Weges
Ernste Gesichter bei der zweiten Vollversammlung des Synodalen Weges. Foto: kna

Ein paar Minuten vor dem eigentlich anberaumten Ende verlasse ich den Tagungssaal im Frankfurter Kongresscenter – die zweite Synodalversammlung wurde soeben frühzeitig abgebrochen. Diagnose: nicht mehr beschlussfähig. Ein unbefriedigendes Ende einer dreitägigen Veranstaltung, die mich mit einem rauchenden Kopf voller Eindrücke zurücklässt. Aber fangen wir von vorne an…

Eineinhalb Jahre nach der ersten Synodalversammlung bin ich froh, dass wir uns wieder in Präsenz in Frankfurt treffen und endlich vorankommen. Wenn auch mit gemischten Gefühlen: die jüngsten römischen Entscheidungen haben mich zumindest zeitweise daran zweifeln lassen, ob wir auf dem Synodalen Weg überhaupt etwas erreichen können und inwiefern die Hoffnung auf Reformen noch realistisch ist.

Melanie Giering
Melanie Giering. Foto: privat

Um zu zeigen, wie ernst es uns mit diesem Weg ist, positionieren wir „jungen Synodalen“ uns mit Protestschildern vor dem Veranstaltungsort der zweiten Synodalversammlung, dem Frankfurter Kongresscenter. „Junge Synodale“ – das sind wir 15 Menschen unter 30, die vom Bund der Deutschen Katholischen Jugend in die Versammlung entsandt wurden. Wir setzen uns besonders für die Belange der jungen Katholiken ein und haben das Glück, während und rund um die Versammlung äußerst gut vernetzt zu sein.

Bei unserer Mini-Demonstration vor dem Messegebäude kann man erkennen, wer gesprächsbereit ist und wer offensichtlich zu den Gesprächsverweigerern gehört. So nimmt sich Bischof Bätzing viel Zeit, um mit uns jungen Menschen zu reden und uns seine Dankbarkeit über unser Engagement beim Synodalen Weg auszudrücken. Dagegen läuft Kardinal Woelki im Eiltempo an unseren regenbogenfarbenen Schildern vorbei und entgegnet auf die Frage einer Pressevertreterin, wie er das Vertrauen der Gläubigen zurückgewinnen möchte – Sie ahnen es – rein gar nichts.

Diese Entschlossenheit, im Gesprächsprozess gar nicht erst ins Gespräch zu kommen, muss ich auch während der Versammlung nicht missen. Obwohl besonders uns jungen Menschen von konservativen Mitgliedern des Synodalen Weges immer wieder die Frömmigkeit abgesprochen wird, sind es ausgerechnet sie es, die bei der gemeinsamen Eucharistiefeier am Freitagmittag fehlen und stattdessen eine eigene Messe feiern. Der Grund: In der von Bischof Bätzing gehaltenen Eucharistiefeier dürfen sie nicht konzelebrieren.

Redefaul erlebe ich auch den Apostolischen Nuntius, den vatikanischen Botschafter, der als Beobachter an den Synodalversammlungen teilnimmt. Einige Male persönlich mit einer Nachricht für den Papst angesprochen, reagiert er nicht oder will sogar den Saal verlassen. Das trübt meine Hoffnung auf seinen Einsatz für die deutschen Belange beim Heiligen Stuhl.

Moraldiskussion, Selfies und Knalltüten

Ein Geschenk für die Versammlung ist, wie schon bei der Online-Konferenz im Februar, der von der Deutschen Bischofskonferenz eingerichtete Betroffenenbeirat. Die beiden Vertreter nutzen ihre Rede dafür, die Aufmerksamkeit noch einmal auf die von Machtmissbrauch Betroffenen zu richten. Denn bei all den Debatten über die vielen Themen – der Anlass des Synodalen Weges ist immer noch die MHG-Studie über sexualisierten Missbrauch in unserer Kirche. Alles Tun müssen wir daran ausrichten, wie Missbrauch zukünftig verhindert werden kann.

Ein Detail, das die Versammlung positiv gestaltet und mir zu zahlreichen tiefgründigen Gesprächen verhilft, ist die Sitzordnung zu den Mahlzeiten. Den Sitzplatz suche ich mir zu Beginn selbst aus, dann bleibt er die ganze Zeit über bestehen. Umso froher bin ich, dass ich mit einer Reihe von Bischöfen aus Trier, Paderborn, Essen und nicht zuletzt dem Bischof von Kopenhagen sehr interessante Sitznachbarn habe, die ungeahnt für Lachtränen und gute Stimmung sorgen. Da werden beim Abendessen zwischen dem Hin- und Hertauschen von unbeliebtem Gemüse Selfies geschossen und nach einem ernsthaften Gespräch über die katholische Sexualmoral Papiertüten vom Bischof aufgepustet und geknallt, um mich zum Lachen zu bringen.

Um möglichst zügig voranzukommen, wird die Redezeit für uns Mitglieder schon sehr bald auf eine Minute begrenzt. Eine Minute Zeit, um Standpunkte zu formulieren, die sicher Seiten füllen könnten. Für meinen Redebeitrag brauche ich nur 30 Sekunden, in denen ich eine Wortmeldung des Regensburger Bischofs Voderholzer zur Gender-Debatte kritisiere. Ich ernte Applaus und merke: ich habe eine Stimme, die hier genauso gehört wird, wie die eines Bischofs.

Das jähe Ende der Versammlung sorgt für eine aufgewühlte Stimmung im Saal. Und trotz dieses merkwürdigen Abbruchs ist für mich klar: Das coronabedingte Warten hat sich gelohnt, die zweite Synodalversammlung war definitiv ein Erfolg.

Was ich aus Frankfurt mitnehme? Eine wieder aufgeflammte Motivation, den Synodalen Weg weiter zu gehen und eine vorsichtige Spannung, wie sich die Lage (auch in unserem Erzbistum) bis zur nächsten Versammlung im Februar entwickeln wird.

Text: Melanie Giering