Jesus hinter Gittern

Eine Krippe aus dem Gefängnis

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Was wäre, wenn Jesus hinter Gittern zur Welt gekommen wäre? Zwei Gefangene der Justizvollzugsanstalt in Meppen haben dazu eine ungewöhnliche Krippe gebaut. Der Stall ist jetzt im Schaufenster der Stadtpastoral zu sehen. Dabei geht es auch darum, wie Inhaftierte sich an den Feiertagen fühlen.


Mit Zaun: Sabine Kuper (Stadtpastoral Meppen) schaut sich mit Gefängnisseelsorger Heinz-Bernd Wolters (v.l.), Jens Göken (Leiter der Arbeitstherapie) und Gudrun Weber (Stadtpastoral) die neue Krippe in der Justizvollzugsanstalt an. Foto: Petra Diek-Münchow

Das soll eine Krippe sein? Auf den ersten Blick sieht das Haus, gebaut aus altem Palettenholz, gar nicht danach aus. Rechts gibt es eine blau getünchte Nasszelle mit Toilette und Waschbecken, daneben eine Zelle wie im Gefängnis: ein Tisch, ein Stuhl, eine schmale Pritsche, vergitterte Fenster. Und dann versperrt auch noch ein hoher Drahtzaun den Zugang. „Wer soll da denn einziehen“, fragt der Mann, der über den Flur in der Justizvollzugsanstalt (JVA) Meppen läuft. „Maria, Josef und Jesus“, antwortet Gudrun Weber spontan und schaut dem Insassen der JVA einen Moment hinterher.

Gudrun Weber steht mit Sabine Kuper von der Stadtpastoral „Kirche in Meppen“ (KIM) und Gefängnisseelsorger Heinz-Bernd Wolters in der JVA und guckt sich den neuen Stall für die Meppener „Gegenwartskrippe“ an. Ab ersten Advent ist sie bei KIM in der Fußgängerzone zu sehen. Und sie heißt „Gegenwarts­krippe“, weil ihre Figuren aussehen wie Leute von heute: ein Meppener Gastwirt, der Chefarzt aus dem katholischen Krankenhaus, der Ehrenbrandmeister der Feuerwehr und Propst Dietmar Blank. Gudrun Weber hatte vor mehreren Jahren die Idee dazu gehabt und sie umgesetzt.

Das KIM-Team, bei dem Weber ehrenamtlich mitarbeitet, möchte mit der ungewöhnlichen Krippe die Bedeutung der Geburt Jesu für unsere Zeit klarmachen. Und Fragen stellen. Was wäre, wenn Jesus heute zur Welt kommen würde? Vielleicht in einem Gefängnis, in dem seine Eltern in Untersuchungshaft sitzen? Dass es in Zusammenarbeit mit Heinz-Bernd Wolters möglich war, den Stall sogar in der Meppener JVA bauen zu lassen, freut die Stadtpastoral sehr. Zwei inhaftierte Männer haben die Aufgabe mit dem Leiter der Arbeitstherapie, Jens Göken, übernommen – haben sogar schwarze und weiße Schafe dafür angefertigt. „Es hat Mario und Frank viel Spaß gemacht“, sagt er. Bei dem Ortstermin sind sie nicht dabei. Einer ist kürzlich entlassen worden, der andere möchte zu dem Gespräch nicht dazukommen.

„Weihnachten will keiner im Gefängnis sein“

Vielleicht, weil Weihnachten für die Insassen ein schwieriges Thema ist? Heinz-Bernd Wolters nickt, er ist seit 23 Jahren Gefängnisseelsorger in Meppen und kann daher erahnen, wie sich die Männer fühlen. Einige wollen das Fest einfach schnell hinter sich bringen, bei anderen kochen viele Emotionen hoch. „Weihnachten will keiner im Gefängnis sein“, sagt der Bundesvorsitzende der Katholischen Gefängnisseelsorge. Für viele Inhaftierte sind die Feiertage zutiefst sentimental aufgeladen. „Sie bauen sich im Kopf ein ideales Fest auf, das sie vielleicht nie so erlebt haben. Da wird im Stillen manche Träne verdrückt.“ Wolters muss in diesen Tagen oft Fotos von den Männern machen – für die Ehefrau oder Freundin, für die Kinder. „Damit sie etwas schenken können.“

Seelsorger und Bedienstete versuchen, die frohe Botschaft von der Geburt Christi in die Justizvollzugsanstalt zu bringen. Die Flure werden dekoriert, im Besucherraum stehen eine große Krippe und ein geschmückter Tannenbaum, es gibt Gottesdienste und eine Adventsfeier mit gespendeten Kuchen. Und in diesem Jahr will Wolters Insassen und Personal zum ersten Mal zu einem „lebendigen Adventskalender“ in der JVA einladen: jeden Tag vor einer anderen Tür, mit Bibeltexten, Meditation und Gesang. „Ich bin gespannt, wie das ankommt.“

Dass sich die „Gegenwartskrippe“ dem Thema Gefängnis widmet, findet er gut. Wenn sie im KIM-Schaufenster aufgebaut ist, wird im Hintergrund ein Foto der JVA zu sehen sein. Und daneben ein Baum. Keine goldenen Kugeln hängen daran, sondern Zettel mit den Hoffnungen und Wünschen der Gefangenen. Wer die liest, wird nachdenklich. Der eine Insasse wünscht sich „ein normales Leben“, der andere will „nach der Entlassung alles besser machen“ und hofft, dass seine Kinder ihm verzeihen können. Und in einem Satz spiegelt sich die ganze Botschaft von Weihnachten und sogar Ostern wider: „Ich hoffe, dass ich aus dem Schatten ins Licht treten werde.“

Petra Diek-Münchow

Die „Gegenwartskrippe“ ist ab ersten Advent im Schaufenster der Stadtpastoral „Kirche in Meppen“ zu sehen –  links neben dem historischen Rathaus.

 

Geschenk zum Fest

Seit vielen Jahren organisiert die Gefängnisseelsorge eine Weihnachtstütenaktion in den Justizvollzugsanstalten im Emsland und in Osnabrück. Dafür werden fast 600 Tüten mit Süßigkeiten, Kaffee, Tabak und Obst gepackt – vor allem für inhaftierte Menschen, die keine Angehörigen haben, keinen Kontakt oder deren Familien selber bedürftig sind. Die Seelsorger bitten für die Aktion um Spenden: Sparkasse Emsland, IBAN: DE71 2665 0001 0100 5842 34.