Anstoss 02/2018
Eine Minute Ärger oder 60 glückliche Sekunden
Ein paar Tage haben sie vielleicht noch Hochkonjunktur, die Aphorismen und Sinnsprüche, die die guten Vorsätze zum neuen Jahr befeuern sollen.
„In jeder Minute, die du im Ärger verbringst, versäumst du 60 glückliche Sekunden deines Lebens“, von Albert Schweitzer zum Beispiel. Oder von Marisa Bellisario: „Man kann sich den ganzen Tag ärgern, aber man ist nicht dazu verpflichtet.“
Diese beiden gefallen mir eigentlich ganz gut, auch wenn ich sie im Alltag viel zu oft vergesse - das Schicksal der guten Vorsätze.
Beide Sprüche zielen auf die Gedanken, von denen wir unsere Gefühle bestimmen lassen, die ihrerseits wieder auf unsere Gedanken zurückwirken. Der Kreislauf des „Kopfkinos“, der durch ärgerliche Momente und zumeist unnötige Auseinandersetzungen in Gang kommt, funktioniert aber auch zu gut. Und im Handumdrehen versinkt ein ganzer Tag im Ärger, wenn man nicht aufpasst.
Da kann der „innere Türhüter“ vielleicht ein Helfer sein. Ein Bild, das sich in den Schriften des Mönchsvaters Evagrius Ponticus (4. Jahrhundert) im Nachdenken über den Türhüter im Markusevangelium (13,33-37) findet und das ich am Beginn des Kirchenjahres in der Zeitschrift „Christ in der Gegenwart“ entdeckt habe:
Man soll an der Pforte seines inneren Hauses sitzen und gut auf die Gedanken achten, die hinein wollen. Man kann sie fragen, ob sie uns gut gesinnt sind oder nicht, ob sie uns etwas Wichtiges zu sagen haben oder ob sie womöglich Hausbesetzer sind – wie der Ärger, der gern den ganzen Tag bleiben will.
Welche Gedanken und Gefühle im Laufe eines jeden Tages in uns aufsteigen, das haben wir nur begrenzt in der Hand. Aber was da kommt und uns beherrschen will, können wir prüfen. Seelsorger und Psychologen wissen, dass alle Gedanken und Gefühle uns etwas sagen wollen. Und spätestens wenn sie mehr Raum in uns beherrschen als uns gut tut, sollten wir nach ihrer Botschaft fragen. Denn, so fügt sich ein chinesisches Sprichwort in diese Reihe, „Achte auf deine Gedanken – sie sind der Anfang deiner Taten.“
Ich wünsche mir und Ihnen viele gute Gedanken im Neuen Jahr, aus denen auch viel gutes Handeln wachsen möge.
Angela Degenhardt, Sangerhausen