Eine Woche frei im Kopf
Einmal ausspannen – das tut jedem gut. Erst recht, wenn jemand noch vor Monaten Nächte in Luftschutzkellern verbracht hat. Die Pfarrei Heilige Elisabeth hat das möglich gemacht – eine Ferienwoche für Familien aus der Ukraine.
„Freiheit!“ Das ist das Wort, das Diana Mamatian als erstes einfällt, wenn sie das Leben im Schloss beschreiben will. Zusammen mit ihren Kindern Mais und Martin, ihrem Mann Artem und 50 anderen Schutzsuchenden verbringt Diana Mamatian eine Ferienwoche im Schloss Dreilützow. Hier ist alles frei. „Man kann mitmachen oder auch nicht. Es gibt viele Möglichkeiten, man kann nehmen, soviel man will. Und keiner sagt: Das geht nicht, das darfst du nicht.“ Für Leute, die das Caritas-Schullandheim Dreilützow, das Schloss und seine Umgebung kennen, ist diese große Freiheit normal. Für Diana Mamatian nicht.
Die ersten Wochen des Krieges hat sie mit ihren Kindern mehrere Tage in einem Luftschutzkeller in Kiew verbracht. „Die Kinder konnten nicht schlafen, es war furchtbar.“ Dann packten sie ihre Sachen, zogen nach Lwiw. Diana arbeitete in einem Supermarkt. Eine gute Stelle, denn direkt unter dem Laden befand sich ein bombensicherer Keller. „Ein Soldat hat uns ans Herz gelegt, das Land zu verlassen.“ Aber wohin? Am Ende, erzählt die Mutter, habe ihr Sohn David die Entscheidung getroffen. „Er hat immer Bilder von Panzern angeguckt. Die besten kamen aus Deutschland. Ein Land, das solche Panzer hat, muss ein starkes Land sein. Da sind wir sicher.“
Ähnliche Geschichten können auch die anderen Mütter erzählen, die in der Familienfreizeit ausspannen und Luft holen. Sie haben eine sichere Bleibe in Hamburg, Mecklenburg oder Schleswig-Holstein. „Die Unterbringung der Flüchtlinge aus der Ukraine ist ganz unterschiedlich“, sagt Peter Beckwermert. Er ist zuständig für Flüchtlingsarbeit in der Pfarrei Heilige Elisabeth. „Einige wohnen ganz gut, manchmal grottenschlecht. Einige Unterkünfte haben weit und breit keinen Platz zum Spielen. Und wer privat aufgenommen wurde und monatelang in einem Kinderzimmer lebt, muss einfach mal raus.“
Man versteht sich – auch in fremden Sprachen
Das Schullandheim Schloss Dreilützow ist nicht einfach eine weitere Massenunterkunft. Es gibt hier einen riesigen Park, einen Wald, einen Teich. Es gibt Ausflüge nach Ludwigslust, zur Himbeerplantage an den Schaalsee, Treckertouren, Klettern im Hochseilgarten, Bogenschießen, Ponys streicheln. Einmal kam ein Akkordeonspieler aus Schwerin und am Lagerfeuer wurden Lieder aus der Heimat gesungen. „Und jeden Abend ist in den Sälen drinnen im Schloss Party“, sagt Antje Dittrich, die beim Verband In Via in Hamburg-Bergedorf Flüchtlinge unterstützt.
All das ist nicht von selbst gekommen. Ein Urlaub für 50 Leute mit Vollpension ist teuer, es braucht viele Helfer und in diesem Fall auch Dolmetscher. Zustande kam alles durch einen Anstoß von Susanne Rohlmann. Sie arbeitet bei der Linde AG, die in Hamburg Gas in Flaschen produziert. Linde übernahm einen großen Teil der Kosten für die Freizeit. Über Gemeindereferentin Simone Plengemeyer kamen die Pfarrei Heilige Elisabeth und das Schloss Dreilützow ins Spiel. Die Pfarrei hat ohnehin in Neu-Allermöhe ein soziales Zentrum mit einer starken Flüchtlingsarbeit. Es fanden sich viele Mitstreiter, Sponsoren und private Spender. Die Einladung an die ukrainischen Familien wurde in den Medien ausgeschrieben – und sprach sich unter Ukrainern herum.
„Die Sprache ist nach wie vor ein Problem“, sagt Peter Beckwermert, „aber es gelingt uns immer besser, diese Barriere zu überwinden. Man muss sich nur Zeit nehmen – und viel hat mit Vertrauen zu tun.“ Viele Gespräche dauern bis tief in die Nacht, wenn die Kinder längst schlafen und sich sogar die Jugendlichen müde getanzt haben. Der nächste Tag wird wieder erlebnisreich für alle. Diana Mamatian: „Ich jedenfalls bin unendlich dankbar, dass ich hier sein darf und für einige Tage den Kopf frei bekomme.“
Von Andreas Hüser
Spenden sind noch willkommen. Wer helfen möchte, wendet sich per E-Mail an kontakt@schlossdreiluetzow. de