Impuls zur Sonntagslesung am 22. Dezember: Vierter Advent
Einfach mal hoffen
Foto: istockphoto
„Dann wird der Rest der Brüder zurückkehren“ (Micha 5,2)
Die Hoffnung auf Heimat
In Afghanistan hatte Rana Yousufi keine Heimat mehr. Denn „Heimat ist nicht nur ein Ort“, sagt sie. „Heimat, das ist auch Familie und Sicherheit.“ 2019 sind sie, ihre Eltern und Geschwister aus Afghanistan geflohen. Sicherheit gab es schon damals nicht mehr. Wegen der Arbeit ihres Vaters wurde die Familie bedroht: Er weigerte sich, importiertes Erdöl von geringer Qualität als hochwertiges Öl auszeichnen.
Heute lebt Yousufi mit ihrer Familie in Mühlhausen in Thüringen. In ihrer Freizeit unterstützt sie die Caritas als ehrenamtliche Übersetzerin und begleitet andere Geflüchtete bei Terminen auf Ämtern. Die 29-Jährige erzählt, dass sie und ihre Geschwister nun morgens zur Schule gehen können, ohne dass ihre Eltern fürchten müssen, dass sie mittags nicht mehr nach Hause kommen.
Yousufi muss nur noch ein Praktikum absolvieren, dann kann sie ihre Ausbildung zur pharmazeutisch-technischen Assistentin abschließen. Sie wünscht sich, bald arbeiten gehen zu können wie alle Menschen. Ihre Schwester ist auszubildende Steuerfachangestellte, ihr Bruder sucht einen Ausbildungsplatz. Sie sagt: „Zur Heimat gehört auch, Zukunft zu haben.“ Deshalb hofft sie, dass sie irgendwann einen Aufenthaltstitel bekommen. Derzeit leben die Geschwister mit der Angst, abgeschoben zu werden. „Aber unsere Angst ist nicht so groß wie unsere Hoffnung“, sagt Yousufi.
Hoffnung besteht für sie darin, „dass man auch in schwierigen Zeiten eine bessere Zukunft sieht. Wir glauben daran, dass alles besser wird“, sagt sie. Deshalb will sie ihre Sprachkenntnisse verbessern und sucht Kontakt zu anderen Menschen. „Es gibt viele Leute, die hinter uns stehen“, erzählt sie. Sie habe viele Freunde. „Wenn wir Angst haben, dann sprechen wir miteinander und das macht uns Mut.“
Barbara Dreiling
„Sie werden in Sicherheit wohnen“ (Micha 5,3)
Die Hoffnung auf Frieden
Als die Hamas am 7. Oktober 2023 Israel angriff, war Eylon Zak nicht in seinem Heimatland. Er war in Frankreich, wo er zu dem Zeitpunkt ein Auslandssemester absolvierte.
Als er von dem Massaker hörte, wollte er eigentlich direkt nach Hause. Wenn die Armee ihn angerufen hätte, wäre er sofort zurückgereist, sagt er. Auch mit seinem damaligen Mitbewohner in Frankreich hat er oft und lange über die Situation in Israel gesprochen. „Ich habe dann gemerkt, dass ich hier etwas zu tun habe: selbst studieren, die anderen Studierenden mental unterstützen und an meiner Fakultät über die Situation in Israel aufklären“, sagt Zak.
Ob er jemals den Gedanken hatte, einfach in Frankreich zu bleiben? Darauf antwortet er mit einem entschiedenen „Nein“. Für ihn war immer klar, dass er in Israel leben möchte und dass auch der Krieg an dieser Entscheidung nichts ändert. „Ich kann nicht mein ganzes Leben hinter mir lassen und woanders leben“, sagt Zak.
Also kehrte er nach Ende des Semesters in seine Heimat zurück, eine Stadt in der Nähe von Tel Aviv. Seither lebt er in einem Kriegsland. „Ich bin täglich, eigentlich stündlich mit dem Krieg konfrontiert. Er ist immer präsent“, sagt Zak. Jeden Morgen lese er die Nachrichten und hoffe, dass er keinen der Namen kennt, die unter den Verstorbenen sind. „Es gibt keine Normalität, wenn man es mit dem Leben vor dem Krieg vergleicht. Wir sind ständig intensiven Gefühlen und Terror ausgesetzt“, sagt Zak. Und doch gehe das Leben irgendwie weiter. Arbeiten, Freude treffen, Bombenalarm, Reisen.
Warum er felsenfest davon überzeugt ist, dass es in Israel irgendwann Frieden geben wird? „Frieden ist unverzichtbar“, sagt er. Ihm sei klar, dass Frieden ein langer und komplexer Prozess sei, doch er sei voller Hoffnung, dass dieser Prozess irgendwann irgendwo starten wird.
Dazu zitiert er den Spruch aus einer Kampagne von der Friedensbewegung Gusch Schalom: „Die Schmerzen des Friedens sind besser als die Qualen des Krieges.“ Denn die Schmerzen des Friedens tun einmal weh und lassen dann nach, die Qualen des Krieges sind endlos, sagt Zak. Zur Hoffnung auf Frieden gibt es für ihn keine Alternative.
Jasmin Lobert
„Das Kind hüpfte vor Freude in meinem Leib“ (Lukas 1,44)
Hoffnung auf ein Kind
Ein Teststreifen, eingepackt in eine blaue oder zartrosa Verpackung, ist ein Zeichen für Hoffnung – für die Hoffnung auf ein Kind. Elisabet, die kinderlose Frau des biblischen Zacharias, kannte so etwas nicht. Aber heute nutzen Tausende Frauen so etwas. Sie hoffen wider allen Schein, trotz aller Fehlversuche – vielleicht erst seit ein paar Monaten, vielleicht aber auch schon seit Jahren.
Vermutlich kennt jeder Frauen oder Paare, die keine Kinder bekommen können oder die sehnlichst darauf warten, dass sich ihr Kinderwunsch erfüllt. Wenn in ihren Familien oder Freundeskreisen ein Kind geboren wird, freuen sie sich mit, beglückwünschen die frischgebackenen Eltern und kaufen Geschenke. Und blicken doch mit einer gewissen Wehmut auf die dicken Bäuche von Schwangeren oder in die Kinderwagen mit den Neugeborenen.
In den sozialen Medien sprechen heute viele Frauen sehr offen über ihren unerfüllten Kinderwunsch. Sie berichten von Besuchen bei Ärzten, von Untersuchungen und niederschmetternden Diagnosen. Sie posten Videos, die sie selbst zeigen – wenn ein Schwangerschaftstest erneut negativ ausfällt und ihnen die Tränen übers Gesicht laufen. Sie zeigen, wie schwierig und lang der Weg zum Wunschkind ist, wie schmerzhaft – aber auch, wie viel Hoffnung sie antreibt.
Diese Frauen schaffen mit ihren Texten, Fotos und Videos eine Gemeinschaft. Sie stützen sich gegenseitig, machen sich Mut, nicht aufzugeben. Und manchmal wird ihr Durchhalten und Hoffen belohnt – und sie posten das Foto eines Teststreifens mit zwei Strichen. Schwanger – endlich!
Kerstin Ostendorf