Überwachung per Trackingapp und Ortungsgerät

Eltern im Kontrollwahn?

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Mit Trackingapps oder Ortungsgeräten können Eltern jederzeit sehen, wo ihre Kinder gerade sind. Die Technik ist umstritten: Datenschützer warnen vor Missbrauch, Pädagogen weisen auf einen viel größeren Schaden hin: den Vertrauensverlust zwischen Eltern und Kindern.


„Big mother is watching you“: Ortungsapps ­suggerieren Eltern eine trügerische Sicherheit und machen Kinder eher unselbstständig. Foto: epd-bild/Maike Gloeckner

Um die Sicherheit ihrer Kinder sind alle Eltern besorgt. Immer mehr von ihnen nutzen mittlerweile die moderne Technik und überwachen ihre Kinder mit dem Handy. Zahlreiche Apps richten sich explizit an Eltern und bieten ihnen an, dass sie mit Hilfe der Software immer sehen können, wo sich ihre Kinder aufhalten. Und das Interesse daran wächst. Wie sinnvoll ist eine solche Überwachung?


Tracken – was ist das?
Ein GPS-Tracker überträgt die Position des Gerätes in Echtzeit. Funktioniert die Übertragung, kann so der Standort des Gerätes exakt bestimmt werden. Ursprünglich wurden diese Tracker zur Ortung von entlaufenen Hunden erfunden. Heute nutzen auch viele Eltern diese Geräte oder entsprechende Apps fürs Smartphone, um über den Aufenthaltsort ihrer Kinder informiert zu sein. „Find my kids“ heißt zum Beispiel eine App für Kinder-GPS-Uhren, „mit der Sie sich weniger Sorgen machen müssen, wenn Ihre Kinder nicht bei Ihnen sind“, wirbt der Anbieter im Google-Playstore.

Mittlerweile ist ein großer Markt für diese Geräte entstanden. Es gibt sie als Anhänger für den Hals oder für den Schulranzen, aber auch als kleine Uhr, Schuheinlage oder als Chip für die Bekleidung. Über einen Alarmknopf können Kinder ihre Eltern im Notfall informieren, oder die Eltern erhalten eine Nachricht, wenn das Kind einen zuvor festgelegten Bereich (Geo-Zaun), den Garten oder den Schulhof, verlässt. Viele Eltern kontrollieren mit einer Trackingapp auch das Surfverhalten ihrer Kinder, sie können die Kamera auslösen oder das Mikrophon aktivieren, um mit den Kindern zu sprechen oder sie akustisch zu überwachen.


Womit die Hersteller locken
„Überprüfen Sie, ob Ihr Kind pünktlich zur Schule kommt. Erhalten Sie Benachrichtigungen, wenn es in der Schule ankommt, wenn es wieder zu Hause ist und wenn es an andere Orte geht, die Sie hinzugefügt haben.“ So verspricht es die App „Find my kids“ in der Anleitung. Und damit spielen die Hersteller auf das an, was Eltern am meisten umtreibt: die Sorge um die Sicherheit. Denn dass Kinder verschwinden oder entführt werden könnten, gehört zu den größten Ängs­ten von Eltern. Die Berichterstattung in den  Medien suggeriert laut Bundeskriminalamt ein hohes Gefährdungspotenzial. Die Statistik zeigt jedoch, dass die Wahrscheinlichkeit, plötzlich verloren zu gehen, nach wie vor sehr gering ist.


Kinder brauchen Freiraum
Strikt gegen GPS-Tracker ist der Vorsitzende des Verbandes Bildung und Erziehung, Udo Beckmann. „Man behindert dadurch das Selbstständigwerden.“ Wichtiger sei es dagegen, Kinder frühzeitig über Gefahren aufzuklären, das Verhalten gegenüber Fremden abzusprechen und klare Regeln zu vereinbaren. Zudem seien Kinder durch Ortungsgeräte nicht besser geschützt. „Sie schaffen eine trügerische Sicherheit“, sagt er. Für die Entwicklung eines Sicherheitsgefühls seien dagegen Vertrauen und Freiräume kolossal wichtig, sagen Sozialwissenschaftler. Genau dieses Vertrauen gehe durch eine ständige Überwachung und den Kontrollwahn der Eltern verloren.


Wo Tracken sinnvoll ist
In einer Notlage, bei kranken Kindern oder demenzkranken Menschen ist die Überwachungsfunktion sicher eine sinnvolle Ergänzung. So ist die Mutter des neunjährigen Autisten Elijah froh über die neue Technik: „Elijah ist immer weggelaufen. Wenn andere Kinder Mama oder Papa nicht mehr sehen, dann rufen sie – aber Elijah war das völlig egal.“ Neben der Furcht, dass ihr Sohn nicht zurückfinde, sei auch immer die Angst dagewesen, dass Menschen seine schutzlose Situation ausnutzen könnten. Die Familie kaufte einen GPS-Tracker für Elijah, um ihn im Notfall jederzeit wiederfinden zu können. „So kann ich jetzt nachschauen, wo er ist.“ Für ihre gesunde Tochter käme eine solche Überwachung für sie aber nicht infrage.


Alternativen anbieten?
Auch an Kindergärten und Schulen sind GPS-Tracker mittlerweile ein Thema. So beschloss die Schulleiterin einer Grundschule in Hessen, Anke Schnieder, die Ortungsgeräte zu verbieten, nachdem immer mehr Kinder GPS-Uhren trugen. „Wir sehen einfach keine Notwendigkeit, dass Kinder solche Uhren tragen.“ Eine hessische Kita dagegen kommt besorgten  Eltern entgegen und bietet folgenden Service an: Über eine App können sie am Kita-Alltag ihrer Kinder teilhaben, indem Betreuer ihnen Bilder und Informationen zum Tagesablauf schicken.


Kritischer Datenschutz
Datenschützer sehen die Entwicklung kritisch: Schleichend werde eine Überwachungsstruktur geschaffen, „an die sich alle Beteiligten gewöhnen“, sagt Klaus Globig, Landesdatenschutzbeauftragter in Rheinland-Pfalz, und warnt vor Missbrauch. Die Frage sei, wer auf Standort­informationen und andere Daten zugreifen könne. So haben Forscher des Fraunhofer-Instituts Kontroll­apps getestet und dabei keine einzige App gefunden, die korrekt verschlüsselt war. Damit würden Hackern Tor und Tür geöffnet, warnen die Forscher. (mit epd)

Astrid Fleute/Johanna Greuter