Frauen in der Kirche: Teil 3
"Es gab innere Kämpfe"
Schwester Ursula ist Benediktinerin in Osnabrück. Nach ihrem Klostereintritt haderte sie lange mit ihrem Gottesbild. Heute ist ihr Glaube gefestigt – dennoch fühlt sie sich als Ordensfrau von der Kirche in Rom diskriminiert.
Ursula Wahle ist Ordensfrau. Und das seit 30 Jahren. Manchmal überrascht sie diese Zahl selbst. Denn früher konnte sie dem Klosterleben wenig abgewinnen. Nach der zehnten Jahrgangsstufe verließ sie das von Ordensschwestern geleitete Gymnasium und wechselte auf eine staatliche Schule. Ihr war alles „zu wenig und zu spießig“. „Ich wollte nichts mehr mit Nonnen zu tun haben“, sagt Schwester Ursula.
Das mag auch daran liegen, dass sie in einer Kirchengemeinde im Rheinland aufgewachsen ist, die stark geprägt war von den Gedanken des Zweiten Vatikanischen Konzils – offen, engagiert und wenig verankert in traditioneller katholischer Frömmigkeit. Diese Gemeinde war ihr „soziales Milieu“. Besonders gern erinnert sie sich an ihre Erstbeichte – „ein Ereignis, das präsent geblieben ist“, sagt die 57-Jährige. Ihr Pfarrer war Paul Adenauer, der Sohn des ersten Bundeskanzlers. Er war ein „so gütiger Mensch“, dass die Erinnerung bis heute trägt.
Nach dem Abitur ließ sich Schwester Ursula zur Krankenschwester ausbilden, spürte aber schnell, dass das nicht ihr Ziel ist. „Ich war, glaube ich, immer ein suchender Mensch. Ich habe immer nach dem Mehr gesucht.“ Sie überlegte, Theologie zu studieren. „Ohne zu wissen, was ich damit machen will.“ In dieser Zeit hörte sie von einem Kloster in Köln, in dem man ein paar stille Tage verbringen konnte. Dorthin schrieb sie einen Brief, erzählte, dass sie sich Gedanken mache, wie es in ihrem Leben weitergehen solle. Es war noch nicht die Rede davon, Ordensschwester zu werden. „Ich wusste gar nicht, dass es sowas gibt, solche Klöster und sowas hier“, sagt Schwester Ursula und zupft lachend an ihrer Kutte.
In der Gottesfrage stieß sie an ihre Grenzen
Schließlich fand sie sich in einem neugotischen Bau mitten in der Kölner Südstadt wieder. Es war Silvester 1988/89 und Schwester Ursula saß von elf bis Mitternacht inmitten von größtenteils sehr jungen Schwestern in der Kirche. Um sie herum feierte die Stadt das neue Jahr. Und Schwester Ursula betete und dachte: „Entweder sind die alle total bekloppt oder es muss irgendwie mehr dran sein.“ Die Erfahrung ließ Schwester Ursula nicht mehr los. Obwohl sie sich innerlich noch dagegen sträubte, war klar: „Ich muss das machen. Ein Müssen, ein Stück weit gegen meinen Willen und ein Stück weit mit meinem Willen.“ Im Kloster in Köln hatte sie zum ersten Mal das Gefühl, angekommen zu sein. Mit 27 Jahren trat sie ins Kloster ein und ist bis heute Benediktinerin vom Heiligsten Sakrament – seit sechs Jahren in der Ordensgemeinschaft in Osnabrück. Damals hatte sie nur eine „blasse Ahnung“, auf was sie sich einlässt. Wie schwer es wirklich sein würde, merkte sie erst im Laufe ihres klösterlichen Lebens.
Vor ihrem Eintritt ins Kloster hat die heute 57-Jährige niemals daran gezweifelt, dass es einen Gott gibt. Erst dort setzte sie sich zum ersten Mal tief mit der Gottesfrage auseinander und merkte, dass sie an ihre Grenzen stieß. Besonders der Frage nach dem Leid in der Welt konnte ihr Gottesbild bald nicht mehr standhalten. Ihre Eltern hatten den Zweiten Weltkrieg erlebt, das Konzentrationslager Auschwitz war für sie „die größte Anfrage an die Existenz Gottes“.
Schwester Ursula ließ die Fragen an sich heran und merkte: „So einfach ist das mit diesem Gott nicht.“ Gedanken, an denen sie fast zu zerbrechen drohte. Denn wenn eine Ordensschwester ihren Glauben verliert, ist das existenziell. Durch Gespräche, Gebete und Gedanken kam sie zum Schluss: „Gott greift nicht einfach von oben herab in die Welt ein und verhindert das Böse.“ Gott habe sich für die Liebe entschieden und auch die sei oft ohnmächtig. Heute ist Schwester Ursula in ihrem Glauben gefestigt – doch es ist ihr wichtig zu betonen, dass der Weg dahin steinig war: „Nur weil meine Biografie nach außen relativ glatt aussieht, heißt das nicht, dass es nicht ganz große innere Kämpfe gegeben hat.“ Schwester Ursula findet die sogar sehr wichtig – um auszuhalten, was ist.
Längere Ausbildung für Ordensschwestern
Als Frau in der Kirche fühlt sich Schwester Ursula sehr wohl. Mit den klassischen Hierarchieproblemen, sagt sie, habe sie wenig zu tun. Der Orden der Benediktinerinnen vom Heiligsten Sakrament ist nur von Frauen organisiert. „Da hat’s nie Männer gegeben.“ Auch die Frage, ob Frauen Priesterinnen werden sollten, treibt sie persönlich wenig um: „Meine erste Berufung war Krankenschwester, meine zweite ist Benediktinerin. Priesterin hätte ich nie werden wollen.“ Und doch spürt sie selbst im Kloster, dass die Männer in Rom den Schwestern vorschreiben, wie sie zu leben haben.
Die im Vatikan für Orden zuständige Kongregation hat vor drei Jahren beschlossen, die Ausbildungszeit von Nonnen um vier Jahre zu verlängern. Wenn Schwester Ursula von diesem Papier mit dem Namen „Cor orans“ erzählt, wird ihr Ton laut und empört. Insgesamt ist die Zeit bis zur Ewigen Profess damit auf neun Jahre festgelegt. Bei den Benediktinermönchen dauert die Ausbildung nach wie vor viereinhalb Jahre. „Das ist ungeheuerlich. Da krieg‘ ich so eine Krawatte!“, ruft Schwester Ursula. „Ungerecht, unfair und diskriminierend gegenüber Frauen“ nennt sie diesen Schritt.
Doch auch andere drängende Probleme der Institution Kirche sieht Schwester Ursula. Die Macht solle vom Priesteramt gelöst werden. Das Priesteramt versteht sie als „eine seelsorgliche, sakramentale und jesuanische Berufung“. Die Leitung der Institution könnten ausgebildete Laien übernehmen.
Die 57-Jährige hält deshalb auch nichts davon, wenn Frauen in der Kirche nun Macht anstreben. Es gehe um die richtige Motivation. Dabei könnte es helfen, sich auf den Ursprung der Kirche zu besinnen und auf das griechische Wort „kyriaké“. Schwester Ursula übersetzt es frei als „die, die zum Herrn gehören“.
Theresa Brandl
Dieses Porträt erscheint in der Reihe "Frauen in Kirche". Insgesamt erzählen sieben Frauen, warum sie in der Kirche bleiben.
Es folgen:
- eine junge Frau, die sich ehrenamtlich in der Jugendarbeit engagiert und im Regionalvorstand des BDKJ sitzt
- eine Mutter, die den Glauben an ihre Kinder weitergibt
- eine junge homosexuelle Katholikin
- eine engagierte Frau der Reformbewegung Maria 2.0
Anlass ist die Podiumsdiskussion "Keine Kirche ohne Frauen" am 29. April.