Liebe im Alltagstest

"Es ist ein Vertrauen"

Paulus hat im 1. Korintherbrief einen Zehn-Punkte-Plan für die Liebe entworfen. Aber stimmt es eigentlich, dass die Liebe alles aushält? Petra und Aloys Buch sind seit über 40 Jahren verheiratet. Besteht Paulus’ Anspruch den Alltagstest?

Aloys Buch lächelt. „Die Italiener haben eine wunderbare Redewendung: ,Ti voglio bene‘ – ,Ich will Dir Gutes‘. Das ist Paulus! Das schaffen wir nicht jeden Tag und wir sind auch gelegentlich Egoisten. Aber am Ende zu sagen: ,Wir müssen den Blick wieder drehen‘ – das ist ein Augenöffner.“ Neben ihm sitzt Ehefrau Petra, lächelt gleichfalls und nickt zustimmend. Hier sind sich zwei einig. Sorgsam geht das Paar miteinander im Gespräch um die Liebe im Allgemeinen und mit ihrer beider im Besonderen um. 

Als Studenten haben sie sich lieben gelernt. Bald wurde geheiratet, nach zwei Jahren meldete sich Nachwuchs an. „Als ich im Februar mein Referendariat anfing“, erzählt die pensionierte Lateinlehrerin, „wusste ich noch nicht, dass ich mit Zwillingen schwanger bin.“ Eine erste Belastungsprobe. Denn nach etwas verlängerter Pause wegen des Babyglücks im Doppelpack ging Petra Buch wieder ihrer Lehrerausbildung nach. Der 28-jährige Vater war zu dieser Zeit Assistent an der Universität und konnte sich die Zeit freier einteilen. Für die 1970er Jahre sicher sehr fortschrittlich, wurde partnerschaftlich die Betreuung übernommen. „Das war für uns mehr als eine Herausforderung. Ich weiß noch, wie müde wir damals waren.“

Liebe hofft alles? „Das war schon hart“, sind sich die Zwillingseltern einig, und bis heute trägt die Erkenntnis, wie schwer es in dieser Situation ist, „Eheleben wirklich zu leben und sich dafür Zeit zu nehmen“. Viele Jahre standen die Paar-Erlebnisse hinter der Familie zurück. „Wir haben die Dinge immer genommen, wie sie kamen. Das bedeutet auch, dass man nicht mehr rechts und nicht mehr links guckt, sondern alles gemeinsam tut, wenn es sein muss.“ Die Liebe suchet nicht das Ihre.

Junge Leute haben zu hohe Erwartungen
 

Foto: Dorothée Schenk
Bei Anfällen von Egoismus sagen sich Petra
und Aloys Buch: „Wir müssen den Blick
wieder drehen.“ Foto: Dorothée Schenk

Es kann gelingen, wenn die Basis stimmt, wenn auch Trennendes Gemeinsames sein kann. „Es ist ein Vertrauen ineinander bei allem, auch wenn man mal ganz andere Meinungen hat“, sagt Petra Buch nach langem Überlegen und ebenso ausgiebigen Blickwechseln. Aloys fügt hinzu: „Für uns war die Tatsache, dass wir kirchlich geheiratet haben, von Bedeutung; das war für uns eine Entscheidung, eine Grundlage.“ In schwierigen Lebensphasen war es Ehefrau Petra, die sie gemeinsam daran erinnerte: „Lass uns mal an die Wurzeln zurückdenken, das bekommen wir auch schon hin.“

Liebe verträgt alles? „Ein fundamentales Misstrauen – dann wird die Brücke dünn. Ich würde sagen, dann trägt sie nicht mehr alles.“ 
Was trägt? „Normalität ist ein wichtiger Punkt“, sagt Aloys Buch. Liebe bläht sich nicht auf. In diesem Sinne betrachtet Ehefrau Petra mit einiger Skepsis manche Eheschließung junger Leute von heute: „Sie überhöhen die Dinge für meine Begriffe. Die Erwartungshaltungen sind Meilen von dem entfernt, wie sie zu unserer Zeit waren.“ 

Theologe und Diakon Aloys Buch zitiert – frei – Papst Franziskus, der in „Amoris laetitia“ betont habe: „Wir müssen darauf achten, dass wir das normale Eheleben, die normale Liebesbeziehung zwischen Menschen zwar im Licht der Liebe Gottes sehen, wie im Epheserbrief zwischen Christus und seiner Kirche; aber man darf einer Ehe nicht all das aufbürden, was diese Gottesliebe umfasst. Ja, christliche Ehe bildet die Gottesliebe ab – aber sie bleibt in aller Intensität doch dahinter zurück.“ 
Von sich alleine kann man es nicht

Nicht nur praktisch beschäftigen sich die Buchs aus Korschenbroich nämlich mit dem Thema Liebe und Ehe. Sie waren im Oktober 2015, als eines von 17 Ehepaaren, in Rom bei der Bischofssynode über „Die Berufung und Sendung der Familie in Kirche und Welt von heute“ dabei. Begeistert erzählen sie, wie sie tagsüber den unterschiedlichen Kulturen begegneten und hochkonzentriert den Beiträgen folgten, um dann bis in die Nacht über ihren eigenen Vier-Minuten-Text zu diskutieren und den dialogischen Vortrag zu proben. „Wir haben endlich mal wieder zusammen an einem Projekt gearbeitet!“ 

„Wir sind mal gefragt worden, warum hat es überhaupt gehalten? Wie hast Du das gesagt?“ Aloys Buch guckt seine Frau fragend an.  „Mit ein bisschen Gottvertrauen …“, sagt Petra Buch, er ergänzt: „… auch Segen.“ „Von sich alleine kann man es nicht, glaube ich. Es ist etwas was von oben, eine schützende Hand.“ „Es hat auch etwas mit einem Geschenk zu tun.“

Dorothée Schenk