Es liegt in unseren Händen
Ein Weg des Vertrauens führte 500 Christen am Sonntag nach Bad Doberan zur jährlichen Wallfahrt. Das Thema lenkte den Blick auf das Taizé-Jugendtreffen in drei Monaten. Auch dort heißt das Leitwort: Vertrauen.
Es war schon ein bisschen Taizé-Atmosphäre, als sich 500 Christen am Sonntag am Doberaner Münster einfanden. Hinter dem Altar an der Nordseite des Münsters stand das Kreuz nach dem Muster des Kreuzes der Kirche in Taizé. Ein großer Teil der Lieder, die die Wallfahrer aus der Pfarrei Herz Jesu sangen, waren Lieder aus der Feder von Jacques Berthier – unverwechselbare Taizé-Lieder. Die Gläubigen kamen teilweise von weither – auch die 17 Kilometer zu Fuß oder per Fahrrad von Rostock sind eine ernstzunehmende Pilgerstrecke. Beim Wallfahrtsgottesdienst war die evangelische Gemeinde von Bad Doberan eingeladen, und Pastor Albrecht Jax stimmte vor dem Segen auf das Treffen zum Jahreswechsel ein. Vor acht Jahren hat er angefangen, an seinem Traum zu arbeiten: das jährliche europäische Jugendtreffen, das mehrere Zehntausend Jugendliche anzieht, in die Region Rostock zu holen.
Das Thema der Wallfahrt, „Wege des Vertrauens“, spielte an auf den „Pilgerweg des Vertrauens“: Unter diesem Motto suchen junge und zunehmend auch ältere Christen die ökumenische Brüdergemeinschaft im französischen Burgund auf.
Vertrauen ist entscheidend – das war ebenfalls die Botschaft von Erzbischof Stefan Heße am Wallfahrtstag. Auch er hatte noch im Sommer das Kloster Taizé besucht. Sein erster Gedanke aber führte nach Russland, wo Ex-Präsident Michail Gorbatschow in der Vorwoche mit 91 Jahren gestorben ist. „Was wäre unser Land ohne Gorbatschow? Wäre es immer noch geteilt? Stünde die Mauer immer noch?“ Auch der damalige sowjetische Staats- und Parteichef, vermutet Erzbischof Heße, hat nicht absehen können, wohin seine Politik der Öffnung führen würde. Er vertraute darauf, dass sein Weg der richtige war.
Gottes Risiko: sein Vertrauen in uns
Für Christen sei Vertrauen ein zentraler Begriff. Erzbischof Heße: „Vertrauen setzt zu allererst Gott in uns. Er wagt diese Welt. Er gibt sich selbst in unsere Hände. Und man gibt sich nur in die Hände eines anderen, wenn man ihm vertraut.“ Vertrauen in die Zukunft sei auch in der katholischen Kirche heute gefragt. In ihren Zukunftsfragen dürfe sie sich nicht in Gleichgültigkeit zurücklehnen oder in Parteiungen spalten lassen. „Ich weiß, es war die Stärke der katholischen Gemeinden in der DDR, dass sie zusammengehalten haben.“
Für die evangelischen und katholischen Gemeinden im Raum Rostock rückt der „Pilgerweg des Vertrauens“ sehr nahe. Pastor Albrecht Jax, der mit seinen Taizé-Kontakten das europäische Jugendtreffen in Rostock auf den Weg gebracht hat, berichtete das Neueste: In zwei Wochen werden Brüder aus Taizé in Rostock den Endspurt der Vorbereitungen begleiten. Dann werden Quartiere gesucht. „Es reichen zwei Quadratmeter pro Gast, viermal Frühstsück und zu Neujahr ein Mittagessen.“ Ab 26. September werden die Brüder aus Frankreich an jedem Montag um 18.30 Uhr in die Rostocker Heilig-Geist Kirche zum Abendgebet einladen. Werden sich die Christen in der Region beteiligen? Daran zweifelt niemand.
Am Ende des Gottesdienstes lenkte Olena Paranko den Blick auf ein anderes Thema. Die Ukrainerin vertrat die neue ukrainisch-katholische Gemeinde in der Hansestadt. Sie sprach vom Leid ihrer Landsleute und dankte für die Solidarität und Hilfsbereitschaft in Rostock. Unvergessen war für alle Ukrainer der Ostergottesdienst in der Christuskirche, sagt Olena Paranko. „Auf ukrainisch in der Kirche zu singen: Christus ist auferstanden! Ich kann gar nicht ausdrücken, was das für uns bedeutet hat.“
Von Andreas Hüser