Jahresserie 2018: "Heimat – Wie im Himmel, so auf Erden"

„Facebook hilft, in Kontakt zu bleiben“

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Heimat – „wie im Himmel, so auf Erden“: In der sechsten Folge der Jahresserie geht es um „Wohnen in Facebook – virtuelle Heimat?“. Kann ein Mensch Heimat finden in digitalen Netzwerken? Gibt es dort auch einen Platz, um seinen Glauben zu leben? Interview mit Franziska Strecker, die privat und für die Jugendkirche Nightfever in sozialen Netzwerken aktiv ist.

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In sozialen Netzwerken geht es nicht nur um Oberflächliches. Menschen bleiben miteinander in Kontakt und erzählen einander manchmal auch von ihrem Glauben. | Foto: Adobe Stock

Welche Rolle spielen soziale Medien für Ihre Spiritualität?

Ich habe Nightfever über Facebook kennengelernt. Eine Freundin hat ein Bild gepostet (siehe Hintergrund) von einem Nightfever-Abend und ich dachte mir: ‚Wow, cool, was ist das denn?‘ So etwas hatte ich noch nie gesehen.
Bei Instagram ist dieser Effekt noch stärker, weil diese Plattform noch mehr über Bilder funktioniert. Wenn es darum geht, Leute zum Mitmachen zu animieren, ist Facebook gut. Unsere Helfer starten dort manchmal einen Aufruf, das wird ganz gut angenommen.

Der erste Nightfever-Abend, zu dem ich gegangen bin, war in der Heilig-Geist-Kirche in Fulda. Ich bin zwar durch das Internet darauf aufmerksam geworden, aber ich fand es sehr schön, dass ich vor der Kirche auch persönlich angesprochen und eingeladen wurde, teilzunehmen. In meiner Heimatpfarrei in Amöneburg bin ich gerne zur Kirche gegangen, aber ich habe mich als Jugendliche im Sonntagsgottesdienst manchmal etwas allein gefühlt. Es war eine sehr schöne Erfahrung, sich willkommen zu fühlen und zu sehen, dass es noch mehr junge Menschen gibt, die ihren Glauben leben. Der virtuelle Eindruck hat sich in der Realität noch verstärkt.

Würden Sie sagen, dass Facebook ein Zuhause für Sie ist?

Franziska Strecker Foto: privat
Franziska Strecker Foto: privat

Ich finde das schwierig zu definieren. Facebook ist nicht mein Zuhause, aber ich halte über Facebook zu vielen Menschen Kontakt, mit denen ich auch in der realen Welt verbunden bin. Das soziale Netzwerk hilft mir, in Kontakt zu sein und zu bleiben. Dennoch ist es nicht dasselbe, wie jemanden persönlich zu treffen oder mit ihm zu sprechen. Es hilft mir, mit Bekannten zu interagieren, die ich nicht so oft sehen kann. Durch Nightfever habe ich zum Beispiel Menschen in vielen Ländern kennen gelernt. Jetzt halte ich Kontakt zu meinen Freunden in London oder Mexiko, die ich nicht so häufig besuchen kann.

Sie betreuen die Facebook-Seite und die Facebook-Gruppe von Nightfever. Was passiert dort?

Unsere Facebook-Gruppe hat 2150 Mitglieder. Aber die Gruppe selbst wird nur noch wenig zum Austausch genutzt. Früher waren Facebook-Gruppen mal ‚in’, aber das hat sich geändert. Ich selbst bin zwar noch in 15 Gruppen, aber da passiert eigentlich gar nichts mehr. In einer Gruppe muss man sich anmelden, auf einer Seite nicht. Die Facebook-Gruppe von Nightfever existiert zwar noch, ist aber nicht mehr relevant. Mehr los ist dagegen auf unserer Facebook-Seite. Dort können Besucher Kommentare posten. Die meisten in den Sprachen Deutsch oder Englisch. Als überregionales Team sind wir in Kontakt mit den anderen Teams, die Nightfever in ihren Städten veranstalten. Wir teilen auf unserer Seite Fotos, die sie auf ihren Seiten posten oder uns zusenden. Darüber hinaus verbreiten wir Einladungen von ihnen, wenn sie junge Leute animieren wollen, sich bei Nightfever zu engagieren. Unser Hauptziel ist es also, mithilfe der Seite die lokalen Teams zu unterstützen, zu vernetzen und in ihrem Tun zu bestärken.  

Nutzen Sie in der Kommunikation auch andere Dienste, wie etwa WhatsApp?

Die Teams haben WhatsApp. Sie nutzen es, um Veranstaltungen zu organisieren. Wir haben auch einen WhatsApp-Service. Aber aufgrund der neuen Datenschutzregelungen liegt er erstmal brach. Wir werden den Dienst vorerst nur dazu nutzen, um auf Veranstaltungen hinzuweisen.

Welche Rolle spielt Instagram inzwischen? Sind junge Menschen überhaupt noch bei Facebook?

Instagram wächst sehr viel stärker als Facebook. Viele, die auf Facebook interagieren, sind über das Studentenalter schon hinaus. Bei Facebook sind die ganz Jungen nicht mehr vertreten. Aber viele der Team-Mitglieder haben noch Facebook und nutzen es auch. Instagram ist noch stärker überregional und lebt mehr von Bildern. Deshalb möchten wir dort weiterhin versuchen, mit den Bildern aus einzelnen Nightfever-Städten die frohe Botschaft bei Instagram aufstrahlen zu lassen.

Welche Reaktionen bekommen Sie auf Facebook?

Es gibt eine große Bandbreite im Hinblick auf die Reaktionen. Das kommt auch auf das Thema an. Wir posten alle Inhalte in Deutsch und Englisch. Bei deutschsprachigen Themen gibt es mehr Reaktionen aus deutschsprachigen Ländern. Jetzt hatten wir einen Post aus Halifax, da gab es viele Kommentare auf Englisch. Inhaltliche Diskussionen gibt es eher selten, es geht mehr darum, Inhalte zu teilen oder zu liken.

Gibt es eine Gemeinschaft, die sich dort immer wieder trifft?

Es gibt schon fünf oder sechs Namen, also Personen, die fast jeden Beitrag liken, teilen oder auch kommentieren. Ich kenne diese Personen nicht persönlich, aber sie beteiligen sich regelmäßig.
An Fronleichnam zum Beispiel gab es eine sehr große Resonanz auf ein Foto. Eine Gruppe aus Münstertal in der Nähe von Freiburg hatte einen Blütenteppich gelegt, bei dem auch das Logo von Nightfever zu sehen war und der Satz: „Wir sind gekommen, um Ihn anzubeten.“ Da kamen viele Anfragen, ob es eine Vorlage gibt und allgemein eine große positive Resonanz.

Gibt es die Gefahr, sich in sozialen Netzwerken zu verlieren?

Vor allem in der Prüfungsphase ist es sehr verlockend. Da kann es schnell passieren, dass man sich lieber Fotos auf Instagram anschaut, anstatt zu lernen. Man muss schauen, dass es nicht zu viel Lebenszeit in Anspruch nimmt. Es braucht eine gute Mischung. Nur in der Online-Welt zu leben ist auch nicht das Wahre.

Sind soziale Medien nur oberflächlich oder bieten sie auch Raum für Inhalte?

Ich persönlich war mal in einer WhatsApp-Gebetsgruppe. Das war aber nichts für mich, das war nicht meine Form. Trotzdem wollen wir für Nightfever Facebook auch nicht inhaltsleer nutzen. Wir teilen dort zum Beispiel auch Glaubenszeugnisse und versuchen, Spiritualität aufscheinen zu lassen. Ich folge zum Beispiel auf Instagram einer jungen Frau, die dort über ihren Glauben spricht. Ich finde es gut, dass es auch dort mehr gibt als nur Oberflächlichkeiten: Was soll ich anziehen, wie soll ich mich schminken, welchen Sport soll ich machen? Es gehört auch viel Mut dazu, sich dort über seinen Glauben zu äußern. Denn die Hemmschwelle für Angriffe ist viel niedriger als im realen Leben. Aber gerade deshalb ist der Effekt stark, es ermutigt vielleicht andere, selbstbewusster zu ihrem Glauben zu stehen. Das ist in etwa so wie die Frage, ob ich im Restaurant vor dem Essen beten soll oder nicht. Ich habe festgestellt, dass im Internet eine gewisse Akzeptanz herrscht, wenn man authentisch ist. Dann wird das auch angenommen.

Wobei ich mir da auch nichts vormache: Auf Facebook lebt man in einer Blase, die man sich selbst zusammenstellt. Ich folge nicht nur vielen christlichen Seiten, sondern zum Beispiel auch nachrichtlichen Angeboten. Da herrscht manchmal ein Umgangston, dass ich mir denke: ‚Meine Güte, wo sind wir denn gelandet?‘.

Das ist manchmal sehr anstrengend. Aber diese Meinungen sind ja Realität, deshalb bringt es auch nichts, sich davor zu verschließen. Wenn sich jeder nur noch abkapselt und dort ist, wo ohnehin alle einer Meinung sind, ist das auch nicht zielführend. Da muss man vielleicht auch mal mutig sein und etwas dagegen setzen. Ein Problem ist natürlich, dass es manchmal Bots sind (Computerprogramme), die einem antworten. Das darf man nicht außer Acht lassen.
Für mich steht fest: Eine persönliche Begegnung kann nicht durch Social Media ersetzt werden.

Interview: Julia Hoffmann

 

Die nächsten Nightfever-Abende:

  • 11. August ab 18.30 Uhr in der Heilig-Geist-Kirche Fulda
  • 7. September ab 19.30 Uhr in der Augustinerkirche Mainz
  • 15. September ab 18 Uhr im Kaiserdom St. Bartholomäus Frankfurt

 

Hintergrund: Digitale soziale Netzwerke

  • Facebook hat 2,2 Milliarden aktive Nutzer. Aktiv bedeutet, dass sie das Netzwerk mindestens einmal im Monat nutzen.
  • Instagram hat eine Milliarde aktive Nutzer. Dort werden vor allem Bilder hochgeladen.
  • WhatsApp ist ein beliebter Messenger-Dienst. Nutzer schreiben sich hier Kurznachrichten.
  • „Posten“ bedeutet, einen Kommentar zu schreiben oder ein Bild zu veröffentlichen.
  • „Liken“ bedeutet, den „Gefällt mir“-Knopf zu drücken und damit zu zeigen, was einem gefällt. Auch Wut oder Trauer können gezeigt werden.