Theaterbesuch mit Lesern

„Frühling für Hitler“ in Osnabrück

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Eine Showtreppe für Adolf im Theaterstück „Frühling für Hitler“ – der US-Autor Mel Brooks hat seine Fantasie spielen lassen. Das Theater Osnabrück zeigt das Broadwaymusical „The Producers“. Der Kirchenbote lädt die Leserinnen und Leser ein, gemeinsam eine Vorstellung zu besuchen.


Leo Bloom (Oliver Meskendahl) träumt davon, einmal ein berühmter Broadwayproduzent zu sein. Foto: Jörg Landsberg

Da stehen sie an ihren Schreibtischen, die grauen Männer im Steuerbüro, verschmelzen mit ihrer tristen Umgebung und stimmen ihr Lied der Tristesse an: „Verzweifelt. Verzweifelt.“ Einer von ihnen ist Leo Bloom, schüchterner Buchhalter und Mann der Zahlen, aber er hat durch die Begegnung mit einem Broadwayproduzenten jetzt einen Traum: Er wäre gerne selbst einer, der eine super Show auf die Beine stellt. Und so singt Oliver Meskendahl als Leo Bloom in dem Musical „Producers“ seinen Song, zu dem die Discokugel herabschwebt, bunte Lichter angehen und alles in verschiedene Farben tauchen: „Ich wär so gern ein Producer“.

Ja, in diesem Leo Bloom steckt mehr als ein Buchhalter. Meskendahl öffnet die Büroschränke und holt die Tänzerinnen heraus. Vier Showgirls im Glitzerfummel mit Federboa auf dem Kopf tanzen zu seinem Auftritt und bringen Schwung ins Büro. Schon in dieser Szene zeigt sich, wie faszinierend Tanzszenen im Revuestil sind. Einige Bilder weiter präsentiert die Osnabrücker Inszenierung der „Producers“ dann die ganz große Show beim Stück im Stück.

Leo Bloom und Broadwayproduzent Max Bialystok haben ein Stück herausgebracht, dass „Frühling für Hitler“ heißt und alles bietet, was zu einer gelungenen Show gehört: Musik, Tanz und einen Star des Abends. Das wird zur Livemusik des Symphonieorchesters präsentiert. Der Theaterchor und die Tänzerinnen und Tänzer treten als Hitlerjugend und SS-Mitglieder auf, die Frauen in sexy Hotpants mit Gretelfrisur und Hakenkreuzarmbinde, die Männer in hohen Stiefeln, und es zeigt sich, dass der Stechschritt sich wunderbar für eine Revue eignet (Choreografie: Riccardo De Nigris). Dazu steigt Sänger Jan Friedrich Eggers als schnieker Hitler wie eine Diva die Showtreppe hinab und singt sein absurdes Lied: „Heil mir selbst, heil noch mal, ich mach jeden Sozialisten national.“

Walküren umschwebenden Führer

Das ist lächerlich, das ist lustig, das ist gut. Die Osnabrücker Inszenierung zeigt deutlich, dass die Nazis hier parodiert werden. Walküren mit absurdem Kopfschmuck umschweben den Führer, die Tänzer deuten mit den Fingern kleine Hitlerbärtchen unter ihren Nasen an. Dass das Premierenpublikum hier etwas verhaltener applaudiert als bei den anderen Musiknummern, hat womöglich damit zu tun, dass man keine falschen Sachen beklatschen mag.

Bedenken, Hitler als Hauptfigur auf die Bühne zu bringen, haben die Protagonisten des Mel-Brooks-Musicals „Producers“ jedenfalls nicht. Bloom und Bialystock wählten das Stück über Hitler mit Absicht aus, damit es ein Flop wird und sie mit den eingesammelten Sponsorengeldern nach Rio abhauen können. Ein geplanter Betrug. Wie hatte Max Bialystock gesagt: „Das Stück ist ein Desaster! Es wird alle vor den Kopf stoßen.“

Nun aber wird es ein großer Erfolg, denn der Autor und Hauptdarsteller hat sich verletzt und der als Ersatz eingesprungene Regisseur Roger De Bris bringt einen wunderbaren Hitler auf die Bühne. Jan Friedrich Eggers, der im Theater Osnabrück vor Jahren in der Johannes-Passion als Jesus zu sehen war,  überzeugt als schwuler Regisseur, der als Adolf den Auftritt seines Lebens hinlegt.


Zusammen mit Max Bialystock (Mark Hamman) stellt Leo Bloom
eine schwedische Schönheit (Monika Vivell) als Sekretärin ein. Foto: Jörg Landsberg

Eggers ist nicht der einzige, der in dem Musical „Producers“ als Klischeefigur inszeniert wird (Regie: Dominique Schnizer). Mark Hamman gibt den durchaus sympathischen, aber abgehalfterten Produzenten Max Bialystock, der seine Geldschecks durch sexuelle Gefälligkeiten bei älteren Damen verdient. Monika Vivell taucht als sexy schwedische Blondine im Miniröckchen und engen Pulli auf und verdreht Max und Leo gleichermaßen den Kopf. Oliver Meskendahl darf als schüchterner Leo Bloom auch einmal hysterisch werden, bis ihn die Blondine später mit einem Kuss von seiner Lebensscheu befreit und er sein Schnuffeltuch aus Kindheitstagen nicht mehr braucht.

Klischeefigurenin einer Theaterklamotte

Doch nicht nur die Hauptfiguren sind überzeichnet, alle übrigen Darsteller bedienen ebenfalls Klischees, wie sie einer Theaterklamotte würdig sind. Wie sonst könnte man die älteren Damen, die auf Bialystock hereinfallen, zeigen, wenn nicht als Parodie? Schnizer präsentiert sie als stockschwingende Furien mit gekrümmtem Rücken – gar nicht so einfach, in dieser Haltung aufzutreten.

Die Faszination des Stücks machen die mitreißenden Musik- und Tanzszenen aus. Choreograf Riccardo De Nigris hat passende Bilder gefunden, Theaterchor und Statisten fügen sich neben der Dance Company überzeugend ins Gesamtbild ein. Bühnenbild und Kostüme lassen Broadwayatmosphäre aufkommen und rufen den Zeitgeist der 1960er Jahre ins Gedächtnis. Enger Rolli, kurzer Rock – was Monika Vivell trägt, kennt so manche noch aus dem eigenen Schrank.

Am Ende landen Max und Leo im Gefängnis. Sie inszenieren erfolgreich ein Knastmusical und kommen wegen guter Führung frei. Wer sich auf die Verrücktheiten des Musicals „Die Producers“ einlassen kann, wird bestens unterhalten.

Andrea Kolhoff


Musicalbesuch mit Lesern

Der Kirchenbote bietet einen Theaterabend mit dem Besuch des Musicals „Die Producers“ am Donnerstag, 4. Juli, an. Leserinnen und Leser können sich dazu anmelden. Beginn ist um 17.45 Uhr in den Räumen des Kirchenboten, Schillerstraße 15 (neben Parkplatz Haarmannsbrunnen) mit einem Imbiss. Dramaturg Alexander Wunderlich gibt eine Einführung in das Stück, anschließend Besuch der Aufführung, Beginn 19.30 Uhr, Dauer drei Stunden zehn Minuten mit Pause. Kosten: 56 Euro.

Anmeldung bei Michael Lagemann, Telefon 05 41/31 86 17,
E-Mail:
m.lagemann@kirchenbote.de