Professorin Kuhn-Zuber ist seit September Präsidentin der KHSB

Für immer Krankenschwester

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Seit September ist Professorin Gabriele Kuhn-Zuber Präsidentin der Katholischen Hochschule für Sozialwesen in Berlin. Für dieses Amt bringt sie eine außergewöhnliche Biografie mit.

Als neue Präsidentin der Katholischen Hochschule für Sozialwesen in Berlin wurde Professorin Gabriele Kuhn-Zuber zu Beginn des Wintersemesters in der Aula der Hochschule eingeführt.    Foto: Walter Wetzler

 

In der Mitte des langen Flures steht die Tür zum Büro von Gabriele Kuhn-Zuber offen. In dem großen Raum mit hoher Zimmerdecke wartet sie mit einem freundlichen, zugewandten Lächeln. Seit 1. September vergangenen Jahres ist die Juraprofessorin Präsidentin der Katholischen Hochschule für Sozialwesen Berlin (KHSB). Die Fachhochschule in der Trägerschaft des Erzbistums Berlin ist die einzige katholische Hochschule in Ostdeutschland – und residiert in einem geschichtsträchtigen Bau im etwas abgelegenen Stadtteil Karlshorst.
1928-30 im typischen Bauhaus-Stil errichtet, gründeten die Marienschwestern von der Unbefleckten Empfängnis an dieser Stelle eine Klinik, die sich dem „Konzept zukunftsweisender Sozialmedizin“ verpflichtet sah, wie auf einer Tafel am Eingang zu lesen ist. Und diese Tradition spürt man in der weitläufigen Anlage bis heute: Die langen, gefliesten Flure und die breiten Türen erinnern daran, dass hier einst Kranke gepflegt und behandelt wurden.
Nach nur 15 Jahren, zum Kriegsende 1945, war die kurze Geschichte des St.-Antonius- Krankenhauses plötzlich beendet. Die Sowjetische Militäradministration zog hier ein, schickte auch von diesem Ort aus Menschen in den Tod. Auch daran erinnert die Tafel am Eingang. Bis 1990 hatte das DDR-Landwirtschaftsministerium hier seinen Sitz, bis die Marienschwestern das Anwesen nach der Wende zurückerhielten – und es an das Erzbistum verpachteten, das 1991 die heutige Hochschule für Sozialwesen eröffnete.

Einzige katholische Hochschule im Osten
Die große Parkanlage wird mittlerweile gerne von den Studentinnen und Stundenten genutzt – wenn sie denn vor Ort sind. An diesem trüben Wintertag ist das Gebäude fast wie ausgestorben, die zahlreichen Fahrradständer rund um das Gebäude sind nahezu leer. „Wir sind mit 70 bis 75 Prozent Präsenzlehre ins Semester gestartet“, erzählt Gabriele Kuhn-Zuber im Gespräch. Doch die rasant steigenden Infektionszahlen haben der KHSB das mittlerweile vierte Corona-Semester in Folge beschert – Lehrveranstaltungen finden seitdem wieder meist online statt. Für Gabriele Kuhn-Zuber ist das keine einfache Situation. Für sie ist der persönliche, unkomplizierte Kontakt zu den Studenten besonders wichtig. Mit nur rund 1400 Studierenden, davon 75 bis 85 Prozent weiblich, schätzt sie besonders die familiäre Atmosphäre. „Es ist ein toller Campus mit vielen Begegnungsorten, eine Hochschule der kurzen Wege mit flachen Hierarchien“, erzählt sie begeistert. Und da bezieht sie sich ausdrücklich mit ein: „Ich bin immer ansprechbar, meine Tür steht offen.“

Persönliche Begleitung für die Studenten
Gabriele Kuhn-Zuber versteht sich als Kümmerin, die für ihre Studierenden da sein will. Und das hat auch einen persönlichen Hintergrund: „Im Grunde meines Herzens bin ich immer noch Krankenschwester“, erzählt sie aus ihrer bewegten Biografie. Denn bis zum Jurastudium war es für die 53-Jährige ein weiter Weg.
Aufgewachsen in einer katholischen Familie im thüringischen Suhl gehörte sie einer kleinen Minderheit an. Nur zehn Kommunionkinder habe es damals in ihrem Jahrgang in der gesamten Stadt gegeben, erinnert sie sich im Gespräch. Die Familie stand zu ihrem Glauben – und das hatte Konsequenzen. Sie verweigerte die Jugendweihe, durfte daher kein Abitur machen, trotz eines Notendurchschnitts von 1,0 in der zehnten Klasse.
Stattdessen trat sie in die Fußstapfen ihrer Mutter, begann eine Ausbildung als Krankenschwester. „Ich habe meine Mutter immer total gern im Krankenhaus besucht. Und ich finde immer noch, dass es ein toller Beruf ist“, gibt sich Kuhn-Zuber überzeugt – trotz des zuweilen schlechten Rufs. „Ich wollte immer gute Laune verbreiten, wenn ich in ein Krankenzimmer gegangen bin. Die Menschen sind krank, da muss ich kein miesepetriges Gesicht zeigen.“ Diese herzliche und positive Einstellung zum Menschen hat sie sich bis heute bewahrt.

Unter dem Kreuz: Christliche Werte prägen für Gabriele Kuhn-Zuber die Ausbildung an der KHSB.    Foto: Oliver Gierens

Drei Jahre hat Gabriele Kuhn-Zuber in diesem Beruf gearbeitet, bis sich nach der Wende für sie neue Chancen eröffneten. 1991 holte sie – neben ihrem Dienst im Krankenhaus – das Abitur in der Abendschule nach, zwei Jahre später begann ihr Jurastudium in Jena. Nach drei Jahren konnte sich Kuhn-Zuber einen weiteren Traum erfüllen. Für zwei Auslandssemester ging sie in das Land, das ihr schon lange am Herzen lag: Nach Frankreich. „Mit unterirdischen Französischkenntnissen“, wie sie erzählt, musste sie sich durch die Vorlesungen kämpfen. Der Liebe wegen – ihr heutiger Mann wurde Rechtsreferendar in Berlin – setzte sie ihr Studium an der Humboldt-Uni fort und traf dort auf einen prominenten Doktorvater: Professor Bernhard Schlink, der sich auch als Romanautor einen Namen gemacht hat. „Da kam damals viel Fanpost an den Lehrstuhl, doch wir haben immer wissenschaftlich gearbeitet. Und er war auch nicht unnahbar“, erzählt sie aus dieser Zeit.
Eigentlich, so berichtet Gabriele Kuhn-Zuber, hatte sie sich für Psychologie interessiert. Doch bei einem „Schnupperstudium“ geriet sie in eine Vorlesung, die sie nach eigenem Bekunden „ziemlich öde“ fand, eine Strafrechtsvorlesung erlebte sie hingegen auch aufgrund ihrer Lebensnähe als „total cool“.

„Gott achtet jeden Menschen, wie er ist“
Als Juristin ist sich Gabriele Kuhn-Zuber treu geblieben, widmet sich insbesondere den Rechten von Menschen mit Behinderungen oder dem Pflegerecht. Seit Oktober 2008 ist sie Professorin für Rechtliche Grundlagen der Sozialen Arbeit und der Heilpädagogik an der KHSB, seit letzten Herbst nun auch deren Präsidentin. Und in diesem Amt will sie dafür sorgen, dass die Studierenden nicht nur eine gute fachliche Ausbildung erhalten, sondern auch ein umfassendes Wertegerüst mit auf den Weg bekommen. Nächstenliebe, Hilfe zur Selbsthilfe, die Achtung der Menschenwürde – gerade in der Pflege oder im Umgang mit behinderten Menschen sind diese christlichen Grundwerte ein wichtiger Kompass, gerade in einer multireligiösen Stadt wie Berlin. „Wir verstehen uns bewusst als katholische Einrichtung. Und der zutiefst katholische Grundgedanke ist, dass Gott den Menschen achtet, wie er ist“, macht Gabriele Kuhn-Zuber deutlich.

Hintergrund: KHSB
Ausbildungsschwerpunkte sind: Soziale Arbeit, Kindheitspädagogik, Religionspädagogik, Heilpädagogik, Soziale Gerontologie, Gestaltungstherapie und Klinische Kunsttherapie. Ausbildung in Bachelor- und Masterstudiengängen in Vollzeit, tätigkeits- oder berufsbegleitend. Zugang zum Teil auch ohne Abitur. Mehr Info unter www.khsb-berlin.de
 
Von Oliver Gierens